ADB:Lehmann, Johann Georg Christian

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Artikel „Lehmann, Johann Georg Christian“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 143–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lehmann,_Johann_Georg_Christian&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 03:15 Uhr UTC)
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Lehmann: Johann Georg Christian L., Botaniker, geb. am 25. Febr. 1792 zu Haselau bei Uetersen in Holstein, † am 12. Febr. 1860 zu Hamburg, studirte Medicin in Kopenhagen und Göttingen, wurde 1813 Dr. med. et chir. und ein Jahr darauf Dr. phil. durch die Universität Jena. Im J. 1818 wurde er als Professor für Physik und Naturgeschichte an das Gymnasium academicum nach Hamburg berufen und erhielt noch in demselben Jahre die Stelle eines Oberbibliothekars. Aus ersterer Stellung schied er erst mit seinem Tode. Abgesehen von seinen wissenschaftlichen Publicationen, erwarb sich L. um Hamburg große Verdienste durch den seit 1820 unter Beihülfe des Gärtners Ohlendorff von ihm angelegten botanischen Garten, für dessen Ausstattung er die Behörden und Freunde der Botanik zu gewinnen wußte, so daß jenes Institut, Dank seinem Eifer, bald eines der besten dieser Art in Deutschland wurde. Zum Director desselben berufen, verblieb L. auch in dieser Stellung, als der Garten 1832 Staatsinstitut wurde. Leider gerieth L. schon vom J. 1828 an in einen Streit mit den Kunstgärtnern James Booth und Söhne über die Rose „Königin von Dänemark“ und nach dessen Beilegung in einen neuen mit dem Pächter Staudinger zu Flottbeck bei Altona über eine gärtnerische Preisschrift, im Verfolge welches L. sogar zeitweise von seinen Aemtern suspendirt wurde. Wurde er nun freilich auch durch Richterspruch freigesprochen, 1849 in seine Aemter wieder eingesetzt und durch eine von seinem Beleidiger erlassene Ehrenerklärung glänzend gerechtfertigt, so wurden ihm doch viele Jahre seines Lebens durch diese Mißhelligkeiten verbittert. Von seinem Amte als Bibliothekar suchte und erhielt er 1851 seine Entlassung. Lehmann’s wissenschaftliche Verdienste blieben nicht ohne Anerkennung. Er war Mitglied von 26 gelehrten Gesellschaften, darunter auch der kaiserl. leopoldinischen carol. Akademie, deren Adjunkt er war. Die botanische Wissenschaft verehrt in L. einen der thätigsten Monographen. Eröffnet wurde seine schriftstellerische Thätigkeit im J. 1817 mit einer „Monographia generis Primularum“, der bald darauf eine ähnliche Arbeit über die Asperifolien mit nußartigen Früchten (Isis, Heft IX) folgte. Ursprünglich hatte L. die Absicht, auf seinen „Prodromus e familia Asperifoliarum“, der 1818 erschienen war, eine ausführliche Historia Asperifoliarum folgen zu lassen. Er entschloß sich jedoch später, blos die neuen und weniger bekannten Species aus dieser Familie in heftweise erscheinenden Beschreibungen herauszugeben. So entstanden denn die „Icones rariorum plant. e familia Asperifoliarum“, deren fünf Hefte von 1821–25 veröffentlicht wurden. Die Kupfertafeln sind von Schröder in Leipzig in schwarzen Abdrücken trefflich gearbeitet. Der Text, Definitionen und Citate enthaltend, ist nur kurz behandelt. Nach einer kleineren Gelegenheitsschrift vom J. 1818: „Generis Nicotianarum historia“, beim Antritt seiner Professur am Gymnasium academicum seinen Collegen gewidmet, folgte Lehmann’s bedeutendstes Werk: „Monographia generis Potentillarum“. Es ist diese