ADB:Matthias (brandenburgische Familie)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Matthias“ von Ernst Friedländer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 668–671, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Matthias_(brandenburgische_Familie)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Matthias, Hermann
Band 20 (1884), S. 668–671 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
OFF in der Wikipedia
GND-Nummer 138906394
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|668|671|Matthias|Ernst Friedländer|ADB:Matthias (brandenburgische Familie)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138906394}}    

Matthias: Eine brandenburgische Familie, welche dem Vaterlande mehrere ausgezeichnete Beamte geschenkt hat. Die ältesten Mitglieder dieser Familie, von denen man weiß, sind Christian M., Bürgermeister zu Berlin, dessen Bruder D. Simon, Propst daselbst, Jakob, Propst zu Stendal und unter den 5 Söhnen Christians die 3 Bürgermeister Erasmus M. zu Güstrow, Christian zu Brandenburg und Georg zu Berlin. Christian, der Brandenburger Bürgermeister, dessen Gattin Ursula Schönemann war, starb am 31. Aug. 1549. Sein Sohn hieß

Thomas M., geb. zu Brandenburg. Er erhielt seine Bildung im Hause Philipp Melanchthon’s, bei welchem er mit seinem Verwandten, dem berühmten Georg Sabinus, viele Jahre zubrachte. Der Kanzler Weinlöben empfahl ihn darauf dem Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, welcher ihn in seine Dienste nahm und 1547 zum geheimen Kammerrath ernannte. Zugleich war M. Bürgermeister von Berlin. In dieser Doppelstellung genoß er das Vertrauen des Kurfürsten in reichem Maße und diente seinem Fürsten in großer Treue, so daß er es ablehnte in die ihm angebotenen Dienste des Erzbischofs Siegmund von Magdeburg überzugehen. Man erzählt von ihm, daß er öfter gesagt habe: „wenn er wüßte, daß er auch sollte zum Bettler werden, so wollte er doch seinen Herrn, dem er treu zu sein geschworen, nicht verlassen.“ Im Jahre 1567 ward er mit Albrecht von Thümen zum Kaiser geschickt, um die Ernennung des Markgrafen Joachim Friedrich zum Erzbischof von Magdeburg auszuwirken, ein Auftrag, welcher gelang und von welchem er als kaiserlicher Pfalzgraf heimkehrte. – M. war ein großer Freund der Gelehrten und förderte namentlich die Professoren der Universität Frankfurt in hervorragender Weise, dankende Gedichte und Widmungen von Büchern geben Zeugniß davon. – Nach dem Tode des Kurfürsten Joachim (1. Jan. 1571) wegen einer Schuldsache zur Rechenschaft gezogen, wurde er jedoch gänzlich freigesprochen und blieb auch unter Kurfürst Johann Georg in seinen Aemtern. M. starb am 7. Juli 1576 zu Brandenburg, wohin er aus Furcht vor der zu Berlin wüthenden Pest geflüchtet war. In der dortigen S. Godehardkirche ist er begraben. – M. war zwei Mal verheirathet: 1. mit Margarethe Domstorf, mit welcher er 5 Töchter erzeugte, und 2. mit Ursula Meienburg, von welcher er 3 Söhne und 4 Töchter hatte. –

