ADB:Mauritius, Georg (Pädagoge)

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Artikel „Mauritius, Georg der Aeltere“ von Wilhelm Scherer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 709–710, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mauritius,_Georg_(P%C3%A4dagoge)&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 02:31 Uhr UTC)
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Mauritius: Georg M. der Aeltere, Schulmann, lateinischer Dichter, deutscher Dramatiker, geb. zu Nürnberg am 13. December 1539, studirte seit 1558 in Wittenberg, wo er 1562 Magister wurde und als Adjunct der philosophischen Facultät Collegia las. Er kam 1572 als Rector nach Steier in Oesterreich, wo er zwanzig Jahre lang wirkte, aber schließlich vertrieben wurde. Im J. 1594 finden wir ihn wieder in Wittenberg; 1600 kam er nach Nürnberg und ward Rector der Schule zum heiligen Geist, in welchem Amte er am 30. December 1610 starb. Seine lateinischen Poesien gehen über Gelegenheits- und Lehrdichtung nicht hinaus. Wir besitzen aber zehn deutsche Schuldramen von ihm, welche 1606 und 1607 in neuen Ausgaben und 1607 in einer Gesammtausgabe erschienen: „Von dem Schulwesen“; „von allerlei Ständen“; „von Fall und Wiederbringung des menschlichen Geschlechts“; „von Graf Walther von Salutz und Grisolden“; „von den Weisen aus dem Morgenlande“; „von dem Josaphat, König in Juda“; „von dem frommen Ezechia, König in Juda“; „vom Nabal“; „von Haman“; „von David und Goliath“. Die „Grisoldis“ wurde schon 1582 zu Steier aufgeführt, und vielleicht stammen auch die übrigen Stücke oder einige derselben aus der österreichischen Zeit des Verfassers. Den Einfluß der englischen Comödianten wird man nirgends gewahr. Zur „Grisoldis“ ist eine ältere anonyme und die Hans Sachs’sche Bearbeitung des Stoffes benutzt (R. Köhler bei Ersch und Gruber, Sect. I, Bd. 91, S. 419). Der „Haman“ beruht ganz wesentlich auf dem gleichnamigen Stücke von Naogeorg. Dem „David und Goliath“ liegt die „Oelung Davidis“ von Valentin Boltz zu Grunde. Die Comödie vom Schulwesen enthält Züge, die aus den Dramatisirungen der Parabel vom verlorenen Sohn geschöpft sind. Wie weit M. sonst die ältere dramatische Litteratur ausgebeutet hat, muß erst fortgesetzte Untersuchung lehren. Die Erfahrungen des Schulmannes spricht er in der Comödie vom Schulwesen aus. Die Comödie von allerlei Ständen ist ein reines Lehrspiel, worin auch Fragen der Erziehung abgehandelt sind. Die Weisen aus dem Morgenlande werden zum Preise der Gelehrsamkeit und speciell der Astrologie benutzt. Bei den alten Judenkönigen, die sich gegen fremde Völker vertheidigen müssen und denen ihr Gottvertrauen hilft, denkt der Verfasser wol an die Türkengefahr, aber nicht minder an die Gefahren, welche dem Protestantismus drohten. Seine Technik ist sehr unvollkommen; vielfach schwelgt er in leerem Geschwätz; seine Schule muß recht besucht gewesen sein, denn die Zahl der von ihm verwendeten Personen beträgt nur einmal 31, zweimal 45, sonst immer zwischen 50 und 61: diese Zahlen wurden erreicht durch starke Vermehrung der Nebenpersonen, durch Einschaltung von zusammenhangslosen Episoden, durch Anklebung von Teufeln und Engeln, Narren und Zwergen (letztere besonders beliebt), kurz durch lauter Elemente, welche nicht einer lebendigeren Ausbildung der Handlung, sondern nur einer Ausdehnung der Reden, höchstens einer Ausmalung der Situation dienen. M. ist seiner Empfindung nach nicht so schroff männlich wie Naogeorg. Die Scene, in welcher Esther zum König kommt und in Ohnmacht fällt, hat er mit weit mehr Gefühl und Weichheit ausgestattet, als Naogeorg. Er scheint auch im Leben nicht unempfindlich gewesen zu sein. Er war dreimal verheirathet, und das dritte Mal schenkte er seine Neigung einem Frauenzimmer von sehr leichten Sitten. Sein [710] Sohn aus erster Ehe (mit einer Tochter des Theologen Caspar Cruciger) war Georg Mauritius der Jüngere (geb. zu Wittenberg am 20. Mai 1570, ordentlicher Professor der Beredsamkeit und Poesie zu Altorf seit 1623, † am 18. December 1631), welcher 1617 den „Damon und Pythias“ des Franz Omichius und 1621 die „Grisoldis“ seines Vaters in lateinische Prosa übertrug, wie sie auch sonst um jene Zeit für dramatische Aufführungen in Altorf beliebt war (Christ. Speccius verfaßte eine Com. de Titi et Gisippi amicitia in lateinischer Prosa, Altorf 1623).

Vgl. Will-Nopitsch, Nürnb. Gelehrtenlexikon 2, 596; 6, 381.