ADB:Liechtenstein, Alois Fürst von und zu
[607] Grund seines Eintrittes in das kaiserliche Heer, welchem der Fürst von 1798 bis zum letzten Lebenshauche angehörte, jederzeit durch Thatkraft, Umsicht und hohe Begabung erfolgreich wirkend, unter allen Verhältnissen ein Muster von Ausdauer und Tapferkeit, dessen Körper 40 im Angesichte des Feindes ehrenvoll erhaltene Wunden aufzuweisen hatte. Nachdem L. vom Lieutenant bis zum Hauptmanne im Infanterieregimente Lacy Nr. 22 verwendet worden war und sich den 21. März 1799 bei Ostrach, dann den 28. Mai bei Pfungen nächst Embrach in der Schweiz durch Standhaftigkeit und Energie hervorgethan hatte, wurde selber 1800 zum Major im Infanterieregimente Manfredini Nr. 12 befördert. Mit diesem Regimente focht L. 1800 in den beiden Gefechten bei Schongau am Lech den 11. und 14. Juni. Die Relation über den ersten Kampftag sagt: „Fürst Liechtenstein hat den schönen Fehler zu kühn zu sein; er hat zwei Streifschüsse – jedoch sehr leicht – bekommen und ist in diesem Augenblicke noch zu Pferde“; rücksichtlich des zweiten Gefechtes bei Schongau berichtet aber die Geschichte des Regiments Nr. 12, es habe L. ungeachtet seiner Verwundungen auch an diesem Tage sein Bataillon mit größter Aufopferung und Geistesgegenwart in so lange geleitet, bis ihm auf der Lechbrücke das linke Schenkelbein durch einen Kartätschenschuß zerschmettert wurde und er in feindliche Gefangenschaft gerieth. Da Liechtenstein’s Feuereifer schon in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit im Regimente den unternehmenden Geist desselben mächtig anzuregen gewußt hatte, so wurde die Außerkampfsetzung des Fürsten lebhaft beklagt und wich dieses Bedauern erst dann, als L. 1801 nach erfolgter Genesung mit dem Oberstlieutenantsrange bekleidet in das Regiment zurückkehrte und ihm das Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens verliehen wurde; 1805 übernahm L. als Oberst das Commando des Regiments, befehligte selbes bei Haslach, Elchingen, Söflingen und verfiel mit ihm dem harten Loose der Besatzung von Ulm. Noch vier Jahre befehligte L. das Regiment Nr. 12, dessen Ruhm mit dem des Fürsten enge verwoben war und in welchem sein Wohlwollen, seine Kenntnisse, Erfolge, sowie sein Heroismus solches Vertrauen und Anhänglichkeit gefunden hatten, daß der Wunsch, L. möchte Inhaber des Regiments werden, in der Bitte des Offiziercorps um diese Begünstigung zum Ausdrucke kam. L., welcher 1809 Generalmajor geworden war, erhielt im selben Jahre aus besonderer kaiserlicher Gnade auch die Ernennung zum Inhaber des Infanterieregiments Nr. 12. An dem Feldzuge 1809 nahm L. als Brigadier Theil, besonders erfolgreiche Thätigkeit im Gefechte bei Hausen und Thann den 19. April entwickelnd. Nachdem er nämlich die Franzosen aus Hausen geworfen hatte, erbat er sich vereint mit seinem Bruder Moriz, Fürst zu Liechtenstein, die Zustimmung Hohenzollerns zur Vorführung noch nicht im Kampfe gewesener Truppen und erstürmte mit der Fahne in der Hand an der Spitze der erhaltenen Verstärkungen und nach wiederholten Gefechtsschwankungen den bereits verloren gewesenen Wald. Dort traf ihn aber erneut das Mißgeschick mehrfacher Verwundung; er mußte vom Kampfplatze und behufs entsprechender ärztlicher Behandlung nach Wien gebracht werden, wo des Fürsten heldenmüthige Leistungen in der Ueberbringung des Commandeurkreuzes des Militär-Maria-Theresien-Ordens durch den Monarchen selbst eine außerordentlich ehrende Anerkennung erhielten. L., welchem nach dem Einrücken der Franzosen in Wien auch von deren Generalität die vollste Bewunderung seiner glänzenden Tapferkeit bezeugt worden war, blieb 1809–1812 seiner Gesundheitsverhältnisse wegen außer Verwendung. 