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Artikel „Mülinen, Nikolaus von“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 493–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BClinen,_Nikolaus_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 22:10 Uhr UTC)
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Mülinen: Nikolaus v. M. wurde am 15. März 1570 in Bern geboren. Er war ein Urenkel Kaspars v. M. (s. d. Art.); schon früh verlor er in Folge einer Pestepidemie seine Eltern und erhielt nun von seinem Großoheim, dem Schultheißen Beat Ludwig v. M., eine sorgfältige Erziehung, die ihn zum Krieger und Staatsmann bildete. Nach einem Aufenthalte am französischen Hofe begab er sich nach Malta, wo er an Kriegszügen gegen die Türken sich betheiligte. Im J. 1596 nach Bern zurückgekehrt, wurde er Mitglied des Großen Rathes, 1601 „Großweibel“ oder Vorsitzender des städtischen Gerichts, und 1603 Landvogt des Bezirkes von Aarwangen. Wiederholt wurde auch seine militärische Tüchtigkeit in Anspruch genommen: 1599 war er Hauptmann eines bernischen Zuzugs in das bedrohte Waadtland, und ebenso führte er im Januar 1603, nach dem bekannten nächtlichen Ueberfall von Genf (Escalade, December 1602) durch die Truppen des Herzogs von Savoien, eine bernische Besatzung zum Schutze der verbündeten Stadt. Neigung zum Kriege und Eifer um die Sache des vielfach bedrängten Protestantismus trieben ihn wieder ins Ausland: 1609 war er im Dienste des Grafen Moritz von Nassau und 1610 warb er Hülfstruppen für Heinrich IV. von Frankreich, als dessen Tod seinem Plan ein Ende machte. Ein noch vorhandenes „Stammbuch“ enthält in den Schriftzügen vieler, zum Theil hoher und fürstlicher Personen, die Zeugnisse für die Freundschaft und Hochachtung, die er in diesen Kriegszügen sich erworben hat. Wieder in der Heimath, zog er 1611 neuerdings gegen die Savoiarden aus, und hatte nun als welterfahrener gewandter Mann wiederholt den Auftrag, seinen Staat nach Außen zu vertreten, so bei der Beschwörung eines Bündnisses mit dem Markgrafen von Baden, 1612; bei Herzog Johann Friedrich von Württemberg nach Mömpelgard, 1615; zur Wiederherstellung der engen Verbindung mit dem damals noch nicht zur Eidgenossenschaft gehörenden Thale von Münster im Jura, 1618; zum Abschluß eines Bündnisses mit Venedig in Zürich, 1619. Schon 1613 war er Mitglied des Kleinen oder regierenden Rathes geworden, und die höchsten Ehrenämter warteten seiner, als er einen plötzlichen Tod finden sollte; aber gerade dieser Tod brachte ihm größeren Ruhm, als ihm das Leben hätte geben können. Am 19. Juli 1620 begann im Thale Veltlin die gräuliche, 14 Tage lang durchgeführte Niedermetzelung sämmtlicher evangelischer Bewohner, der sogenannte Veltlinermord. Das Thal war Unterthanenland der Graubündner; ein politisches Bündniß verpflichtete, die Uebereinstimmung des Glaubens bewog die evangelischen Kantone der Schweiz, voran Zürich und Bern, sobald sie die Schreckensnachricht erhalten hatten, zur Sammlung von Truppen, um Graubünden zur Wiedereinnahme des nun von spanischen Söldnern besetzten Veltlin beizustehen. Eine Schaar von 2100 Mann wurde in den ersten Tagen des August 1620 in Bern ausgerüstet, und M. an deren Spitze gestellt. Nur auf Umwegen, da die katholischen Kantone den Durchzug verwehrten und die Berner gegen sie keine Gewalt anwenden wollten, gelangte die kleine Armee am 12. August nach Zürich [494] und, durch die Mannschaft dieser letzteren Stadt verstärkt. am 20. nach Graubünden. Durch das Thal des Oberrheins nach Chiavenna, dann durch das Oberengadin, kamen die Eidgenossen nach Worms (Bormio), um vom Gebirge herunter längs der Adda ins Veltlin einzufallen. Am 11. September zogen sie gegen das Städtchen Tirano, die Berner als Vorhut voran. Die ersten Zusammenstöße mit den Spaniern waren glücklich ausgegangen, aber aus Mangel an Ortskenntniß, vielleicht auch aus Mangel an Vorsicht, sah sich die Schaar beim Durchpaß durch eine enge Bergschlucht plötzlich durch einen Hinterhalt überfallen und von überlegenen Streitkräften umzingelt. Es begann ein verzweifeltes Ringen, fast alle Hauptleute fielen. M. selbst, eine mächtige Heldengestalt von mehr als gewöhnlicher Körperstärke, schlug mit seinem Schwerte gewaltig um sich, lehnte die wiederholt und ehrenvoll angebotene Schonung ab und focht zuletzt, mit dem Rücken an eine Mauer gelehnt, beinahe allein noch gegen die anstürmenden Reiter, bis er endlich erlag. Der Leichnam wurde von den Wüthenden zerhackt – und, nachdem er bereits beerdigt war, wieder ausgegraben und verhöhnt. Der Rest des eidgenössischen Heeres mußte sich eiligst zurückziehen, und das Veltlin blieb für längere Zeit den Graubündnern verloren.

M. Stettler, Chronik. – v. Tillier, Geschichte von Bern, Bd. IV. – Schweiz. Geschichtsforscher, Bd. IX, Einleitung. – Hidber, Die Berner im Veltlin unter ihrem Heerführer N. v. M. (Neujahrsblatt für die bernische Jugend, 1862), mit Bildniß. – Berner Taschenbuch, 1853. – Stammbuch d. Hauses v. M. – Originalacten d. Berner Staatsarchivs.