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Artikel „Louise Hollandine, Prinzessin von der Pfalz“ von Anna Wendland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 102–104, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Louise_Hollandine&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 08:12 Uhr UTC)
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Louise Hollandine, Prinzessin von der Pfalz, Aebtissin von Maubuisson – 1622–1709 – ward als zweite Tochter des durch sein wechselvolles Geschick zu trauriger Berühmtheit gelangten „Winterkönigspaares“, des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz und seiner Gemahlin Elisabeth Stuart am 18. April 1622 im Haag geboren. In der Namengebung Hollandine wies das königliche Elternpaar dankbar hin auf das Land, das ihm nach schmachvoller Flucht eine Zuflucht geboten. L. H. war das erste der in Holland geborenen pfälzischen Königskinder.

Zweigetheilt stellt sich ihr langes Leben dar. Die erste Hälfte spielt sich auf dem Boden der holländischen Heimath in verhältnißmäßiger Ruhe ab. Dann aber tritt eine erschütternde Katastrophe ein, die von tief einschneidendem, veränderndem Einflusse auf den zweiten Theil dieses fürstlichen Frauenlebens ist. Das Schicksal der Prinzessin L. H. zeigt sich darin in Uebereinstimmung mit dem der meisten ihrer Geschwister, bei denen auch, sei es früher oder später, die kritische Wendung im Lebensgange sich beobachten läßt, die ihrem ferneren Leben die Richtung gibt.

Aber auch in der Erziehung waltet eine Gleichheit unter der im Laufe der Jahre die Zwölfzahl erreichenden Geschwisterschaar Louise Hollandine’s. So früh als möglich werden die Kleinen vom Hofe und aus der Nähe der Eltern entfernt, um in Leyden, unter der Obhut sorgsamer, aber pedantischer Erzieherinnen heranzuwachsen, doch nicht ohne daß sich dem Kindergemüth von der Zärtlichkeit des weichherzigen Vaters und der kühleren Empfindungsweise der charakterfesten Mutter ein Eindruck mitgetheilt hätte. Lehrer der berühmten Hochschule wirken geistbildend und fördernd auf die empfängliche Prinzessin ein. Nach vollendeter Erziehung kehrt L. H. an den Hof ihrer inzwischen verwittweten Mutter zurück, die sich bald von drei erwachsenen Töchtern umgeben [103] sieht, da außer der ältesten Prinzessin Elisabeth auch die jüngere Schwester Louise Hollandinens, Pfalzgräfin Henriette, bei der Winterkönigin weilt. Das heitere Leben im Haag lockt zur Antheilnahme. Es fehlt den Töchtern der Verbannten nicht an Bewerbern. Mag die von der jüngsten pfälzischen Prinzessin, der nachmaligen Kurfürstin Sophie von Hannover, in ihren Memoiren mitgetheilte kühne Absicht Montrose’s auf die Pfalzgräfin L. H. auch mehr als Dichtung denn als Wahrheit angesehen werden, bei der Brautwahl ihres brandenburgischen Vetters, des Kurprinzen Friedrich Wilhelm, lag die Sache wol aussichtsreicher für L. H., wenn sie es auch erfahren mußte, daß der reichen oranischen Concurrentin vor ihr der Vorzug gegeben ward. Dem pfälzisch fröhlich empfindenden Wesen der Prinzessin L. H. schlug derlei Schicksalsfügung keine unheilbaren Wunden. Elastisch setzte sie sich darüber hinweg, wie sie auch in ihrem Aeußeren nicht viel auf Glanz und Eleganz gab und sich leicht etwas vernachlässigte. Sie war eben anders als die Schwestern; sie hatte etwas vor jenen voraus und das nahm sie ganz ein – ihr hohes Talent für Malerei. Unter Anleitung des Meisters G. van Honthorst bildete sie sich zu einer dieses Lehrers würdigen Schülerin aus. Es entstanden lebensvolle Porträts ihr nahestehender, verwandter Persönlichkeiten, die sich noch hier und dort, in den hannoverschen Galerien z. B., finden.