Daniel M., ältester Sohn des vorigen, ist am 19. Decbr. 1571 zu Berlin geboren. Er verlor seinen Vater als er 5 Jahre alt war und ward von seiner Mutter sorgfältig erzogen. Anfänglich durch Privatunterricht und später [669] auf den unter dem Rector Wilhelm Hilden und dem Conrector Brunner blühenden Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster vorgebildet, bezog er im 15. Lebensjahre, im Jahre 1586, die hohe Schule zu Frankfurt, besuchte später auf größeren Reisen eine Reihe namhafter Städte, war zeitweilig in Eisleben, Halle und Leipzig beschäftigt, und ward im Jahr 1598 unter die Zahl der Kammergerichtsadvocaten aufgenommen. In diesem Berufe wirkte er mit großer Sorgfalt und gewann ein solches Ansehen, daß ihn das Domcapitel zu Magdeburg 1606 zu seinem Rathe und Syndikus erwählte. Hier blieb er neun Jahre hindurch, während derer er drei Mal in besonderen Aufträgen an den kaiserlichen Hof nach Wien gesandt wurde. Im Jahre 1615 wurde er vom Kurfürsten von Brandenburg zum geheimem Rath ernannt und im darauf folgenden Jahre zum Vice-Kanzler befördert. Auch in diesem Amte, mit welchem auch die Leitung des Kammergerichts verbunden war, diente er mit Auszeichnung, auch jetzt hatte er im kurfürstlichen Auftrage mehrere Reisen zu machen, namentlich nach Preußen und zwei Mal an das kaiserliche Hoflager nach Prag. In den in dieser Periode beginnenden lange währenden geistlichen Kämpfen in der Mark, welche durch den Uebertritt des Kurfürsten Johann Siegmund zum reformirten Bekenntniß zu hoher Leidenschaft gesteigert wurden, nahm M. eine entschiedene Stellung ein. Sein Amtsgenosse, der geheime Rath Thomas v. d. Knesebeck, der reformirten Lehre zugewandt, hatte in einer Druckschrift (1614) die Gegner mehr vom politischen Standpunkte aus bekämpft, M. aber, ebenfalls durchaus den Reformirten geneigt, griff eine der praktischen Fragen und zwar die wesentlichste an, daß nämlich ein Revers in Glaubenssachen nicht verbindlich sein könne und dürfe, daß daher die Aufnahme der Concordienformel unter die symbolischen Schriften der märkischen Landeskirche vierzig Jahre vorher nicht für alle nachfolgenden Generationen bindende Kraft haben könne. In seiner Schrift: „Bedenken warum ein ehrlicher Mann die formulam concordiae nicht unterschreiben könne“, schloß er Compromisse von vornherein aus. – Auf einer Dienstreise zum Kurfürsten nach Letzlingen in der Altmark von Rheinsberg aus scheint M. sich bei dem rauhen Wetter zu viel zugemuthet zu haben, denn als er nach ununterbrochen zurückgelegten 18 Meilen Fahrt am 19. August 1619 in Berlin wieder eingetroffen war, rührte ihn an demselben Mittage der Schlag und er starb am Nachmittage. Am 23. dess. M. ist er in der Domkirche zu Cölln a. Sp. beigesetzt. – Im Jahr 1601, am 5. März, hatte M. sich mit Katharina Hohenzweig, Tochter des Rathskämmerers und Apothekers H. zu Berlin, verheirathet und 3 Kinder, einen Knaben und 2 Töchter, welche letztere beide ihn überlebten, erzeugt.

