ADB:Marschall von Bieberstein, Carl Wilhelm Freiherr

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Artikel „Marschall von Biberstein, Karl Wilhelm Freiherr“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 433–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Marschall_von_Bieberstein,_Carl_Wilhelm_Freiherr&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:59 Uhr UTC)
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Marschall von Biberstein, Karl Wilhelm Freiherr, großherzoglich badischer Staatsminister, geboren zu Stuttgart am 21. December 1763, † zu Karlsruhe am 11. August 1817. Als Sohn eines in herzoglich württembergischen Diensten stehenden Obersten erhielt M. seine Bildung in der Karlsschule, in welcher er sich so gründliche Kenntnisse auf dem Gebiete der Rechtswissenschaften erwarb, daß er im Stande war, an dieser berühmten Akademie selbst Vorlesungen über römisches Recht zu halten. Im J. 1792 von dem Markgrafen Karl Friedrich von Baden, der helle Köpfe aus allen deutschen Ländern in seine Dienste zog, als Hof- und Regierungsrath nach Karlsruhe berufen, war er im Kirchenrath und in der Pflegschafts- und Polizeideputation thätig. 1800 zum Vicepräsidenten des Hofraths befördert, übernahm er 1802 auch noch das Vicedirectorium des Kirchenrathscollegiums. Es ist ein Beweis seiner außergewöhnlichen Arbeitskraft, daß er neben seiner Berufsthätigkeit auch noch Zeit fand, sich als Schriftsteller zu versuchen. Seine 1802 erschienenen „Untersuchungen über den Ursprung und die Ausbildung der gegenwärtigen Anordnung des Weltgebäudes“ fanden in wissenschaftlichen Kreisen volle Anerkennung. Bei der Vergrößerung des Landes (1803) zum Präsidenten des Hofrathscollegiums der Markgrafschaft ernannt und mit Reorganisation des Hofrathscollegiums in der Pfalzgrafschaft betraut, 1806 zum Wirklichen Geheimen Rath mit Sitz und Stimme im Geheimrathscollegium befördert, leitete er in der bedeutungsvollen Zeit, da es galt, die neuen Erwerbungen mit dem Stammlande durch Organisationen auf allen Gebieten des Staatslebens zu verschmelzen, das wichtige Departement der inneren Verwaltung und nahm an allen gesetzgeberischen Arbeiten, die damals entstanden, hervorragenden Antheil. Nur kurze Zeit gelang es einer französischen Intrigue, den bedeutenden Mann diesem fruchtbaren Felde der Thätigkeit zu entziehen. Schon 1810 wurde dem 1808 als Hofrichter nach Mannheim versetzten Freiherrn v. M. neuerdings die Leitung des Ministeriums des Innern übertragen. Mit seinem Freunde, dem Minister Frhrn. v. Reizenstein, war er sofort bemüht, in angestrengtester Thätigkeit die schon 1807 und 1808 im Princip festgestellte neue Landesorganisation durchzuführen, welche das aus so verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzte Großherzogthum erst zu einer staatlichen Einheit machte. Ein Machtwort des Kaisers Napoleon entfernte indeß bald darauf wieder die beiden Freunde von der obersten Leitung der Geschäfte. 1811 zum Gesandten am königl. württembergischen Hofe ernannt, kehrte M. erst nach dem Sturze der Napoleonischen Herrschaft wieder in die unmittelbare Umgebung seines ihn sehr hoch schätzenden Landesherrn zurück, der ihn 1814 zu dem Wiener Congreß berief. Hier trat er mit dem Freiherrn vom Stein in nähere Verbindung, arbeitete selbst einen Entwurf zur künftigen Verfassung Deutschlands aus (Pertz, Stein IV, 673), trat gegen die Ansprüche Baierns für die Integrität des badischen Gebiets und die Successionsfähigkeit der jüngeren (hochbergischen) Linie des großherzoglichen Hauses auf und war mit Eifer und Erfolg für die Einführung einer landständischen Verfassung im Großherzogthum Baden thätig. Einer noch von Wien aus zur Ausarbeitung einer Verfassungsurkunde vom Großherzog Karl eingesetzten [434] Commission lag bei ihren Berathungen ein von M. herrührender Entwurf zu Grunde (v. Weech, Gesch. d. bad. Verfassung, S. 7 ff.). Als die Berathungen, an denen M. selbst, von Wien zurückgekehrt, theilnahm, sich in die Länge zogen, ohne Aussicht auf baldigen Erfolg zu versprechen, ging er im April 1815 wieder auf seinen Gesandtschaftsposten in Stuttgart zurück. Als Freiherr v. Reizenstein im J. 1817 wieder an die Spitze des Cabinets trat, berief er seinen Freund häufig zu Conferenzen nach Karlsruhe, welche bezweckten, das in arge Zerrüttung gerathene Staatswesen wieder in bessere Ordnung zu bringen. Er wurde in dieser Zeit auch mehrfach zu diplomatischen Sendungen im Interesse der immer noch in der Schwebe befindlichen Successionsfrage verwendet. Im Begriffe, seinen Posten in Stuttgart definitiv zu verlassen und ein Ministerium zu übernehmen, wurde M. im kräftigsten Mannesalter plötzlich durch einen Schlaganfall hinweggerafft. Sein Verlust wurde gerade in dem Augenblick, da eine neue Staatsordnung im Begriffe war, an Stelle der alten abgelebten Formen zu treten, schmerzlich empfunden. Mit seinem Namen ist der Nachruhm verbunden, daß er mit großen Fähigkeiten und seltener Arbeitskraft ein unerschütterliches Festhalten an seinen Grundsätzen und eine würdevolle Uneigennützigkeit vereinigte. Von seinen Söhnen war der eine während einer Reihe von Jahren Bundestagsgesandter in Frankfurt, sodann Oberhofrichter in Mannheim, der andere Minister des Innern und Gesandter am preußischen Hofe; einer seiner Enkel vertritt seit 1884 das Großherzogthum Baden als Gesandter in Berlin.

Bad. Biographien 2, 39.