ADB:Müller, Andreas (Orientalist)

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Artikel „Müller, Andreas“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 512–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Andreas_(Orientalist)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:13 Uhr UTC)
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Müller: Andreas M. (Greifenhagius), Theolog und Orientalist, namentlich Sinologe, geb. 1630 in Greifenhagen an der Oder als Sohn eines Schneiders und Ackerbürgers, † am 26. Octbr. 1694 in Stettin. Schon mit 16 Jahren soll der frühreife Knabe lateinische, griechische und hebräische Gedichte geschrieben haben. Im J. 1649 (nicht 1646), und zwar im Monat Juli, wurde er unter Tscherning’s Rectorat bei der Universität Rostock immatriculirt, disputirte auch hier am 9. März 1653 unter Vorst über „Exercitationes variae de quibusdam ad philologiam orientalem spectantibus“ (gedr. ohne Jahr in Rostock). Später studirte er in Greifswald (nicht Königsberg) [513] und Wittenberg, wurde am 30. April 1653 zum Rector der Stadtschule in Königsberg i. N. berufen, erhielt aber schon 1655, nachdem ihm am 19. Sept. 1654 von Rostock die Magisterwürde verliehen war, einen Ruf als Präpositus nach Treptow a. d. Tollense (nicht a. d. Rega). Aus dieser Zeit datirt seine Schrift: „Horologium linguarum orientalium“, Stetini 1655. Am 17. Decbr. 1659 disputirte er zum zweiten Male in Rostock über: „Rhapsodia sententiarum de errore animarum etc.“ (ebenda ohne Jahr gedruckt). Von beiden Disputationen befindet sich je ein Exemplar auf der dortigen Universitätsbibliothek. Bei dem folgenden Jahre (1660) findet sich über M. im Album der Rostocker Artistenfacultät diese Eintragung: „In Fac. phil. receptus est M. Andreas Müller Gryphenhagensis, Pastor et praepositus Treptoviensis, hîc promotus, qui se soliturum promisit, sed fregit fidem“. Um diese Zeit hatte sich M. nämlich zu weiterem Studium nach England begeben, daß er aber dort 10 Jahre lang und zwar als Mitarbeiter an Walton’s Polyglotte und Castellus’ Lexicon heptaglotton thätig gewesen sei, beruht auf einer Verwechselung. Bereits 1661 war er wieder in der Heimath, denn in dieses Jahr fällt seine Heirath mit einer Stettinerin. Während des Aufenthalts in England hatte M. Gelegenheit, persönliche Beziehungen mit fremden Gelehrten anzuknüpfen und eine Fülle wissenschaftlichen Materials zu sammeln, durch dessen Verarbeitung sein Ruf von Jahr zu Jahr wuchs. Im J. 1665 wurde er Propst zu Bernau und fand in der seit kurzem in Berlin gegründeten Bibliothek manche orientalische Handschriften, denen zunächst seine „Excerpta manuscripti turcici de cognitione dei et sui ipsius“, Coloniae 1665, 4°, die Entstehung verdanken. Am 20. November 1666 wurde er als Propst von St. Nicolai, also als erster Geistlicher der Stadt, nach Berlin berufen; der Antrag war ihm, der viel auf Träume gab, vorher in einem Gesicht angezeigt worden. 