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Artikel „Merkel, Paul Wolfgang“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 437–439, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Merkel,_Paul_Wolfgang&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 14:38 Uhr UTC)
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Merkel: Paul Wolfgang M., geb. zu Nürnberg am 1. April 1756, Sohn des Caspar Gottlieb Merkel, verordneten Marktvorstehers und der Maria Magdalena Merz. Trotz Fähigkeiten und Neigung für gelehrte Studien ließ er sich durch den Wunsch seiner Eltern bestimmen, das Gymnasium zu verlassen und den väterlichen Beruf zu ergreifen. Mit welchem Eifer und Erfolg er indeß bis dahin die humanistischen Studien betrieben, erhellt am besten daraus, daß er späterhin sich vorkommenden Falles stets der lateinischen Sprache mit Leichtigkeit bediente. In einem Bremenser Manufacturgeschäfte erlernte er die Kaufmannschaft und nachdem er, noch nicht siebenzehn Jahre alt, mit seinem Vater eine wenn auch kurze, aber an Eindrücken reiche Reise nach Oberitalien bis Venedig gemacht hatte, übernahm er, bevor noch seine Lehrzeit abgelaufen, bei einem nahen Verwandten auf dessen Wunsch eine Stelle als Geschäftsführer und bewährte sich durchaus in dieser frühen Selbständigkeit. Bald darauf trat er in die Handlung seines Vaters ein und im Verein mit einem zweiten im väterlichen Geschäfte thätigen Bruder gelang es ihm, das durch namhafte Verluste geschwächte väterliche Haus, das bei der zunehmenden Kränklichkeit des Vaters einer kraftvollen Leitung bedurfte, in Ehren zu erhalten. Auf die geistige Durchbildung des jungen Merkel, auf die Läuterung seines ästhetischen Geschmackes, die Weiterentwicklung seiner Kenntnisse und seines Urtheils in historischer, wirthschaftlicher und religiöser Beziehung war damals ein innig freundschaftlicher Verkehr mit Wolfgang Jäger und Ernst Friedrich Andreas Cnopf von einem tiefen und nachhaltigen Einflusse. Jener, damals Lehrer am Gymnasium zu Nürnberg und später Professor zu Altdorf, zeichnete sich durch ein vielseitiges und gründliches historisches Wissen, durch Sicherheit und Schärfe in Auffassung und Beurtheilung der politischen Ereignisse und Zustände aus, dieser, damals Vicar in Nürnberg und nachmals Consistorialrath und Prediger in Wien, war auf dem Gebiete der neueren Litteratur höchst bewandert und stand als Theologe auf einem freien, rationellen Standpunkte. Nach seines Vaters Tode verlobte sich Merkel im Jahre 1783 mit der einzigen noch sehr jungen Tochter Johannes Beplers, dem durch Vermächtniß das bedeutende Handlungshaus Johann Sigmund Lödel zugefallen war. Infolge des Todes seines Bruders alleiniger Inhaber des Geschäfts vereinigte er es 1787 nach dem Wunsche seines Schwiegervaters mit dessen Hause, das von nun an die Firma Lödel und Merkel führte. Um diese Zeit beginnt Merkel's öffentliche Thätigkeit. Schon 1786 war er unter die Marktsadjuncten aufgenommen und zugleich Mitglied des größeren Rathes der Genannten geworden. Dieser ohne besondere politische Befugnisse hatte damals einen bereits im 17. Jahrhundert zwischen sich und der eigentlichen Regierung der Stadt, dem inneren oder kleineren Rathe entbrannten Competenzstreit infolge einer neu ausgeschriebenen Kopfsteuer wieder aufgenommen. Wenn auch der Reichshofrath, an welchen sich das Genanntencollegium zur Entscheidung wandte, diesem die Unterwerfung unter die Beschlüsse des Raths anbefohlen hatte, so war es andererseits doch ein glänzender Erfolg der Gemeinde zu nennen, daß der Rath zur Anhörung der Anträge des Handelsstandes angewiesen wurde. Merkel wurde Mitglied der zur Berathung und Verhandlung eingesetzten Commission. Seinem mildernden Einflusse war es zu verdanken, daß die