ADB:Liebner, Albert
Schleiermacher und Neander mächtig angeregt ward. Hierauf besuchte er dann von 1828 an das Predigerseminar in Wittenberg und wurde darnach Pfarrer in Kreisfeld, Provinz Sachsen, von 1832–37. 1837 folgte er einem Ruf nach Göttingen als außerordentlicher Professor und Universitätsprediger. 1844 ging er als Ordinarius nach Kiel, 1851 von da nach Leipzig, ward aber 1856 als Oberhofprediger und Vicepräsident des evangelischen Consistoriums mit dem Charakter eines geheimen Kirchenraths nach Dresden berufen, wo er dann am 24. Juni 1871 gestorben ist. Zuerst hatte er sich bekannt gemacht durch seine vortreffliche Monographie: „Hugo von St. Victor und die theologischen Richtungen seiner Zeit“, Leipzig 1832. Dieses Werk hat viel dazu beigetragen, die lange unbeachtete und verkannte Bedeutung der mittelalterlichen Mystik nach Verdienst hervorzuheben und neues Interesse für das Studium derselben zu[WS 1] wecken. Die von ihm intendirte Geschichte der speculativen Mystik ist freilich nicht zur Ausführung gekommen. Eine Probe oder ein Bruchstück davon ist die Abhandlung: „Gerson’s Mystik“ in Studien und Kritiken, 1852, Heft 2. L. war eine durchaus speculativ angelegte Natur, verbunden mit einem ethischen Grundzug und einem starken Zug zur Mystik – [606] zur religiösen Unmittelbarkeit. Sein Ziel war die Einigung lebendig religiöser Anschauung mit religionsphilosophischer Speculation. Er wollte, daß der Christ die Kraft der Vernunft besitze und pflege, die christliche Wahrheit in sein vernünftiges Denken aufzunehmen und mit dem Allgemeinmenschlichen in Einklang zu setzen. – Von seiner christlichen Dogmatik ist auch nur des ersten Bandes erste Abtheilung erschienen, doch als ein selbständiges Werk mit dem Nebentitel „Christologie oder die christologische Einheit des dogmatischen Systems“, Göttingen 1849. Der Verfasser sagt von der dogmatischen Aufgabe: die Dogmatik durchdringt der Gedanke, daß das christliche System das schlechthin höchste, das System aller Systeme ist, also das, welches alle andern nur suchen, in dem sie allein ihre Wahrheit haben, denn es hat das Ganze und die Fülle. Das christliche System ist darum das höchste, weil es wahrhaft und in höchster Instanz ethisches System ist, Willensfreiheitslehre, ethischer Personalismus. Dieser Inhalt ist der schlechthin tiefste und reichste, der Kern aller göttlichen und menschlichen Dinge. Besonders fühlte er sich hingezogen zu Jacob Böhme und daneben zu Franz Baader. – Für seine Vorlesungen in Leipzig gab er heraus: „Introductio in dogmaticam christianam“, 1854/55, 2 Hefte. – Als praktischer Prediger hatte er seine Laufbahn begonnen, als solcher sollte er sie auch schließen. Dorner sagt in dieser Beziehung von ihm: Was es um die Salbung eines christlichen Predigers sei, konnte man an ihm in deutlichen Zügen ausgedrückt finden, dabei war nichts Gezwungenes und Erkünsteltes zu bemerken, die ganze Persönlichkeit lag im Worte und darum hatte es die Macht, die Seelen zu ergreifen. Außer einer Menge Einzelpredigten sind von ihm gedruckt 2 Bände „Predigten“, 1. Bd. 2. Aufl. 1855, 2. Bd. 1861. Von Bedeutung ist seine Abhandlung: „Die praktische Theologie“ in Studien und Kritiken, 1844, Heft 1, eine denkende Erforschung des Objects, die sehr Beachtung verdient. Die praktische Theologie ist ihm das Wissen um die werdende Erscheinung, empirische Verwirklichung der Idee der christlichen Religion, – das Wissen um die rechte Art und Kunst, die Idee zur möglichst adäquaten Erscheinung und Wirksamkeit zu bringen. In den letzten 15 Jahren seines Lebens vertiefte er sich ganz und gar mit Kraft und Liebe in die praktischen Aufgaben seines hohen Kirchenamtes. Von dem Mittelpunkt der Christologie aus den großen majestätischen Gedankenkreis der christlichen Wahrheit zu reconstruiren und so das System aller Systeme zu schaffen, das war das Ziel, das er vor Augen sah und verfolgte. In der rechten lebendigen Erkenntniß Christi sah er auch die einigende Macht für die Gegensätze der Zeit, die rechte Wegweisung zum kirchlichen Frieden. Aus seiner Praxis ging auch die kleine Schrift hervor: „Ueber das Wesen der Kirchenvisitation“, Leipzig 1857. Sein Wirken ist nicht vergeblich gewesen.
Liebner: Theodor Albert L., war geboren am 3. März 1803 in Cölleda in Thüringen, eines Pfarrers Sohn. Auch der Theologie bestimmt, studirte er 1823–1827 in Leipzig und dann in Berlin, wo er durchAnmerkungen (Wikisource)
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