ADB:La Mettrie, Julien Offray de

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Artikel „La Mettrie, Julien Offray de“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 566–568, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:La_Mettrie,_Julien_Offray_de&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 02:07 Uhr UTC)
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La Mettrie: Julien Offray de La M., Schriftsteller und Gesellschafter Friedrichs des Großen, wurde als der Sohn wohlhabender Eltern am 25. December 1709 zu St. Malo geboren. Sein Vater bestimmte ihn für die Kirche; sein Lehrer am Collegium du Plessis zu Paris, der Abbé Cordier, erzog ihn in den Jansenistischen Anschauungen, welche damals viele Anhänger hatten; er verließ aber die eingeschlagene Laufbahn bald wieder und wandte sich der Heilkunde zu, studirte in Leyden unter dem berühmten Boerhave, übersetzte einige von dessen lateinisch geschriebenen Werken in das Französische und beschäftigte sich auch mit selbständiger medicinischer Schriftstellerei. In St. Malo, wo er sich als Arzt niedergelassen hatte, setzte er diese Thätigkeit fort, sie verwickelte ihn in mehrere litterarische Streitigkeiten. 1742 ging er nach Paris, wurde Militärarzt bei den Garden, begleitete den Oberst derselben, den Herzog von Grammont, in den [567] Krieg und wohnte den Schlachten bei Dettingen und bei Fontenoy, sowie der Belagerung von Freiburg bei. Bei Fontenoy verlor er seinen Gönner, welcher durch eine Kanonenkugel getödtet wurde; im Lager vor Freiburg erkrankte er selbst schwer. Die Wahrnehmung, welche er auf dem Krankenlager machte, daß mit dem Schwinden seiner körperlichen Kräfte auch seine geistigen Fähigkeiten abnahmen, veranlaßte ihn nach seiner Genesung eine „Histoire naturelle de l’âme“ (A la Haye 1745, neue Auflage 1748) zu schreiben, in welcher er, auf die Anatomie gestützt, die Thätigkeit der Seele in realistischer Weise zu erklären versuchte. Der gotteslästerliche Inhalt der Schrift und ihre materialistische Richtung riefen lebhaften Widerspruch hervor; vergebens versuchte er seine Verantwortlichkeit für sein Werk dadurch zu vermindern, daß er das Buch für eine Uebersetzung aus dem Englischen ausgab; es wurde von Henkershand verbrannt und der Verfasser verlor seine Stelle. Das gleiche Schicksal des Verbranntwerdens widerfuhr einer von ihm gegen seinen eigenen Stand gerichteten Schmähschrift „La politique du médecin de Macchiavel ou le chemin de la fortune ouvert aux médecins“, Amsterdam 1746. Die Anfeindungen, welche er sich zugezogen hatte und der Verlust einer Anstellung, die er bei den Militärhospitälern gefunden hatte, verleideten ihm den Aufenthalt in Frankreich; er ging nach Leyden und setzte hier seine litterarische Thätigkeit in der begonnenen Weise fort, indem er 1747 „La faculté vengée“ (1762 zu Paris unter dem Titel „Les charlatans démasques“ wiederaufgelegt) und 1748 „L’homme machine“ erscheinen ließ. Der Inhalt dieser Schriften brachte auch hier fast alle Welt gegen ihn auf; vor seinen Verfolgern rettete ihn Friedrich der Große, welcher ihm durch Maupertuis ein Asyl und eine Pension anbot. Er kam nun nach Berlin, wurde Mitglied der Akademie der Wissenschaften und, mit dem Titel eines Vorlesers, der gern gesehene Gesellschafter des Königs, welchem namentlich seine unverwüstliche Fröhlichkeit gefiel. Seiner fruchtbaren Feder entfloß in dieser Zeit eine reiche Zahl von Schriften, welche sämmtlich den Geist frechster Gottlosigkeit athmen, wozu sich in einigen eine cynische Sittenlosigkeit gesellt, durch die sogar Voltaire sich angewidert fand. Es erschienen „L’Homme plante“, „Les animaux plus que machines“, Réflexions philosophiques sur l’Origine des animaux“, „Venus métaphysique ou éssai sur l’Origine de l’âme humaine“, „Art de jouir ou l’école de la volupté“, „Anti-Sénèque ou discours sur le bonheur“; außerdem eine Abhandlung über die Dyssenterie und eine andere über das Asthma. Noch ist eine Schmähschrift gegen Aerzte und Naturforscher zu erwähnen, welche vielleicht am meisten Geist und Witz von allen seinen Arbeiten hat: „Ouvrage de Pénélope ou le Macchiavel en médecine“, sie wurde zuerst 1748 in Berlin gedruckt. Auf die Dauer aber gefiel es ihm in Deutschland nicht und er hatte bereits Voltaire gebeten, ihm die Rückkehr nach Frankreich zu vermitteln, was dieser u. A. in einem an Madame Denis am 2. September 1751 geschriebenen Briefe versuchte, als er am 11. November 1751 zu Berlin im Hause des französischen Gesandten Lord Tyrconnel, dem er das Leben gerettet hatte, starb. Seine Gefräßigkeit und die Kur, welche er sich selbst verordnete, waren die Ursache seines Todes. Er hatte eine ganze getrüffelte Fasanenpastete allein aufgegessen und die Unverdaulichkeit, welche er sich dadurch zugezogen hatte, im Widerspruch mit den deutschen Aerzten durch acht Aderlässe und durch Bäder heben wollen. Der König verfaßte selbst sein Éloge (abgedruckt in Oeuvres de Fréderic le Grand, T. VII, Berlin 1847); in einem Briefe an die Markgräfin von Baireuth, vom Todestage datirt (Oeuvres, T. XXVII, I) schreibt er: „Nous avons perdu le pauvre L. M. – Il est regretté de tous ceux qui l’ont connu. Il est gai, bon diable, bon médecin et très-mauvais auteur, mais, en ne lisant pas ses oeuvres, il y avait moyen d’en être très-content“, eine Charakteristik, [568] in welcher mindestens das „bon“ vor „diable“ zu streichen sein dürfte. Die „Biographie universelle“ (Michaud), nouvelle édition, Paris et Leipsic, druckt in ihrem 27. Bande eine Reihe von Aeußerungen französischer Schriftsteller über L. M. ab und gibt ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften und der davon veranstalteten Ausgaben.