ADB:Lang, Ferdinand
Raimunds die Rede sein kann, so muß darunter Ferdinand L. verstanden werden. War es doch auch das Spiel dieses unvergeßlichen Künstlers, welches ihn zuerst auf sein ureignes Gebiet hinwies, waren es doch auch die Charaktere des Wiener Volkspoeten, die er mit am glücklichsten auf den Brettern verkörperte. Der Grundzug aller seiner Darstellungen war Wahrheit, rührender Herzenston und Einfachheit und insofern er auch in der niedrigst komischen Rolle immer diskret blieb, hat sein College Possart Recht gehabt, ihn einen aristokratischen Künstler zu nennen. Das künstlerische Maßhalten war ihm zu eigen, wie nur einem und es zeugt von der Sorgfalt seiner Ausarbeitung und der Sicherheit seiner ersten Auffassung, daß er die einmal feststehende Rolle noch nach Decennien in der gleichen Weise gab. Ein Münchener Kind, ist er, wie schon gesagt, den Münchenern treu geblieben und durch seine [597] Leistungen ihr Liebling geworden. Davon zeugte 1877 die Feier des 50jährigen Jubiläums des Darstellers, an der ihm huldigend selbst der erste Bürgermeister der Stadt Theil nahm und an 2000 Gäste sich versammelt hatten. Hierbei zeigte sich recht eigentlich – was auch über die Biographie Lang’s hinaus zu constatiren wichtig genug ist – wie der Schauspielerstand doch in der Achtung zugenommen hat. L. entstammt einer weitverzweigten Künstlerfamilie, die nachweisbar bis auf Martin Lang (geb. am 21. Juni 1755 zu Mannheim, † 1819 zu München) zu verfolgen ist, der 1788 mit dem Kurfürsten Karl Theodor von Mannheim nach München kam. Aus Martins Ehe mit der Schauspielerin Marianne geb. Boudet († 1835) gingen vier Kinder hervor: Theobald (1783–1826), Franz Xaver (1785–1853), Margarethe (1788–1861) und Josephine (1791–1862). Margarethe war eine vortreffliche Sängerin, die später den Director Karl Carl heirathete, Josephine eine tüchtige Schauspielerin, die sich später mit dem Hofschauspieler Karl Flerx vermählte. Theobald ist der Vater Ferdinands, dessen Wittwe die von Napoleon besonders anerkannte Sängerin Regine Hitzelberger war. Aus derselben Ehe gingen noch zwei Töchter, Josephine, die Gattin des Prof. Dr. Köstlin, und Margarethe, hervor. Die durch viele Lexika mitgeschleppte Katharina Lang, geb. Stamitz, hat Grandaur in seiner „Chronik des Hof- und Nationaltheaters in München“ als Phantom nachgewiesen, das sich seine Eigenschaften von Franziska Lang, geb. Stamitz (Gattin von Franz Lang, dem Bruder Martins, † am 4. Februar 1800 zu München), der von Westenrieder gefeierten „Ariadne auf Naxos“ und deren Tochter Katharina (1774–1803), Gattin Franz Anton Zuccarini’s zusammengeborgt. – Der Vater Ferdinands bestimmte diesen zu seinem eigenen Berufe, er sollte Violinist werden, aber nach kurzer Lehrzeit errang er sich von dem Alten die Erlaubniß, Schauspieler zu werden und genoß nun mit der später so berühmt gewordenen Charlotte v. Hagn zu gleicher Zeit den dramatischen Unterricht des Hofschauspielers Urban. Am 7. Juli 1827 trat der junge Kunstnovize als Aegisth in Voltaire’s „Merope“ zum ersten Mal auf; der Erfolg war günstig und L. wurde engagirt. Die nächsten Rollen, die er spielte, waren: „Oskar“ (König Yngurd), „Fridolin“ (Gang nach dem Eisenhammer), „Paris“ (Romeo und Julia), „Alonzo“ (Preciosa), „Raimund“ (Jungfrau von Orleans) „Lorenzo“ (Kaufmann von Venedig), „Kosinsky“ (Räuber), „Florizel“ (Wintermärchen) etc. Da trat im April 1831 im Münchener Hoftheater Raimund auf, dessen „Pamphila“ (Diamant des Geisterkönigs) L. schon 1829 mit Erfolg gegeben hatte, und wie ein glänzender Lichtstrahl erhellte dieses