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Artikel „Mühlpforth, Heinrich“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 483–484, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BChlpfort,_Heinrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 20:52 Uhr UTC)
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Mühlpforth: Heinrich M., Dichter, wurde am 10. Juli 1639 als Sohn eines Kaufmanns zu Breslau geboren, ging, früh verwaist, aus der Malschule in die Apotheke über, absolvirte dann das Gymnasium und bezog, mit Stipendien ausgestattet, die Universität Leipzig, wo er Medicin studirte, der Poesie huldigte und eine thörichte Heirath mit einer hübschen, aber zänkischen Wittwe schloß. 1660 wandte sich M. in Wittenberg der Jurisprudenz zu, wurde auf Grund einer Dissertation „De jure sepulturae“ Doctor der Rechte und fand eine Anstellung in seiner Vaterstadt als Registrator (ab expeditionibus latinis) am Consistorial- und Vormundschaftsgericht. Mittellos, von der Gicht gequält, in häuslichem Elend befangen, reimte er massenhafte Gelegenheitsgedichte für dürftigen Lohn. Von sechs Kindern sah er fünf dahinsterben. Mit den einheimischen Poeten, obenan Hoffmannswaldau, lebte M. auf vertrautem Fuße. Er ist am 1. Juli 1681 gestorben und wurde im Stil der Zeit als Dichter ersten Ranges beklagt. Freunde sammelten seine handschriftlich zerstreuten Poesien. Vieles ist verloren gegangen, so eine Nachdichtung des Hiob in Alexandrinern, von welcher nur Kapitel 7 und 10 gedruckt vorliegen, 1686 erschienen bei Steckh in Breslau „Heinrich Mühlpforths Teutsche Gedichte“, in demselben Jahr „Heinrici Mühlpforti Poemata“, 1687 „Heinrich Mühlpforths Poetischer Gedichte Ander Theil“. Kahlert, Weimarisches Jahrbuch 2, 304 ff. hat sie im Gegensatz zu Goedeke’s Verurtheilung (Grundriß S. 517) zu hoch gestellt.

Immerhin gehört M. zu den begabteren Schlesiern jenes überproductiven Jahrhunderts und überragt bei weitem einen Christian Gryphius. Der Verachtung gegen die Bettelpoesie weiß er kräftige Worte zu leihen (II, 57, 61), aber die Noth zwingt ihn zur handwerksmäßigsten Reimerei: der erste Band enthält 158 Seiten Hochzeitsgedichte, 463 S. Leichengedichte, 32 S. Vermischte Gedichte, die im zweiten einen größeren Zuwachs finden, 45 S. geistliche Gedichte und Lieder. Die Versification ist durchweg leicht, der Stil concettos, aber hier und da trotz dem Schwall überladener und abgenutzter Metaphern eindringlich. In den Epithalamien (Alexandriner, Oden, Sonette) unterbrechen persönliche Einkleidungen wohlthuend das Spiel von Venus und Amor; Anmuth [484] und echte Sinnlichkeit fehlen nicht ganz. Die Form des Briefwechsels erinnert an Hoffmannswaldau. Reden der Braut wechseln mit der Eclogenform. In dem Wust der Leichengedichte beschreibt er ein paar Mal scheußlich die Verwesung (II, 25, 43) und erklärt wie Gryphius den Kirchhof für seinen Parnaß (I. 38, II. 51). Gespreizte Titel wie „Peruanische Granadille“ sind beliebt. Aber Nummern wie I. 261 auf ein junges Mädchen, I. 367 auf einen Kaufmann erheben sich weit über das damalige Mittelmaß. In den geistlichen Gedichten, worunter Entlehnungen aus Petrarca und den Pia desideria Hugo’s besingt der arme Dulder mit Vorliebe Passion und Buße. Von den Sonetten ist II, 111 „An den Monden“ erwähnenswerth. Die vermischten Gedichte enthalten neben schwacher Satire und häßlichen Epigrammen, neben Uebertragungen aus Horaz, Ovid, Martial, neben allgemeinem Singsang auch persönlichere Stücke, galante Serenaden (Serie „Verliebte Gedanken“ in II), lüsterne Spiele in Hoffmannswaldau’s Art, eine guarineske Pastourelle, den abscheulichen „Liebeswurm“. Die Poemata zeigen flüssige Gewandtheit. Mancherlei Reminiscenzen, entlehnte Refrains. Außer leeren Hochzeits- und Leichenversen ein großes Lobgedicht auf Breslau, anakreontisches Getändel, Scherzgedichte sogar auf Hunde hoher Herren, in der Rubrik Carmina sacra S. 8 ein Sonnet dactylicum. Er preist A. Gryphius (vgl. auch I, 175) S. 70 f. und nennt Hoffmannswaldau seculi stupor nostri. Von seiner eigenen Poesie sagt er einmal bescheiden: „Der Phöbus hat mir nie geschenckt den Lorbeerstraus … und was ich schreiben soll geschicht mit schwacher Hand.“