Monographie eine sehr verdienstvolle Arbeit und werthvolle Ergänzung der Nestler’schen Abhandlung über denselben Gegenstand, die ihr an Vollständigkeit, Kritik und Schärfe der Beobachtung indessen weit nachsteht. Lehmann’s Monographie behandelt 88 sichere und 13 zweifelhafte Arten, wobei allerdings die Gattungen Tormentilla und Comarum mit eingerechnet sind. Aus dem allgemeinen Theil der Arbeit erfährt man über Wohnort und Verbreitung der Potentillen, daß sie, in den gemäßigten Strichen fast der ganzen Erde vorkommend, vorzüglich die Hochgebirge Europas und Asiens bewohnen. daß jedoch einzelne [144] ähnlich wie die Weiden, sprungweise bis in die tiefsten Ebenen hinunterreichen. Was in diesem Theile der Arbeit über Lebensdauer, Größe, Habitus, Blattform und Blüthenbau der behandelten Gattung im Allgemeinen angegeben, ist klar und bestimmt. In dem zweiten, speciellen Theile, ist eine synopsis specierum gegeben nach der gewöhnlichen, von der Theilung der Blätter hergenommenen Eintheilung, die freilich gegenwärtig dem Standpunkt der Wissenschaft nicht mehr entspricht. Die Diagnosen der Arten sind fast sämmtlich umgearbeitet, die Synonyma und Varietäten mit großer Ausführlichkeit behandelt und die vielen Citate der Floren und Abbildungen zeugen von reicher Belesenheit und gewissenhaftem Fleiße. Die 20 Kupfertafeln, die ebensoviele Arten darstellen, sind zweckentsprechend. Als eine Ergänzung dieser Monographie schrieb L. 1835 „Monographia generis Potentillarum supplementum“. Hier sind noch weitere 10 Tafeln zugefügt und die Arten um einige vermehrt, bis die Arbeiten über diese artenreiche Gattung, deren Studium sich der Verfasser nahezu 40 Jahre gewidmet hatte, ihren Abschluß fanden in der „Revisio Potentillarum iconibus illustrata“, die 1856 erschien. In dieser Abhandlung, veröffentlicht in „Nova act. Leop. vol. XXIII. suppl.“, ist die Zahl der Arten bis auf 201 gestiegen; ihren Diagnosen sind vielfach kritische und erklärende Bemerkungen beigefügt, im übrigen aber ist die Bearbeitung in Bezug auf Synonymik, Vaterland, Fundort etc. mit derselben Treue durchgeführt, wie in den früheren Theilen dieser Monographie, so daß dieselbe für alle späteren Arbeiten über die behandelte Pflanzengattung eine nothwendige und gute Grundlage bietet. Die für den Weltverkehr so außerordentlich günstige Lage Hamburgs hat L. zu Gunsten des ihm unterstellten botanischen Gartens trefflich auszunutzen verstanden. Eine Menge neuer ausländischer Gewächse sind durch ihn in Europa eingeführt, cultivirt und beschrieben worden. Die Publicationen dieser Beschreibungen erfolgten von 1828 an theils im Anschluß an die jährlich veröffentlichten Samenkataloge des Gartens, theils als Programmabhandlungen des Gymnasium academicum. Unter dem Collectivnamen: „Novarum et minus cognitarum stirpium pugillus I–X“ bilden sie ein selbständiges Ganzes. Nur einige dieser pugilli seien hier dem Inhalte nach kurz angeführt. Im dritten pugillus (1831) werden die von Nathanael Wallich, Oberintendanten des botanischen Gartens zu Calcutta, in Ostindien gesammelten Potentillen beschrieben unter Vergleichung der aus anderen Gegenden bekannten Arten dieser Gattung. Dann enthält dieses Heft noch Beschreibungen neuer Gräser vom Kap der guten Hoffnung und in einem dritten Abschnitt eine ausführlichere Darlegung der bereits 1829 in Gemeinschaft mit J. B. W. Lindenberg im vierten Bande der Linnaea mit kurzen Diagnosen publicirten Lebermoose, besonders