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Artikel „Kreybich, Georg Franz“ von Edmund Schebek in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 150–153, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kreybich,_Georg_Franz&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:51 Uhr UTC)
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Kreybich: Georg Franz K., seines Zeichens ein Glasschneider, hat die Reisen, die er unternommen, zugleich beschrieben oder doch aufgezählt und uns dadurch einen Blick in die erste Entwicklungsphase des böhmischen Glashandels, „den Wanderbetrieb“, eröffnet (s. d. Art. Joh. Caspar Kittel, Bd. XVI S. 40), eines der merkwürdigsten Blätter der deutschen Industrie- und Handelsgeschichte. Sohn eines Bauers, wurde er am 17. April 1662 zu Steinschönau, einem Dorfe im nördlichen Böhmen, heute einem der Hauptplätze des böhmischen Glashandels, geboren. Seine erste Reise trat er um das Jahr 1681 noch als Geselle mit einem Schubkarren und mit seinem Schneidzeug versehen in Gesellschaft seines Schwagers, eines Glashändlers, an. Sie führte ihn durch Baiern, das [151] Salzburgische und Kärnthen nach Laibach, wo das mitgeführte Glas geschnitten und verkauft wird. Nach einjährigem Aufenthalte geht es über Graz nach Wien. Dort trat er bei einer Wittfrau, hier bei einem Nürnberger, welcher für den kaiserlichen Hofstaat Glas geschnitten, je auf ein halbes Jahr in Arbeit. Von Wien trieb ihn die drohende Türkenbelagerung weg. Nachdem er in einer Glashütte in Mähren anderthalb Jahre in Arbeit gestanden, kehrt er in die Heimath zurück, wird zu Kreibitz Meister und zieht dann durch die Lausitz, Brandenburg, Pommern, nach den heutigen Ostseeprovinzen und über Preußen und Schlesien zurück. Die dritte, um 1686 schon mit einem Wagen unternommene Reise, sowie auch die vierte gingen ebenfalls nach den Ostseeprovinzen, zurück jedoch durch Polen. Die fünfte Reise machte K. 1688 über Hamburg und Helgoland nach London. Von derselben erzählt er: „Im Zollhaus ist scharf visitirt worden und haben müssen die Kisten unten und oben aufmachen und haben müssen viel Zoll geben und haben auch schwören müssen, daß uns diese Waaren in loco nicht mehr kosteten. Danach haben wir sechs Wochen gesessen, ehe wir ein Stück verkaufet, denn es waren damals sechs Glashütten in der Stadt und machten schöner Glas, als wir hineinbrachten, nur daß unseres geschnitten und gemalt war. Und es war noch kein Glas hineinkommen; wir waren die ersten. Nachdem bei Hof einmal Glas gekauft worden war, haben die anderen Leute auch angefangen zu kaufen und zuletzt haben sich die „Winklers“ drum geschlagen und Alles gekaufet“. K. erlebte die Thronentsetzung Jakobs II.; seine naiven Mittheilungen darüber sind nicht ohne Interesse. Die Rückreise von London ging danach über Holland. – Das Ziel der sechsten Reise war Dänemark und Schweden, auf welcher er bis nach Stockholm, Nyköping und Norrköping kam, und das der siebenten Moskau, welch’ letztere mit zwei Wagen unternommen wurde. „Von Moskwa an“, fährt die Erzählung fort, „gab mir der Commandant einen Strelitzen, der mich bis nach Moskau begleitete, auf meinen Paß und Recommandation, den ich vom Großfeldherrn aus Litthauen hatte bekommen. Und in Moskau wurde ich gleich von dem Großfeldherrn Galitzin berufen durch einen General