Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lindner, Gustav Adolf“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 738–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lindner,_Gustav_Adolf&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 51 (1906), S. 738–739 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gustav Adolf Lindner in der Wikipedia
Gustav Adolf Lindner in Wikidata
GND-Nummer 119342197
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|51|738|739|Lindner, Gustav Adolf|Ferdinand Sander|ADB:Lindner, Gustav Adolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119342197}}    

Lindner: Gustav Adolf L., österreichischer Schulmann und pädagogischer Schriftsteller, † in Weinberge bei Prag am 16. October 1887. – L. wurde am 11. März 1828 in Roždalowitz (Böhmen) geboren. Er besuchte die Gymnasien zu Jungbunzlau und Prag, studirte in Prag besonders unter Franz Exner (1802–53; Professor in Prag 1832–45) Philosophie und wurde von diesem für die Herbartische Schule gewonnen, zu deren eifrigsten und einflußreichsten Vertretern unter Deutschen und Tschechen in Oesterreich und Böhmen er später gehörte. Von der Universität trat er in das bischöfliche Priesterseminar zu Leitmeritz über, um sich für das geistliche Amt vorzubereiten. Da er dort keine dauernde Befriedigung fand, kehrte er 1848 zur Universität Prag zurück. Neben seinen fleißig fortgesetzten philosophischen Studien hörte er dort anfangs besonders juristische Vorlesungen, wandte sich jedoch bald der Mathematik und Naturwissenschaft zu, um im höheren Lehramte seinen dauernden Beruf zu finden. Als Supplent wirkte er kürzere Zeit in Trautenau und Jičin und wurde 1854 Professor am Gymnasium zu Cilli in Steiermark. Von dort kehrte er 1871 als Director des deutschen Realgymnasiums zu Prachatitz im Böhmer Walde nach seinem Heimathlande zurück, verließ aber diesen Posten bald wieder, um die Leitung des in Kuttenberg (Burg Hradek) eingerichteten tschechischen Lehrerseminares zu übernehmen. Im Jahre 1878 wurde er als Professor für Pädagogik, Psychologie und Ethik an die Universität Prag berufen und ging 1882 bei der Abzweigung der tschechischen Universität als solcher, zugleich schon seit 1873 auch kaiserlich königlicher Schulrath, an diese über. In dieser Stellung wirkte er bis an sein Ende im J. 1887.

Lindner’s bleibende Bedeutung beruht namentlich in seiner überaus regsamen litterarischen Thätigkeit. Persönlich verdachte man ihm in deutsch-österreichischen Kreisen vielfach seinen Uebergang an tschechische Lehranstalten. Mit Unrecht, wenn man ihn nach seinen Leistungen als Schriftsteller beurtheilen darf, als der er stets deutsch geblieben ist. Sohn eines utraquistischen Landes und von früh auf in Wechselwirkung mit beiden durch einander wohnenden Stämmen stehend, empfand er in sich nicht den schroffen Widerstreit, [739] zu dem der Unterschied während seiner Lebenszeit allmählich ausartete, und durfte sich wohl zutrauen, mit seiner durchaus deutschen geistigen Eigenart gerade im tschechischen Schul- und Universitätsleben versöhnlich nach beiden Seiten hin zu wirken. Rücksichten auf seine eigene, äußere Lage mögen ihn überdies in seiner Wahl beengt haben. Freilich sind ihm auch die Bitternisse nicht erspart geblieben, die mit einer von den Extremen beider Seiten unverstandenen vermittelnden Richtung verknüpft zu sein pflegen.

Als Schriftsteller trat L. mit Aufsätzen in pädagogischen und philosophischen Zeitschriften schon früh hervor; selbständig zuerst mit dem „Lehrbuch der empirischen Psychologie als induktiver Wissenschaft“ (Wien 1858; 9. Auflage 1889; 12. Auflage von Lukas 1897, dann selbständig von Lukas 1900 etc.), das an höheren Lehranstalten in und außer Oesterreich weit verbreitet ist. Ihm folgte das „Lehrbuch der formalen Logik nach genetischer Methode“ (Graz 1861), an dessen 7. Auflage A. v. Leclair sein „Lehrbuch der allgemeinen Logik“ (Wien 1895; 2. Auflage 1898) schloß. Sodann: „Allgemeine Unterrichtslehre“ (das. 1877; 7. Auflage von Fröhlich 1891); „Allgemeine Erziehungslehre“ (das. 1877; 7. Auflage von Fröhlich 1890, 13. von Tupetz 1905, auch ins Böhmische, Polnische, Italienische, Neugriechische übersetzt); „Einleitung in das Studium der Philosophie“ (das. 1866) und „Encyklopädisches Handbuch der Erziehungskunde mit besonderer Berücksichtigung des Volksschulwesens“ (das. 1884, 4. Auflage 1891). Von allgemeinerem Inhalte sind: „Das Problem des Glückes. Psychologische Untersuchungen über die menschliche Glückseligkeit“ (das. 1868) und „Ideen zur Psychologie der Gesellschaft als Grundlage der Sozialwissenschaft“ (das. 1871). Nach des Verfassers Tode erschien das posthume Werk „Grundriß der Pädagogik als Wissenschaft“ (das. 1889). Auch leitete L. die Pichler’sche Sammlung „Pädagogische Klassiker“ bis zu deren 18. Bande.