Jungermannieen aus der Sammlung der von Ch. Fr. Ecklon gemeinsam mit Karl Zeyher in Südafrika gesammelten Pflanzen. Auch im vierten bis siebenten pugillus (1832–38) werden außereuropäische Lebermoose beschrieben, in deren Bearbeitung sich L. und Lindenberg getheilt haben; im sechsten sind außerdem, von L. allein verfaßt, Analysen von südafrikanischen Cycadeengattungen, im achten (1844) Novitäten der Preiß’schen Sammlung aus Neuholland veröffentlicht. Der zehnte pugillus (1857) enthält ein Register der Lebermoose. Die von dem Reisenden Ludwig Preiß in den J. 1830–41 in Australien gesammelten, sehr zahlreichen Pflanzen wurden von L. unter eine Reihe namhafter Botaniker behufs Bearbeitung vertheilt, woraus ein Sammelwerk entstand unter dem Titel: „Plantae Preissianae, sive enumeratio plantarum quas in Australasia occidentali et meridionali-occidentali annis 1830–41 collegit L. Preiss etc.“ Von den beiden Bänden des Werkes erschien der erste 1844 und behandelt in vier Heften die Dicotyledonen; der zweite, [145] zwei Hefte umfassend, gibt Beschreibungen von 21 Monocotyledonen- und sieben Cryptogamenfamilien und kam 1846–48 heraus. Trotz der beträchtlichen Zahl der Mitarbeiter ist die Bearbeitung des Werkes im Ganzen ziemlich gleichmäßig gehalten und gibt eine genügende Basis für die Kenntniß der Flora Australiens. L. selbst hat nur eine kleine Zahl von Familien bearbeitet. Es ist das naturgemäße Schicksal der meisten Monographien einzelner Pflanzengruppen, daß sie in dem Maße, als die Erschließung neuer Forschungsgebiete reicheres Material der Wissenschaft zuführt, an Werth verlieren, wenn nicht in stetigem Flusse das Neue dem bereits Vorhandenen zugefügt wird. L. hat diesen Grundsatz während seines Lebens festgehalten. Dadurch beanspruchen seine Arbeiten mehr als ein historisches Interesse. Sie bieten durch die Sorgsamkeit in der Beobachtung und durch den Fleiß, mit welchem die Einzelheiten der Pflanzenbeschreibungen ausgeführt sind, durch meist treffliche Abbildungen, endlich durch das von ihm hinterlassene, durch seine Arbeiten bedingte Herbarium, das über 70000 Exemplare mit sehr vielen Originalien umfaßt, eine sichere Grundlage, auf welcher spätere Monographen mit Erfolg fortarbeiten können. Zum Schlusse seien noch von kleineren, in einzelnen Zeitschriften zerstreuten Abhandlungen Lehmann’s folgende, ihrem Titel nach, erwähnt: „Beschreibung einiger neuen und wenig bekannten Pflanzen“ (Neue Schriften der naturf. Gesellsch. zu Halle, Bd. III) – „Synopsis specierum generis Heliotropiorum“ (Nova act. Acad. Leop.-Carol. Vol. IX) – „Descriptio novi plantarum generis (Diplophyllum)“, (Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin, 1818) – „Ueber die Gattung Trichothalamus“[WS 1] (Verhandl. d. Akad. d. Naturforscher, Bonn 1821) – „Zoologicarum, praesertim in faunam Hamburgensem observationum pugillus primus“ (Index scholarum in gymnas. acad. habendarum, 1822). – Als Biograph trat L. mit folgenden Abhandlungen auf: „Caroli Friderici Hartmanni vita, quam publica auctoritate scripsit L.“, 1829 – „Carolo Friderico Hippio diem mensis Augusti 27 feliciter celebranti gratulatus etc.“, 1830 – „Memoriam viri amplissimi Guilhelmi Amsinckii, juris utriusque Licentiati civibus commendat L.“, 1833[WS 2].

Lexikon der Hamburg. Schriftsteller, Bd. IV.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: öffnendes Anführungszeichen fehlt
  2. Vorlage: 1838 (vergleiche verlinkten Artikel)