und Hofapotheker, welches zwei deutsche Herrn und mir dolmetscheten bei dem Großfeldherrn, welcher vor die jungen Caren und vor die Prinzessin, welche damals auf dem Thron saß, vor hundert Speci-Reichsthaler Gläser kaufte und mich lassen in abgesonderten Hof einlogiren und angeschafft bekommen haben 4 Fuhren Heu vor meine Pferd, und vor mich und meine Leute ein Eimer Brantwein. Und hat den Zöllnern oder „Gossen“, wie sie auf ihre Sprache genannt werden, vorbitten lassen, von mir keinen Zoll zu nehmen. Aber die Zöllner waren so schlimm, denn sie ließen ihnen sagen, sie begehren von mir keinen Zoll und wollen auch keinen von mir nehmen. Aber die Waare wollen sie doch beschauen und aufschreiben, wie es in ihrem Amt der Brauch wäre, welches der Feldherr auch zugelassen. So habe ich die Gläser abgeladen und in ein Gewölb gethan; alsdann seien sie kommen und haben die Gattung sortiret und jede Gattung besonders aufgeschrieben und ist darnach allezeit Einer von ihnen in Laden kommen und hat gesehen, wie theuer ich die Gläser verkaufe. Und in der Ersten hab ich theuer verkauft, auch haben sie selbst gekauft und habens gut bezahlt, aber sie mußten schon wissen, warum sie es thäten, denn es kam darnach gar wunderlich heraus.“ Der Verfasser, dem es zum zweiten Mal beschieden war eine Thronrevolution in nächster Nähe zu erleben, erzählt nun den mißglückten Mordanschlag auf den jungen Peter Alexiewitsch, dessen Thronbesteigung und die Verbannung des „Großfeldherrn Galitzin“, seines Gönners. Dann fährt er fort: „Als nun dieses Alles vorbei war, darnach kamen die Zöllner und forderten 300 Rubel Zoll von mir und sagten spottweis, nun sollte ich hingehen zum Großfeldherrn, der mir den Zoll geschenkt und sollt mir lassen helfen. [152] Durch große Bitt anderer Leute, welche ich zu Patronen hatte, mußte ich doch 200 Rubel und auch zwei Pferde geben, welche mich auch 100 Gulden in Deutschland zu Haus gekostet.“ An die Moskauer Reise knüpft K. eine Bemerkung, die uns einen Begriff gibt von dem Unternehmungsgeiste der schlichten Männer aus Nordböhmen: „Und reisete von uns keiner mehr in Moskau und ist in sechs Jahren keiner mehr hineinkommen. Bis darnach seien etliche über Archangel hineingereist und ist viel hundert Tausend Glas hineingeführt worden und in der Erst wollten sie nicht kaufen; es ist zwar in allen Ländern in der Erst so gewesen, allwo ich gewesen, in Livland, in Schweden, in Dänemark, in England, in Holland, in Preußen, in Kurland, in Polen, Litthauen, in Ungarn, in Siebenbürgen, in der Wallachei, Türkei, in Moldau und aller Orten hat es in der Erst wenig gekauft, aber besser bezahlt worden.“ Eine Reise nach Livland – die achte – hatte den Zweck, zu erforschen, wie die Knecht (wol Glasknechte, d. i. Handlungsdiener) gewirthschaftet hätten. Die neunte Reise, nach Hamburg, ist darum bemerkenswerth, weil sie die erste Nachricht von Anknüpfungen mit Spanien enthält, das später, zumal wegen seiner Beziehungen zu den Colonien, das Hauptfeld der böhmischen Glashändler wurde, deren Factorien den ganzen Küstensaum (San Sebastian, Bilbao, Santander, Ferrol, Coruña, St. Jago, Vigo, Oporto, Lissabon, Sevilla, Cadix, Malaga, Alicante, Barcelona) umspannten und theilweise auch in das Innere des Landes (Madrid, Valladolid) sich erstreckten. Ein Schwager Kreybich’s war nämlich im