Verhandlungen, welche sich auf Minderung der Verwaltungskosten und Verbesserung des Steuerfußes bezogen, keinen stürmischen, sich überstürzenden Verlauf annahmen, wie es in jener Zeit der Staatsumwälzungen kaum etwas ungewöhnliches gewesen wäre. Nach langen Tractationen kam es zwischen den beiden Körperschaften [438] zum Vertrag, der dem größeren Rath den ihm gebührenden Antheil an der gesetzgebenden Gewalt einräumte. M. steuerte nun mit aller Energie darauf hin, diesem zur vollen Ausübung seiner neuerworbenen Gerechtsame zu verhelfen, jedoch vergebens. In seinem Schooße hervorgetretene Zwistigkeiten ließen sich nicht beilegen, und als nun gegen den Rath die Einsetzung einer kaiserlichen Localcommission verlangt wurde, trat er aus und verweigerte fort und fort die Annahme einer Wiederwahl. Die französische Revolution blieb für das politische Leben Nürnbergs nicht ohne jeglichen Nachhall: eine Anzahl Bürger erstrebte die Bildung eines Vereins, der an bestimmten Tagen sich mit der Berathung politischer Materien befassen sollte. Merkel, die naheliegende Gefahr des Mißbrauches derartiger Zusammenkünfte in jener aufgeregten Zeit besorgend, wußte das allgemeine Interesse auf die Hervorrufung eines anderen Vereins zu lenken, der sich die Hebung der vaterstädtischen Manufacturen durch Verbesserung ihrer Producte und Erweiterung ihrer Absatzgebiete zum Ziele setzte. So bildete sich 1792 die Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie. Die Aufgaben, welche die öffentlichen Angelegenheiten in sich bargen, traten jetzt mit stets größeren Ansprüchen an ihn heran. Die seit der französischen Invasion überaus schwer drückenden Kriegskosten wurden auf seinen Antrag nicht durch Anlehen, die die schon höchst bedeutenden Staatsschulden bis ins Unerträgliche gesteigert hätten, sondern durch Auflagen gedeckt. Mit gleicher Energie, wie hier, nahm er zehn Jahre lang an den Verhandlungen Theil, welche die Erhaltung der politischen Selbständigkeit der Reichsstadt und die Wiedererwerbung des verlorenen Gebietes herbeiführen sollten. Versprach er sich auch keinen besonderen Erfolg von all' diesen Anstrengungen, so hielt er es doch für seine heilige Pflicht, die politische Unabhängigkeit so lange zu wahren, als es eben anging, sie aber auf keinen Fall vor der Auflösung des Reichs eingehen zu lassen. Als dann, wie erwartet, der deutsche Reichsverband kraftlos und altersschwach auseinanderfiel, gehörte M. zu den ersten, die die Aufnahme Nürnbergs in den baierischen Staat befürworteten. Freilich war er in der Folge nicht stets und überall mit den Umgestaltungen einverstanden, welche der Anschluß an Baiern erheischte, namentlich nicht mit der „Ergreifung“ des Stiftungsvermögens, wie sich die Generaladministration ausdrückte, und dessen Separirung, ein Verfahren, das er auf katholische Institute, Klöster, Brüderschaften etc. angewendet für zweckmäßig, in einer protestantischen Gegend aber nicht am Platze hielt. Zugleich aber war er gern bereit, die Vorzüge des neuen Regiments und den guten Willen der Regierung immerfort anzuerkennen. Bei den politischen Umwandlungen war er indeß selbst als Vorsteher des Handelsplatzes, als Executor mehrerer Stiftungen und als Mitglied der Schulcommission in vielfacher Hinsicht in Anspruch genommen. Im übrigen widmete er sich mit voller Kraft seinem Amte als Marktsvorsteher, das er schon von 1801 an bekleidete. Die Gerichtsbarkeit der vier Marktsvorsteher, oder das sog. Marktsgewölbe, war eine alte örtliche Einrichtung, die der Stadt unter dem Namen des Friedens- und Schiedsgerichts von der baierischen Regierung bestätigt wurde. Als Mitglied desselben und Beisitzer des neuerrichteten Handelsappellationsgerichts entwickelte er eine überaus fruchtbare Wirksamkeit. Es kam ihm zu