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Artikel „Mügge, Theodor“ von Julius Riffert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 455–456, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCgge,_Theodor&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:43 Uhr UTC)
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Band 22 (1885), S. 455–456 (Quelle).
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Mügge: Theodor M., Schriftsteller, geb. am 8. Novbr. 1806 zu Berlin. Will man seine Stellung in der deutschen Litteratur des 19. Jahrhunderts kurz kennzeichnen, so kommt man zu Folgendem: M. gehörte jener Gruppe von Erzählern an, die, wenn sie auch mit dem sog. jungen Deutschland keine Fühlung besaßen, doch in derselben Luft wie die Führer einer Bewegung athmeten, welche auf die Zeit der Enttäuschung und Erschlaffung nach den Freiheitskriegen folgte und sich zu dieser in scharfen Gegensatz stellte. Die Unterhaltungslectüre der zwanziger Jahre konnte vermöge ihrer Kraftlosigkeit dem Publikum nicht mehr genügen, und so unternahmen es begabte Schriftsteller wie Heinrich König, Herloßsohn, Ludwig Storch, Rellstab und unser M. Romane und Novellen zu schreiben, welche einen freieren und kühneren Ton anschlugen, der verrieth, daß man einer besseren Epoche der vaterländischen Geschichte hoffnungsfreudig entgegensah. M. hatte das Unglück frühzeitig seinen Vater zu verlieren; nicht übermäßig günstige Vermögensumstände zwangen ihn, sich vor der Hand einer anderen Laufbahn zuzuwenden, als der litterarischen. Er ward Kaufmann und als ihm diese Beschäftigung zu wenig zusagte Soldat. In Erfurt besuchte er die Artillerieschule, trat ins Heer ein, rückte zum Oberfeuerwerker hinauf und wollte eben sein Offiziersexamen bestehen, als ihn das Anrathen seines Vorgesetzten und wohl nicht zum wenigsten sein eigener Wille zum Verzicht auf die militärische Carriere veranlaßte. Was nun? In Peru kämpfte man damals gerade gegen die Herrschaft der Spanier und der Neunzehnjährige, den die Heldengestalt Bolivar’s begeisterte, wollte nach der neuen Welt übersiedeln, um unter der Fahne der Aufständischen für die Freiheit zu kämpfen. Gedacht, gethan. Schon befand sich der Jüngling in London, als ihm dort die Nachricht entgegenkam, daß die Spanier in Peru vertrieben; seinem Thatendrang entzog sich somit der Boden. Abermals Stillstand in Mügge’s Leben. Ueber Paris kehrte der Enttäuschte nach Berlin zurück, um sich nunmehr der gelehrten Laufbahn, dem Studium der Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaften in die Arme zu werfen; eine Staatsanstellung sollte ihn dann der materiellen Sorgen entheben. Sein selbständiger Geist brachte M. aber auch hier in unliebsame Berührung mit den herrschenden Verhältnissen; zwei Schriften aus seiner Feder: „Frankreich und die Bourbonen“ und „England und die Reform“, beide 1831 erschienen, machten ihn als Staatsdiener unmöglich. Jetzt brach M. überhaupt mit dem Gedanken, Jemand anders als sich selbst zum Schöpfer seines Glückes zu machen: er ward, was ihm von vorn herein im Blute gelegen, litterarischer Kämpe für die Ideale einer neuen Zeit. Dem durch seine Brochüren bekannt Gewordenen fiel es nicht schwer die Mitarbeiterschaft maßgebender Zeitschriften zu gewinnen, so z. B. der Zeitung Für die elegante Welt; auch gehört [456] M. zu den Männern, die