ADB:Liechtenstern, Josef Max Freiherr von
[626] ihn 1819 über die Grenze, und er lebte nun bis zu seinem Tode, der am 10. October 1828 in Buchholz bei Berlin erfolgte, in Dresden, Schlesien, Berlin u. a. Orten Norddeutschlands schriftstellerischer und gemeinnütziger Thätigkeit. Liechtenstern’s Schriften, deren Zahl sehr groß (in den Materialien zu seiner Biographie führt L. selbst deren 72 auf), beginnen mit einer Erstlingsarbeit „Ueber das Studium der Geographie“ (1785) und bewegten sich dann auf immer weiteren Gebieten, mit Vorliebe die Form geographisch-statistischer Schilderungen annehmend und die Förderung der wirthschaftlichen Interessen Deutschlands und Oesterreichs anstrebend. So haben wir von ihm folgenreiche Schriften über Oesterreichs Seehandel, über die Schifffahrt auf der Mur, über Seidenbau in Preußen, doch auch allgemeine Schriften über Kosmographie, Chronologismen der allgemeinen Geschichte, geographische Beschreibungen europäischer und außereuropäischer Länder. L. gehört zu den Vielen, die für Oesterreich zu früh gekommen. Seine Rastlosigkeit, seine rege Erfassung der großen nationalen Interessen würden ihm einen besseren Platz in einem Lande mit freierer und rascherer Bewegung angewiesen haben.
Liechtenstern: Joseph Max, Freiherr von L., Geograph und Statistiker, geb. zu Wien am 12. Febr. 1765 als Sohn eines k. k. Offiziers, empfing seine Schulbildung in Wien, woselbst er auch seine Rechtsstudien machte, nach deren Beendigung er 2 Jahre verschiedene Theile Oesterreichs, Baierns und Italiens bereiste, um von 1787 an erst in Steiermark, dann in Salzburg Stellen im Verwaltungsfach zu bekleiden, welche er indessen bald aufgab, um die ausgedehnten Güter des Grafen Joseph Thun in Böhmen und Tirol und des Fürsten Batthyani in Ungarn, Kroatien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten zu übernehmen. In dieser Thätigkeit, welche ihm die eindringende Kenntnißnahme aller geographischen und statistischen Verhältnisse auf einem Gebiete von mehr als 100 D. G. Quadratmeilen zur Pflicht machte, gewann er die Ueberzeugung, daß die Förderung der Geographie im weitesten Sinn eine gerade im Kaiserstaat höchst wichtige Aufgabe sei, und er begründete mit einer Anzahl gleichstrebender Männer 1790 zu Wien das „Kosmographische Institut“, das man in manchen Beziehungen als die Vorläuferin der späteren geographischen Gesellschaften betrachten kann. Als in den ungünstigen Zeitläuften dieses Institut nach einigen Jahren seine Thätigkeit einstellte, setzte L. dieselbe mit eigenen Mitteln und mit Unterstützung weniger Gehülfen fort, wobei er ebenso eine bewundernswerthe Energie und Opferbereitschaft als Vielseitigkeit entwickelte. 1797 unternahm er z. B. selbst eine neue trigonometrische Aufnahme von Oberösterreich, begann später die Herausgabe einer großen Karte von Mitteleuropa, von der 1807–15 leider nur ein Theil in 48 Sectionen erschien, und vermittelte in zahlreichen Schriften die Kenntniß der geographischen Verhältnisse und der wirthschaftlichen Interessen Oesterreichs. 1809 lehnte er den Antrag ab, die Direction eines statist. Büreau’s in Paris zu übernehmen, da in Wien selbst die Begründung eines solchen, dessen Leitung naturgemäß ihm zugefallen sein würde, in Aussicht stand. 1815 hielt er an der Universität in Wien statistische Vorlesungen. Aber er errang sich weder hier noch dort die gehoffte feste Stellung. Die Vereitelung dieser Hoffnungen, – welche durch Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse noch verschärft ward, trieb- Materialien zu einer Biographie des Freiherrn J. M. v. L. Wurzbach, XV. Meusel G. T. IV, XI, XVIII.