1812 übernahm aber der nie in Pflichttreue und Vaterlandsliebe ermattende Fürst, ohne der Nachwehen seiner Verwundungen zu achten, das Commando einer Brigade im Auxiliarcorps des Fürsten Schwarzenberg. Kühn wie immer bestand er hierbei mit seiner Truppe eine Reihe glücklich geführter Gefechte, [608] so jenes den 25. August bei Wyžna, welches durch Liechtenstein’s geschickt geleitete Umgehung der feindlichen linken Flanke und durch einen nächtlichen Angriff auf die gegnerische Nachhut zu siegreichem Schlusse gebracht wurde, dann den 8. October bei Wyczulki, wo Liechtenstein’s Todesverachtung und überlegenes Manövriren des Gegners hartnäckigen Widerstand gebrochen. Höchst verdienstvoll äußerte sich andererseits in diesem Kriegszuge Liechtenstein’s rastloses Mühen um das Wohl der mit Entbehrungen aller Art kämpfenden Truppen und fand das Auxiliarcorps in L. einen warmfühlenden Vertreter bei der obersten Heeresstelle in Wien, als er genöthigt gewesen sich seiner im letztgenannten Gefechte erhaltenen Blessur wegen dorthin zu begeben. Kaum genesen, betrat L. 1813 als Feldmarschalllieutenant und Truppendivisionär den Kriegsschauplatz; im Vollgefühle des dem Staatsbestande geltenden Riesenkampfes entfaltete der Fürst nun jedwede seiner geistigen und moralischen Eigenschaften und hat sein unausgesetztes Streben, durch Hebung des Truppengeistes Alle zu höherer Pflichterfüllung zu beseelen, auf die Leistungsfähigkeit seiner Division gewirkt und manche schöne That im Gefolge gehabt. Anerkannt ist die Unerschrockenheit, mit welcher er bei Dresden den 27. August die Orte Nauselitz und Roßthal gegen eine mächtige Ueberzahl vertheidigte und als der in Strömen fallende Regen den Gebrauch des Gewehres als Feuerwaffe unmöglich machte, die Truppen zum Bajonettkampfe vorführte und erst dann in guter Ordnung retirirte, nachdem jede Aussicht auf Erfolg geschwunden war. Siegreich hat L. ferner bei Arbesau und Kinnitz den 17. und 18. September gefochten; seine trefflich und entschieden in den Rücken des bei Arbesau vorgedrungenen Feindes durchgeführte Gefechtsbewegung gelang so vollständig, daß sich der Feind in größter Verwirrung auf die Nollendorfer Höhen zurückziehen mußte. Noch in selber Nacht sendete Kaiser Alexander von Rußland dem Fürsten als Anerkennung dieser Waffenthat einen goldenen, mit Brillanten gezierten „Degen der Tapferkeit“. Bei Leipzig den 16. October ermöglichte L. das Festhalten des Schlosses Dölitz und somit auch das des dortigen, höchst wichtigen Uebergangspunktes über die Pleiße und vertheidigte, nachdem er an Stelle des gefangenen Generals Meerveldt das Commando des Corps übernommen, unter wiederholter Zurückweisung feindlicher Angriffe die von Pontonnieren geschlagenen zwei Brücken: den 18. October drang L. in das von der Division Hardegg erstürmte Dorf Dölitz und trug wesentlich zur Behauptung der eroberten Stellung bei. Nach der Schlacht definitiv zum Corpscommandanten ernannt, betheiligte sich L. rühmlich an der Erstürmung des verschanzten Postens bei Hochheim am 9. November, leitete die Einschließung von Kastel ein, rückte über Basel nach Frankreich, wo er 1814 die Forts Joux, St. André etc., dann Besançon