Michael M., der jüngere Sohn des Thomas M., „vir integerrimus et doctissimus“, Schwiegersohn des um den Staat und die Stadt Berlin hochverdienten Joachim Steinbrecher, hatte die wissenschaftliche Muße dem Amte vorgezogen, dessen Sohn Michael ist am 6. Januar 1612 geboren. Schon früh, am 21. März 1630 trat er in die kurfürstliche Kammerkanzlei, 1647 ist er Kammerregistrator, später erhielt er den für die Finanzverwaltung wichtigen Posten eines Amtskammerrathes und im J. 1652 finden wir ihn als Hofrentmeister in einer Stelle, die nur Männern von erprobter Tüchtigkeit anvertraut wurde. Seine Hauptbedeutung liegt aber auf anderem Gebiete: M. ist der Organisator, der Begründer des brandenburgisch-preußischen Postwesens. Er gehörte diesem Verwaltungsweige seit dem Jahre 1646 an. Als damals nämlich dem schwedischen Postmeister zu Riga, Johann Becker, eine Concession zu einer reitenden Post über Memel und Königsberg bis Danzig ertheilt werden sollte und M. Kunde davon erhielt, machte er den Geh. Kammersecretär Dietert auf die Nachtheile aufmerksam, welche für das kurfürstliche Interesse aus dieser Concession erwachsen würden und erhielt in einer durch diesen veranlaßten Geheimen Rathsitzung, in [670] welcher er Vortrag hielt, vom Kurfürsten selbst den Auftrag, die Concession für Becker zu vernichten und Vorschläge zu machen, wie eine geschwinde Post in den kurfürstlichen Landen am besten eingerichtet werden könnte. Bisher besorgten 24 Kammercanzleiboten den officiellen Briefverkehr in der Mark und einzelne reitende Postillone die Correspondenz des Kurfürsten mit den Behörden in den Provinzen, denen sich noch reitende Dragonerposten zwischen Berlin und Cleve anschlossen. Im J. 1649 wurde nun auf Matthias’ Vorschlag im Geh. Staatsrath beschlossen, daß Verwaltung und Betrieb des Postwesens vom Staate ganz übernommen werden sollten. M. wurde mit der Einrichtung der Posten in den sämmtlichen kurfürstlichen Landen beauftragt und regelte zunächst den großen Cours von Berlin nach Cleve in der Weise, daß er statt der bisherigen 12 Meilen betragenden Stationen solche von 3 Meilen anlegte, die besten Wege aussuchte, den Postillonen Uniformen gab und nicht ohne große Mühe von den fremden Landesherren die Erlaubuiß auswirkte, daß den Posten Nachts die Stadt- und Festungsthore geöffnet wurden. In ähnlicher Weise ward der Cours nach Königsberg geregelt und durch Matthias’ unausgesetzte Thätigkeit so gefördert, daß die Post von Cleve bis Königsberg in 10 Tagen gelangte. So erreichte den Kurfürst im Frühjahr 1648 als er in Cleve war, die Nachricht vom Tode König Wladislaus IV. von Polen 14 Tage früher als die Hamburg–Amsterdamer Post sie nach Cleve brachte. Diese außergewöhnliche Schnelligkeit machte das größte Aufsehen, so daß es, wie M. schreibt, „anfänglich in Holland und sonst überall nicht wollte geglaubt werden“. Am 29. März 1654 erhielt M. sodann den Auftrag, den preußisch-pommerschen Cours einzurichten, was nicht ohne große Mühe und diplomatische Verwicklungen zu bewirken war; doch gelang es, nach und nach den großen Postcoursplan vollständig durchzuführen. Am 29. September 1654 wurde M. Hofpostdirector. Die Bestallung wies ihm unter der Oberleitung des Oberpräsidenten v. Schwerin eine fast ganz selbständige Verwaltung zu. Er ernannte und entsetzte die Subalternbeamten, verhandelte mit den in- und ausländischen Postmeistern, visitirte alle Postämter, verwaltete die neugeschaffenen Postcassen des Staates und controllirte die Beobachtung aller im Postfach ergangener Edikte und Reglements. – Dieser friedlichen und gedeihlichen Entwicklung des finanziell sehr ergiebigen kurbrandenburgischen Postwesens drohte eine empfindliche Störung, als (1651) der Graf Lamoral von Taxis, der Reichs-Generalpostmeister, gestützt auf die kaiserliche Belehnung mit der Reichspost, versuchte, die sehr ertragsfähige brandenburgische Post in seine Gewalt zu bringen. Er schickte insgeheim zu dem einflußreichen M. und versprach, ihm die Direction des Postwesens in sämmtlichen kurbrandenburgischen Landen zu übertragen und ein Gehalt zu geben, „daß er als ein vornehmer Edelmann davon leben könne“. M. zeigte das Geschehene an und bestimmte den Kurfürsten, die Zusicherung des Reichspostgeneralats nicht zu beachten, sondern seinen Staaten den großen Vortheil eigener Posten auch ferner zu gewähren und diese selbst verwalten zu lassen. Auch dem Kaiser gegenüber, welcher in Folge der Beschwerde des Grafen Taxis den Kurfürsten aufforderte, seine Landesposten aufzuheben und die Reichspost in seinen Staaten zuzulassen, behauptete der Kurfürst seine Selbständigkeit. – Erst spät, am 5. April 1684, endete das rastlose Leben dieses ausgezeichneten Mannes, dessen Verdienste um den Staat unvergängliche sind. – M. bewohnte in Berlin das Haus in der Heiligen Geiststraße 10, welches er von seinem Vater geerbt hatte; es ist das Hinterhaus der bisherigen königl. Kriegsakademie, Burgstraße 19. Eine Inschrift auf einer steinernen Tafel an dem Gebäude besagt, daß „Ao. 1652 Herr Michael Matthias, Churf. Brandenburgischer Ambts-Kammer Raht und Hof-Rentmeister, auch Autor undt Director der Hoffposten in den sämptlichen Churf. Landen das eine Vorderhaus erweitert undt die Windeltreppe sampt das halbe Seit- undt [671] Küchengebäw, auch ao. 1667 undt 1668 die ander Helfte des Seitengebäwes neben dem Hinterhause undt ao. 1671 den Gang über den Brunnen aus dem Grunde new erbawet“ hat. Seiner Sorgfalt wird ferner die erste von Steinen errichtete Schälung am Spreeufer der Burgstraße verdankt und er war es, der den zum neuen Markte führenden Kanal, welcher versumpft war, räumen, überwölben und zur Gasse einrichten ließ, auch von dem ihm zugesicherten Rechte, dieselbe durch Thore, deren Pfosten noch sichtbar sind, sperren zu dürfen, wieder abstand. Es ist die heutige Kleine Burgstraße, welche demnächst, samt dem Matthias’schen Hause in der Kaiser Wilhelmstraße aufgehen wird.