statten, daß er über die Gabe der Rede in außerordentlicher Weise verfügte und auch unvorbereitet auf das erfolgreichste selbst auf die erbittertsten Gegner einzuwirken verstand. Im Anfang des Jahres 1808 wurde M. an der Spitze einer Commission des Handelsstandes nach München abgeordnet, um in der neueingeführten Zollordnung bedeutende Abänderungen zu erwirken. Die Abgesandten der übrigen Städte erkannten in ihm den sach- und redekundigen Führer und wählten ihn zu ihrem Sprecher. Sein klarer und eindringlicher Vortrag war von durchschlagendem [439] Erfolge: die weitaus größere Mehrzahl der vorgetragenen Wünsche fand Berücksichtigung. Noch an seinem Lebensabend erfüllte sich eine der schönsten politischen Hoffnungen Merkel's, als am 26. Mai 1818 dem baierischen Volke die Verfassungsurkunde gegeben wurde. In dem Bewußtsein, daß seine Kraft nicht mehr ausreiche, lehnte er es auf das Entschiedenste ab, eine Stelle unter den neuen Gemeindevorständen einzunehmen, wenn er auch, von dem Regierungspräsidenten des Rezatkreises Graf von Drechsel zu Rath gezogen, bei den jetzt zu treffenden Einrichtungen seine Mitwirkung nicht versagte. Den auf ihn einstürmenden Bitten aber, ein Mandat als Abgeordneter für den Landtag zu übernehmen, konnte er sich nicht entziehen. Wenn er sich auch den an ihn herantretenden Aufgaben keineswegs gewachsen glaubte und seine Thätigkeit bei den Arbeiten des Landtages auch nicht in den Vordergrund trat: so war sie doch keineswegs unbedeutend und namentlich waren es die Berathungen des Steuerausschusses, an denen er als Mitglied den lebhaftesten Antheil nahm. Ungleich größer aber war der Einfluß, den er im directen Verkehr mit anderen Abgeordneten ausübte. Er selbst schreibt über seine Thätigkeit im Landtage unter Anderem an Karl Ludwig von Knebel: „Habe ich gleich nur wenig thun können, so ist doch hie und da manches nicht ohne Erfolg geblieben und meine Vaterstadt besonders kann mit den Resultaten der Ständeversammlung sehr wohl zufrieden sein; denn ihre Schuldenangelegenheit ist nun so berichtigt, daß sie der Nationalschuld einverleibt und mit 4 Procent verzinset wird.“ Vom Landtage zurückgekehrt, wurde er von der Nürnberger Bevölkerung mit Jubel empfangen. Vornehmlich war man über die Wiederherstellung der fast entwertheten Nürnberger Obligationen erfreut, wenn auch dieser Erfolg mehr ein Verdienst der übrigen Nürnberger Abgeordneten war. Schon auf dem Landtage hatte sich indeß gezeigt, daß das Feuer der Begeisterung M. über die Schwierigkeiten seiner Aufgabe hinausgehoben hatte. Leidend war er zurückgekehrt und seit Ende November zersetzten sich seine Kräfte mehr und mehr. Er starb am 16. Januar 1820. Mit M. schied einer jener Männer, die in dem Uebergangsstadium des Nürnberger politischen Lebens eine hervorragende Rolle spielten. Er war ein Mann voll Einsicht und Besonnenheit, reich an Kenntnissen, hilfreich und mildthätig, gediegen durch und durch. Diese vortrefflichen Eigenschaften bewährte er in gleicher Weise in allen Lagen, im Familien-, Freundes- und geselligem Verkehr, im Geschäfts-, wie im öffentlichen Leben. Ueber ihn schreibt Knebel, der mit ihm seit 1798 in freundlichem und geschäftlichem Verkehre stand, an Goethe: „Keinen bravern, würdigern, verdienstlichern Mann kenne ich nicht. So wird er überall geliebt und verehrt. Das ist eine seltene Menschenart.“

Fried. Roth, Nachricht von dem Leben Paul Wolfgang Merkel's etc., Nürnberg, auf Kosten der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie. 1821. – H. Düntzer, Ungedruckte Briefe aus Knebel's Nachlaß. Nürnberg 1858. – K. L. Roth, Kleinere Schriften pädagogischen und biographischen Inhalts. Stuttgart 1856. – Georg Wolfg. Karl Lochner, Lebensläufe berühmter und verdienter Nürnberger. Nürnberg 1861.