cernirte, und da er wegen Mangel an Belagerungsmaterial letzteren Ort nicht gleich zur Uebergabe zwingen konnte, bis zu der den 21. April erfolgten Capitulation jeden Entsatzversuch energisch zurückschlug. Nachdem er noch 1815 im Reservecorps ein Commando bis zur zweiten Einnahme von Paris geführt, wurde er in die Umgebung des Monarchen berufen, später zum commandirenden General in Mähren und endlich zu jenem in Böhmen ernannt. In diesen Stellungen dachte und wirkte L. bis an sein Lebensende für die Tage des Ernstes; ihm war alles wichtig, so daß er noch vier Stunden vor seinem Tode die Spitalskost prüfte. Selbst ein fleckenloses Vorbild eines guten Soldaten, treuen Unterthans, feinfühlenden Cavaliers wurden sein eiserner Wille, seine Pünktlichkeit und Strenge nicht als Härten gefühlt, denn diesen Charaktereigenschaften zur Seite standen Gerechtigkeitssinn, Edelmuth und eine bei jeder Gelegenheit bewiesene opferbereite Sorge für Alle. Die letzten Lebensjahre des Fürsten, der 1830 zum Feldzeugmeister befördert worden war, verschönte der Monarch auch noch durch die Verleihung des goldenen Vließes, welches der Held nach Ritterbrauch [609] knieend empfangen wollte, und als er dies seiner Wunden wegen nicht konnte, da sprach der Kaiser, wie ein vaterländischer Dichter berichtet: „Wer so wie Du im Kampfe dem Tod ins Aug’ gesehen, der kann vor seinem Kaiser aufrecht stehen.“
Liechtenstein: Alois Fürst zu L., Ritter und Commandeur des Militär-Maria-Theresien-Ordens, Ritter des goldenen Vließes, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister des souveränen Johanniterordens am Hofe zu Wien, Inhaber des k. k. Infanterieregiments Nr. 12, k. k. Feldzeugmeister, war der jüngste Sohn des Feldmarschalls Fürsten Karl Joseph zu Liechtenstein, aus dessen Ehe mit Fürstin Marie Eleonore Oettingen-Spielberg, wurde den 1. April 1780 zu Wien geboren und starb den 4. November 1833 zu Prag. In ihm erstanden aufs Neue des Vaters kriegerische Tugenden und hoher ritterlicher Sinn; auch ihm galt als hehres Ziel der alte Brauch des fürstlichen Hauses, für Kaiser und Staat einzustehen mit Mannesmuth, durch Wort und That. Dies der- Wurzbach, Biogr. Lex. d. Kaiserth. Oesterr. etc., 15. Bd., Wien 1866. Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresien-Orden etc., 1. Bd., Wien 1857. Szöllösy, Tagebuch gefeierter Helden etc., Fünfkirchen 1837. (Gräffer,) Geschichte d. k. k. Kriegsvölker etc., 1. Bd. (2. Aufl.), 1800. Thürheim, Gedenkblätter a. d. Kriegsgesch. d. k. k. österr. Armee, 1. Bd., Wien u. Teschen 1880. Erzh. Johann, Gesch. d. k. k. Inf.-Rgts. Herz. Wilhelm Nr. 12, 1. Bd., Wien 1877. (Heller,) Der Feldzug d. J. 1809 in Süddeutschland (A. d. österr. milit. Ztschr. 1862 u. 1863). Welden, Der Feldzug der Oesterreicher gegen Rußland im J. 1812, Wien 1870. Relation der Kriegsereignisse vom 22. bis 30. August 1813 bei Dresden und Kulm, Wien 1813. Aster, Schilderung d. Kriegsereign. in und vor Dresden vom 7. März bis 28. August 1813, Dresden u. Leipz. 1844. Relation der Gefechte vom 17. und 18. September bei Arbesau und Kinnitz, Wien 1813. Relation der Schlachten bei Leipzig am 16. und 18. October 1813, Wien 1813. Relation über die Einnahme des verschanzten Postens von Hochheim am 9. November 1813, Wien 1814. Schels, Oesterr. milit. Zeitschr., 1841 1. Bd., 1846 1. 2. Bd. Gebler, Das k. k. österr. Auxiliarcorps 1812, Wien 1863. Falke, Gesch. d. fürstl. Hauses Liechtenstein. 3. Bd. Wien 1882.