So unter der anmuthigsten Beschäftigung, in inniger Antheilnahme an den die Familie betreffenden Ereignissen und die oft bitteren Sorgen der in ihrer Existenz hart bedrängten Mutter treulich mit tragend, verflossen für L. H. lange Jahre. Eine ihrer Schwestern nach der anderen hatte den Haag verlassen, nur sie war geblieben. Um so erschütternder mußte da die Thatsache ihrer plötzlichen, heimlichen Flucht (1658) wirken. Die königliche Mutter war die am schmerzlichsten Betroffene. In tiefster Seele empörend, berührte es sie, daß den Haag die bösesten Gerüchte durchschwirrten, die heimliche Entfernung Louise Hollandinens zu einem peinlichen Skandal gestaltend. Mit Energie führte indessen die Entflohene ihren wohlvorbereiteten Plan weiter durch. Sie begab sich nach Frankreich; hier fand sie wirksame Unterstützung bei ihrer Tante, der Königin Henriette Marie von England, und hülfreiches Entgegenkommen seitens ihres Bruders, des Pfalzgrafen Eduard. In jungen Jahren hatte er den Schritt gewagt, den die Schwester jetzt zu thun im Begriffe stand. Sein Uebertritt zur katholischen Kirche war freilich ein „convertir le mari par la femme“ gewesen. Doch welche Gründe die auf der Höhe des Lebens stehende Pfalzgräfin zu dem Glaubenswechsel auch bewegen mochten, der Bruder blieb ihr treu zur Seite. – Nicht so schnell wie der Act des Uebertritts der protestantischen Königstochter zum Katholicismus sich vollzog (1659), fand sich der ihrer hohen Herkunft entsprechende geistliche Wirkungskreis. Die Erledigung eines Aebtissinnensitzes mußte mit Geduld abgewartet werden. – Dank der Fürsprache der Königin Henriette Marie erlangte L. H. die officielle Verzeihung der Königin Elisabeth. Ihre Flucht entschuldigend, gab sie der Mutter als Beweggrund für dieselbe die Bedenken an, die sie gehegt habe im Hinblick auf den Eindruck, den ihr Uebertritt zur römischen Kirche vom Hofe der protestantischen Königin aus auf diese hätte machen müssen. Die tiefgekränkte Mutter damit zu überzeugen, ist der Tochter nicht gelungen, Königin Elisabeth hat den an ihr geübten Verrath niemals verwunden.

Mit Erlangung des Aebtissinnensitzes zu Kloster Maubuisson bei Paris (1664) erfüllte sich der Wunsch Louise Hollandinens nach einem dem „Dienste Gottes“ geweihten Leben. Ihre klösterlichen Pflichten hinderten sie nicht an der Ausübung ihres schönen Talentes. Malereien ihrer Hand schmückten im Laufe der Jahre die Wände ihres stillen Reiches, auch das Porträtiren gab [104] sie nicht auf. Sie malte ihre kleinen Nichten, die Töchter ihres Bruders Eduard. Im schwarzweißen Klosterhabit „fait par elle même“ entstand ihr lebensvolles Selbstporträt, das die Cumberland-Galerie im Provinzial-Museum zu Hannover bewahrt. – Den Vorgängen in der Welt erhielt sie theilnehmendes Interesse. An den Reunionsbestrebungen, die besonders in ihrer Schwester Sophie von Hannover eine eifrige Förderin fanden, nahm sie thätigen Antheil. Gelegentlich des Besuches, den diese, begleitet von ihrer Tochter Sophie Charlotte, in Frankreich machte (1679), kehrte sie auch ein im „Asyl“ von Maubuisson, wo sie sich außerordentlich wohl fühlte und bei der gastfreien Schwester ungetrübte Tage verlebte.

Im Laufe der Jahre lichtete der Tod den Kreis der in Frankreich der Aebtissin nahestehenden, gleichaltrigen Verwandten. Aber die Rüstige verstand es, sich in Beziehung zu erhalten zu der nachwachsenden Generation. Ihre originelle Nichte, die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, war ein häufiger, gerngesehener Gast im Kloster Maubuisson. Nicht genug konnte sie die „große Vivacität“ ihrer Tante rühmen, die bei den sich mehrenden Jahren, dank einer schier unverwüstlichen Gesundheit, die Beschwerden des Alters wenig verspürte. Eine Schlagberührung, von der sie 1705 betroffen ward, behinderte sie wol körperlich, aber hemmte nicht die geistige Regsamkeit der noch wie in der Jugend lebhaft Empfindenden, und so durfte, als dann doch am 11. Februar 1709 der Tod diesem langen Leben ein Ende machte, die Herzogin von Orleans von der entschlafenen Greisin schreiben: „Sie ist gestorben wie ein jung mensch in dem redoublement vom fieber“.

Bromley, a Collection of Original Royal Letters, London 1787. – Freiherr v. Aretin, Beiträge zur Geschichte und Litteratur VII, München 1806. – A. Köcher, Memoiren der Herzogin Sophie, nachmals Kurfürstin von Hannover – Publicationen aus den preußischen Staatsarchiven IV, 1. Leipzig 1879. – E. Bodemann, Briefwechsel der Herzogin Sophie von Hannover mit ihrem Bruder, dem Kurfürsten Karl Ludwig v. d. Pfalz, Publicationen aus den preußischen Staatsarchiven XXVI, Leipzig 1885. – Miß Benger, Memoires of Elizabeth Stuart, queen of Bohemia, London 1825. – Napier, Montrose and the covenanters, London 1830. – Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz 1856. – Holland, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, 1843–81. – E. Bodemann, Aus den Briefen der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans an die Kurfürstin Sophie von Hannover, Hannover 1891. – A. Wendland, Briefe der Elisabeth Stuart, Königin von Böhmen, an ihren Sohn, den Kurfürsten Karl Ludwig v. d. Pfalz, Bibliothek des litterarischen Vereins zu Stuttgart, CCXXVIII, Tübingen 1902.