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Artikel „Meir ben Baruch“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 240–241, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meir_ben_Baruch&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 08:12 Uhr UTC)
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Meir ben Baruch, auch Meir von Rotenburg genannt, jüdischer Gesetzeslehrer, † am 27. April 1293 in Ensisheim. Zu Worms gebürtig, wurde er von seinem Vater, dem im J. 1281 in hohem Alter verstorbenen Rabbiner Baruch b. Meir, wol schon als Knabe für das Talmudstudium bestimmt. In seiner Jugend hielt er sich in Würzburg auf und hörte daselbst die talmudischen Vorträge des Rabbiners Samuel b. Menachem. Später besuchte er die Lehrhäuser der letzten Vertreter der französischen Talmudistenschule, Jechiel von Paris und Samuel v. Falaise. Auch seinen Verwandten Samuel von Bamberg und den Rabbiner Abigedor in Wien bezeichnet er als seine Lehrer. In verhältnißmäßig frühem Alter war M. b. B., der in Rotenburg (wahrscheinlich am Neckar) und später auch in anderen Städten, zuletzt in Nürnberg, als Rabbiner wirkte, schon als die erste Autorität auf dem Gebiete der jüdischen Gesetzeskunde anerkannt. Mit Anspielung auf seinen Namen (Meir, leuchtend) wurde er nicht selten die Leuchte der Judenheit genannt. Fortwährend ergingen aus den jüdischen Gemeinden Deutschlands und Frankreichs an ihn Anfragen betreffs zweifelhafter religionsgesetzlicher Fälle und seine Bescheide wurden als maßgebend anerkannt. Er hat mehr als 1000 casuistische Gutachten geschrieben, die, sachlich und quellenmäßig gehalten, auch da, wo discussive Erläuterungen nicht zu vermeiden sind, klar und verständlich bleiben und nie durch ermüdende Breite und Verworrenheit verunstaltet werden. Von seinen Commentarien zu mehreren Tractaten der Mischna und des Talmuds und seinen masoretischen Arbeiten haben sich nur wenige Reste und Auszüge erhalten. Er richtete sein besonderes Augenmerk auf die Feststellung der aus dem Talmud für das praktisch-religiöse Leben sich ergebenden Normen und stellte daher den Lehrcodex Alfasi’s und Maimuni’s Lehrgebäude des jüdischen Gesetzes sehr hoch, welche Werke denn in der That auch von seinen Schülern mit zahlreichen aus seinem litterarischen Nachlasse stammenden Additamenten versehen wurden. Er brachte das Talmudstudium in Deutschland zur Blüthe und ließ die mystische Askese nur soweit gelten, als sie sich talmudisch rechtfertigen ließ. Im J. 1286 wurde M. b. B., als er eben im Begriffe war mit seiner Familie und anderen jüdischen Auswanderern Deutschland zu verlassen, in der Lombardei durch den Grafen Meinhard von Görz gefangen genommen und dem Kaiser Rudolf I. ausgeliefert, der ihn als Geisel in Ensisheim (und Wasserburg) gefangen hielt, woselbst er, nachdem er es vorgezogen hatte in Haft zu bleiben, als durch ein großes von der deutschen Judenheit aufgebotenes Lösegeld sich befreien zu lassen, im J. 1293 verstarb. Seine Leiche wurde erst 14 Jahre später, als nämlich Süßkind Wimpffen aus Frankfurt a. M. durch große Geldopfer dazu die Erlaubniß sich erworben hatte, in Worms zu Grabe gebracht. Sein Nachkomme im 10. Geschlechte war Elhakim Rotenburg, Landrabbiner in Schwaben [241] (1610), der Glossen zu einigen Büchern der aramäischen Bibelübersetzung und Responsen geschrieben hat.

Vgl. Lewysohn, Epitaphien des isr. Friedhofes zu Worms, S. 35–39; Landshut, Amude ha- Aboda, p. 160, 161; Wiener, Regesten zur Geschichte der Juden in Deutschland, Vorw. S. X-XVI; Grätz, Gesch. d. Juden, Bd. VII, S. 183–185, 203–205; Zunz, Litteraturgeschichte der synag. Poesie, S. 357–362; Güdemann, Gesch. des Erziehungswesens und der Cultur der abendländischen Juden, Wien 1880, S. 170–173.