im J. 1848 die Nationalzeitung begründeten, deren Feuilleton er eine Zeitlang leitete. Erst unter dem Drucke der Reaction der fünfziger Jahre schied M. aus dieser Stellung. Mit der Richtung, welche damals am Ruder des preußischen Staates stand, gerieth er durch seine Schrift „Die Censurverhältnisse in Preußen“ in Conflict; polizeiliche und gerichtliche Plackereien waren der Lohn für seine freimüthigen Aeußerungen. Von nun an lebte M. fast nur noch seiner reichen dichterischen Thätigkeit (seit 1850 gab er noch das Taschenbuch „Vielliebchen“ heraus), auf die wir jetzt zu sprechen kommen, die allerdings von seinen zwanziger Jahren an schon die publicistische begleitet hatte; größere Erholungsreisen hielten die Dichterkraft in Spannung. Am 18. Februar 1861 starb M. in seiner Vaterstadt Berlin, der er in gemeinnütziger Beziehung ein guter Bürger gewesen war. Der freiheitliche Zug, der sich wie ein rother Faden durch Mügge’s Leben zog, beseelte auch seine Schöpfungen. Diese lassen sich in zwei Gruppen theilen, in solche, die wir halbdichterische nennen möchten, und in die rein poetischen. Unter den halbdichterischen verstehen wir die Reiseschilderungen, die mit den „Skizzen aus dem Norden“ (2 Bde., 1844) beginnen, künstlerisch ausgeführten Bildern von Land und Leuten, bezugnehmend außer auf die geographischen auch auf die politischen Zustände fremder Länder. Den Skizzen aus dem Norden folgten nach: „Schweden im Jahre 1843“ (2 Bde., 1845); „Streifzüge in Schleswig-Holstein“ (2 Bde., 1846); „Die Schweiz“ (3 Bde., 1847); „Samuel Wiebe. Ein Lebensbild aus den Marschen“ (1854); „Bilder aus Norwegen“ (1858) und das „Nordische Bilderbuch“ (3. Aufl. 1862). Die rein poetische Seite Mügge’schen Schaffens steht diesen Reisebildern nicht nach. Drei und dreißig Bände umfaßt die Gesammtausgabe (1862–1867) der Romane, deren Titel man in Brümmer’s Dichterlexikon nachlesen möge; neben dieser Gesammtausgabe gehen noch drei Sammlungen von Romanen her: Romane (4 Bde., 1857); Romane. Neue Folge (4 Bde., 1858) und Romane. Dritte Folge (10 Bde., 1862), sowie eine große Anzahl von Novellen: Novellen und Erzählungen (3 Bde., 1836); Novellen und Skizzen (3 Bde., 1838); Gesammelte Novellen (6 Bde., 1842–1343); Neue Novellen (3 Bde., 1845); „Leben und Lieben in Norwegen“ und „Neues Leben“ (3 Bde., 1856). Letztere Novelle übertrug M. auch ins Dramatische; das Lustspiel ward acht Tage vor des Dichters Tode im Hamburger Thaliatheater aufgeführt, verrieth jedoch kein rechtes Talent für die Bühne. Man sieht, der Dichter entfaltete eine erstaunliche Schöpferkraft. Die bedeutendsten der Romane sind wol „Der Chevalier“ (1835); „Die Vendeerin“ (1836); „Toussaint“ (1840); „Der Voigt von Sylt“ (1851); „Der Weihnachtsabend“ (1853); „Der Majoratsherr“ (1853); „Afraja“ (1854); „Erich Randal“ (1856) und „Der Prophet“ (1860). Die Behandlung ist leicht und gefällig, klar und geistreich, feiner und künstlerischer, namentlich in Bezug auf gründliche Durcharbeitung des Stoffes und im Aufbau der Erzählung, als bei den zu Anfang genannten gleichzeitigen Romanciers. In Afraja und Erich Randal gelingt es M. sogar in den Landschaftsbildern aus Norwegen und Dänemark sich ins Großartige zu erheben, das Großartige, das sonst seiner Natur ferner lag. Zu Beginn seiner litterarischen Laufbahn, 1829, gab M. auch „Bilder aus meinem Leben“ heraus.