1675 wurde er Consistorialrath. Von seiner Thätigkeit als Geistlicher ist wenig zu sagen, aber sein Ansehen als Gelehrter und Sprachforscher wuchs immer mehr, und manche glückliche Entdeckung zeugte von seinem gelehrten Scharfsinn. Seit seiner Uebersiedlung nach Berlin hatte er all sein Sinnen der Erforschung des Chinesischen zugewendet und entwickelte von 1670 an eine fruchtbare Schriftstellerei auf diesem Gebiet. Zu nennen sind die „Disquisitio de Chataja“ (1670), die Ausgabe des lateinischen Marco Polo (1671), das Monumentum Sinicum mit neun Commentaren (1672), das Verzeichniß der auf der Berliner Bibliothek befindlichen chinesischen Bücher (1683) n. a. Sicher war M. ein ungemein fleißiger und begabter, dabei vielseitiger Forscher, aber ihm fehlte die ruhige Stetigkeit des Arbeitens und der kritische Blick; so passirte es ihm denn, daß trotz seiner doch immerhin nur mangelhaften Kenntniß des Chinesischen er zuversichtlich glaubte und mit Ruhmredigkeit verkündete, eine neue Methode zur Erlernung des Chinesischen entdeckt zu haben. Er gerieth darüber mit Kircher, Ludolf u. A. in einen unerquicklichen Streit und Verdacht gelehrten Schwindels, und als 1678 der Frankfurter reformirte Theolog Grebnitz, die Zwistigkeiten der Reformirten und Lutheraner herbeiziehend, die chinesische Bilderschrift als ein gegen das zweite Gebot verstoßendes Teufelswerk bezeichnete, da wurde des Lutheraners M. Stellung in Berlin immer unhaltbarer. Er bat selbst um seine Entlassung, erhielt dieselbe 1685 und zog nach Stettin, wo er vorübergehende Abwesenheit abgerechnet, wie 1686 in Wien, bis zu seinem Tode mit Studien beschäftigt gewesen ist. Eine Bibliographie seiner der Durcharbeitung wohl werthen Werke hat er durch die Art, wie er publicirte, selbst erschwert, Handschriftliches hat er vor seinem Tode verbrannt. Wegen Ueberlassung seiner Bibliothek, bei der er durch Cedirung seines Grundbesitzes seinem zweiten Sohne, Mag. Quodvultdeus Abraham Müller [514] eine feste Stellung als Bibliothekar sichern wollte, verhandelte er mit den Universitäten Rostock, Greifswald, Kopenhagen, Jena, mit Berlin, endlich auch mit dem Consistorium zu Stargard, dem er aber, einer augenblicklichen Laune folgend, 1692 nur 50 Bücher schenkte. Der Haupttheil der Bibliothek nebst den noch vorhandenen Manuscripten gelangte durch letztwillige Disposition vom 14. Octbr. 1694 nebst seinem an der Ecke der großen Domstraße und der jetzigen großen Ritterstraße in Stettin nach dem Walle zu gelegenen Hause an das S. Marienstift und befindet sich noch daselbst. Müller’s Bild, von Straußberg nach dem Leben gezeichnet und den Gelehrten in seinem 39. Lebensjahre darstellend, bewahrt die Gesellschaft für pommersche Geschichte in Stettin. Seit 1661 war M. mit Emerentia Gerber, Tochter des Kaufmanns Paul Gerber, Altermann des Seglerhauses in Stettin vermählt; die Ehe war nicht glücklich, woran Müller’s nicht blos origineller, sondern unruhiger und unverträglicher Charakter viel Schuld gehabt haben mag. So sah auch das Consistorium von Stargard in der geplanten Ueberweisung der Bibliothek eine beabsichtigte Benachtheiligung der Gattin und der älteren Kinder und ließ die Sache fallen. Der älteste Sohn Bonaventura M., geb. am 4. Octbr. 1665 in Bernau, † 1732 als Stadtphysikus in Stettin; er war seit 1701 mit Dorothea Elisabeth Sandreuter aus Frankfurt a. O. vermählt. Außerdem lebten bei Müller’s Tode noch zwei Töchter.

Procopius’ Lebensbeschreibung Müller’s habe ich nicht auffinden können. Müller und Küster, Altes und Neues Berlin. Dähnert, Pom. Bibliothek II: A. Mülleri somnia memorabilia. Vanselow, Gelehrtes Pommern. Oelrichs, Fortges. hist.-dipl. Beyträge zur Gesch. d. Gelahrtheit in Pommern. Aug. Müller, Vortrag auf der Philologenversammlung 1880 in Stettin, gedr. in der Zeitschrift der deutschen morgenländ. Gesellschaft, dabei Verzeichniß von Müller’s Schriften. Acten des königl. Staatsarchivs in Stettin.