Johann Friedrich M., jüngerer Bruder des vorigen, ward am 22. Febr. 1661 zum Geheimen Secretär ernannt und alsbald in diplomatischen Verhandlungen mit Polen in Postangelegenheiten verwendet; später soll er der Gesandtschaft in Regensburg beigegeben gewesen sein; seit 1682 war er gleichsam Adlatus seines Bruders Michael in der Postverwaltung. Im September d. J. erhielt er den Auftrag, mit der bischöflichen Regierung in Hildesheim zu verhandeln, um den Postcours nach Cleve, statt über Braunschweig und Hannover, durch das Hildesheimische Gebiet zu verlegen und am 14. März 1686 wurde ihm der Befehl ertheilt, die Reitpost von Berlin nach Cleve durch Vervielfältigung der Stationen zu beschleunigen und nach verschiedenen Richtungen für den Betrieb und für die Bequemlichkeit der Reisenden zu sorgen. Am 8. Mai 1686 erhielt er die Vollmacht, nach seinem Gutdünken mit fremden Regierungen die nöthigen Verträge zu schließen und selbst in des Kurfürsten Namen zu vollziehen. Er ist als der erste Postinspector in den kurbrandenburgischen Staaten zu betrachten.

Johann Thomas M., Sohn Michaels, ist im Januar 1666 im Dom getauft und wurde Geh. Hof- und Amtskammerrath, Hofrentmeister und Director des Salzwesens. Er heirathete 1692 Luise v. Berchem und erhielt am 18. Januar 1701 die Bestätigung des Adels seiner Vorfahren und die Erlaubniß Namen und Wappen seines Schwiegervaters dem seinigen hinzuzufügen.

Ob auch der am 14. Mai 1645 zum Geheimen Secretär ernannte Christian Joachim M. und der am 23. Januar 1654 als Registrator und Kanzlist bei der Geheimen Kammerkanzlei angestellte Daniel zu derselben Familie gehören, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.

Seidel-Küster, Bildersammlung, Berl. 1751. Fol. Mart. Füssel, Hofprediger, Christenwache. Leichenpredigt auf Daniel Matthias, 1619. 4°. Hering, Histor. Nachricht v. d. Anfang der ev. reform. Kirche in Brandenburg, Halle 1778. Isaacsohn, Gesch. des Preuß. Beamtenthums. II. Bd. Jahn, Die Gründung der brandenb.-preuß. Staatspost, Berlin 1849. Stephan, Gesch. der Preuß. Post, Berlin 1859. Gottl. Friedlaender, Die Inschrift der Königl. Allgemeinen Kriegsschule, 1845. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten, Bd. IX von Th. Hirsch. Brecht, Die Familie M. in „Berl. Geschlechter“, herausgeg. v. d. Verein f. d. Gesch. Berlins, Jahrb. 4. Akten des Geheimen Staats-Archivs.