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Artikel „Lethmaat, Hermann“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 458–459, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lethmaat,_Hermann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 09:03 Uhr UTC)
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Lethmaat: Hermann L., aus patricischem Geschlechte zu Gouda 1492 geboren, studirte Theologie an der Sorbonne zu Paris, wo er sich besonders auszeichnete und den Doctorgrad erhielt. Erasmus, dessen Freundschaft und Schutz er sich durch seine Gelehrsamkeit erwarb, empfahl ihn dem Präsidenten des holländischen Rathes, Nicolaus Everardi, wie auch seinem Landsmann Hadrian von Utrecht, als dieser 1521 den päpstlichen Stuhl eingenommen hatte. L. reiste nach Rom; der baldige Tod des Papstes vereitelte aber die Hoffnung, welche er für eine goldene Zukunft hegte; er erhielt nur eine Kanonikerstelle an der St. Mariakirche zu Utrecht. Dorthin heimgekehrt und 1530 zum Decan ernannt, ward er in einen unangenehmen Handel verwickelt. Es gab nämlich in der Mariakirche drei Hörner, angeblich vom Einhorn, vielleicht Narwalzähne, welche zu Leuchtern am Hochaltare dienten und einen besonderen Werth hatten, weil man sie als heilkräftige Schutzmittel betrachtete. Schon lange hatte der [459] Herzog von Geldern, welchem die Stadt Utrecht eine bedeutende Geldsumme schuldig war, sich dafür eines dieser Hörner gewünscht und wußte es dahin zu bringen, daß L., ohne Mitwissen seines Kapitels diesen seinen Wunsch erfüllte. Die Sache erregte große Unzufriedenheit, L. gerieth sogar deswegen ins Gefängniß, wurde aber auf Befehl der Königin Maria von Oesterreich wieder entlassen, nachdem er sich verpflichtet hatte, alle Mühe zur Wiedererlangung des Einhorns innerhalb zweier Monate aufzuwenden. Um 1540 fungirte er als Vicar des Utrechter Bischofs Georg v. Egmond und zog kurz nach 1550 mit Franciscus Sonnius als Inquisitor nach Friesland. Er starb am 6. Decbr. 1555 zu Utrecht, wo er in der Mariakirche seine Ruhestätte fand. – L. wird von Martinus Dorpius und Anderen nicht nur als ein bescheidener, humaner und sanftmüthiger Mann gelobt, sondern auch als Gelehrter hochgehalten, dessen freiere Ansichten sich zwar nicht dem Protestantismus zuneigten, aber doch eine Reformation innerhalb der Kirche beabsichtigten. Erasmus selbst berieth sich mit L., als er die Vertheidigung seiner Erklärung des Neuen Testamentes wider Natalis Bedda aus Gouda unternahm. Als der später (1535) hingerichtete Bischof von Rochester, Fisher, eine Streitschrift wider Luther richtete, hielt L. seine Bemerkungen dawider nicht zurück und zeigte sich darin als ein durchaus freisinniger Theolog; ebenso in seiner, dem Kaiser Karl V. gewidmeten Arbeit, „De instauranda religione libri X“, Basil. 1544, fol. ap. Oporinum. Kaum darf es daher wundern, daß L. die Freiheit der niederländischen Kirche zu schützen suchte wider den sich immer mehr ausdehnenden Einfluß des päpstlichen Stuhles auf die Angelegenheiten der Landeskirchen. Um so mehr ist es für die Kenntniß seines Verhältnisses zur Reformation zu bedauern, daß eine ausführliche Schrift „Suspirium seu desiderium matris ecclesiae super redintegranda religione“ nicht herausgegeben ist. Wahrscheinlich konnte er zum Druck die von ihm gewünschte Genehmigung des Tridentiner Concils nicht erhalten und auch das Manuscript ist nach seinem Tode verschwunden.

Vgl. Batav. Sacr. II. S. 653 ff. Oudhed. Bisd. Utrecht I. S. 244 u. van der Aa, Biogr. Woordenb.