Gastspiel die Zukunft des jungen Schauspielers, auch wenn es noch einige Zeit währte, bis er gänzlich in das Fach des Charakterkomikers überging. Bevor dies stattfand, ereignete sich für den Schauspieler ein schrecklicher Zufall, indem er am 25. November 1831 nach der Darstellung des „Banquier Heinfeld“ (Demoiselle Bok) von einem Meuchler auf den Tod verwundet wurde. Wieder geheilt, betrat er zum ersten Mal wieder am 9. Januar 1832 die Bühne unter dem Beifallsjubel des Publicums und ging dann im Februar zu seiner Erholung nach Wien, wo große komische Vorbilder ihm die Gewißheit seiner eigenen Begabung für dieses Fach gaben. Nachdem er im März 1832 dreimal am Hofburgtheater gastirt hatte, kehrte er im April nach München zurück und vollzog dann im nächsten Jahre allmählich den Uebergang zum komischen Darsteller. Sein „Staberl“, den er am Faschingsdienstag 1833 zum ersten Mal gab, begründete seinen Ruf als Komiker, der durch weitere Leistungen auf dem neuen Wirkungsfeld, wie „Zwirn“ (Lumpazi Vagabundus), „Doctor Krampel“, Damian Stuzl“ (Zu ebener Erde und im ersten Stock), „Nazzi“ (Eulenspiegel) etc. noch befestigt wurde und seinen Höhepunkt mit Raimunds „Valentin“ (Der [598] Verschwender) erreichte. 1838 unternahm nun auch L. seine erste Gastspielreise als Komiker, die ihn nach Zürich führte; in der Folge gastirte er auch in Stuttgart (1840), Berlin (1845 und 1853 am Königstädtischen und Friedrich Wilhelmstädtischen Theater), Hamburg (1846, Thaliatheater) etc. Die ohnedem schon reiche Thätigkeit Lang’s fand eher noch eine Vermehrung, als sein seit langem gehegter Wunsch in Erfüllung ging und im Sommer 1870 das Gärtnerplatztheater zur königl. Bühne erhoben wurde, aber dem ursprünglichen Zwecke als Volkstheater treu blieb. Erst nachdem er 1877 sein 50jähriges Jubiläum begangen hatte, sahen ihn die Münchener seltener auf der Bühne, trotz aller Frische hatte aber doch das Alter sein Recht geltend gemacht. Während der 50 Jahre ununterbrochenen Wirkens war er im ganzen 5721 Mal aufgetreten, davon als „Staberl“ nicht weniger als 163 Mal. Sein Gastspiel beschränkte sich, die obigen und eins in Mannheim ausgenommen, fast ausschließlich auf baierische Städte. Daß übrigens der Schauspieler, der kein gewöhnlicher Spaßmacher, sondern ein bedeutender Charakterspieler war, auch im klassischen Repertoire Treffliches zu leisten vermochte, bewies er bei zahlreichen Gelegenheiten, so in den Rollen „Amon“ (Judith), „Schaal“ (Heinrich IV.), „Obersthofmeister“ (Geheimer Agent), „Müller“ (Erbförster), „Geta“ (Die Brüder), „Schmock“ (Journalisten), „Truffaldino“ (Turandot) etc. Bei den Münchener Musterstellungen (1854) gab er den „Moses“ (Lästerschule), „Licht“ (Zerbrochene Krug), „Jetter“ (Egmont), „Schüler“ (Faust). Als Bearbeiter hat sich L. an dem französischen Einakter Passé minuit versucht, den er unter dem Titel „Nach Mitternacht“ für die französische Bühne bearbeitete. – Der Sohn Lang’s, Georg, ist Theaterdirector und steht seit 1879 dem Münchener Gärtnerplatztheater als Leiter vor.
Lang: Ferdinand L., vortrefflicher Komiker, geb. am 28. Mai 1810 zu München, † daselbst am 30. August 1882. Wenn auch L. nicht zu den bekannten Darstellern der deutschen Bühne zählte, woran allein sein fast ausschließliches Verweilen am Münchener Theater die Ursache ist, so hat er doch eine Berechtigung, auch an dieser Stelle genannt zu werden, denn wenn im eigentlichen Sinn von einem Erben- R. Gadermann, F. Lang. 50 Jahre e. Künstlerlebens. München 1877 u. Possart’s charakterist. Grabrede in Entsch’s Bühnenalmanach, 47. Jahrg., S. 173–76.