Auftrage seiner Herren mit noch einem Knechte von Hamburg nach Spanien geschickt worden und diese hatten von einem Kaufmann in Cadix eine Bestellung auf zwanzig Tausend Glas gebracht, welches an einen Kaufmann in Hamburg geliefert werden sollte. Diese Waare nun führte K. hinunter, wobei er in acht Wochen 500 Francs verdiente. Bald folgte eine neue ebenso große Bestellung. Ob das überhaupt die erste Sendung nach Spanien gewesen, ist nicht sicher gestellt. Möglich wäre es immerhin. Man ersieht aber wenigstens aus dieser Notiz, mit welcher Energie die Glashändler ihr Absatzgebiet zu erweitern bestrebt waren. Nun begannen die Reisen nach Ungarn und Siebenbürgen, deren K. 23 anführt; doch ist davon eine abzurechnen, da er nicht selbst mitging, sondern blos seine Knechte schickte. Einzelne der Reisen führten ihn auch in die Wallachei. So die im J. 1698, über welche er Folgendes mittheilt: „Es war zwar noch nicht Fried mit den Türken, aber es ward mir ein Paß von dem wallachischen Fürsten herausgeschickt, in welchem versichert war, daß ich mit sicherem Geleit sollte herauspassiret werden, wie es auch geschehen. Denn ich habe große Ehre alldorten empfangen, denn es ward von Kronstadt ein Rathsherr, bei welchem ich logirte, mit einem Präsent von der ganzen Stadt an den Fürsten geschickt auf des ältesten Prinzen seine Hochzeit oder Beilager, welches sehr angenehm. Und ich machte auch einen kleinen Präsent mit Gläsern; so hatten wir die Ehr auf der Hochzeit mit an der Tafel, wo der Fürst und der Patriarch und die vornehmsten Minister saßen, zu speisen und wurde auch noch, nachdem der Fürst vor 200 Löwen-Thaler Gläser gekauft, mit einem englischen Tuch zu einem Pelz beschenkt“. Die zweitnächste Reise darauf im J. 1700 führte K. sogar nach Konstantinopel. „Alldorten“, schreibt er, „habe ich den kaiserlichen Großbotschafter Graf Ettingen und den kleinen Botschafter Graf Sinzendorf sammt seiner ganzen Suit, so in 300 Mann bestanden, angetroffen. Und meine Reis’ war außer der Wallachei über die Donau nach Ruschtsschuk und von Ruschtsschuk nach Rasgrad bei Altstambul vorbei und nach Warna. Und von alldorten bin ich zu Wasser auf dem schwarzen Meer bis nach Konstantinopel und der „Hölle Spunt“ oder „Bogaß“ gefahren … In Konstantinopel hab ich mich aufgehalten vierzehn Wochen und habe dennoch ein Kisten Glas zurückgeführt bis in die Wallachei.“ Nach einem nur vierzehntägigen [153] Aufenthalte in der Heimath machte er sich gleich wieder auf, jedoch diesmal zu einer „Pilgerschaft“ nach Rom, wo er noch vor Weihnachten, ehe die heiligen Pforten geschlossen, hineinkommt, „und ist ihm keine Reise lieber gewesen als diese“, was er auch dadurch an den Tag legt, daß er sie ausführlicher beschreibt als er es sonst gewohnt ist. An die römische Pilgerfahrt, von welcher er über Schwaben und Baiern heimkehrte, schloß sich noch in demselben Jahre (1701) eine neue Reise nach Siebenbürgen und der Wallachei an, von wo er abermals sich nach Konstantinopel begeben wollte. Er kam aber nur bis Adrianopel, denn er traf daselbst den „Lücker“, welcher mit Gläsern handelte und auch das Jahr zuvor in Konstantinopel war. Diesem verkaufte er seine Waare und kehrte darauf nach Haus zurück. Noch ein drittes Mal (1705) machte sich K. nach Konstantinopel auf, gelangte aber nur bis Belgrad, weil ihm der dortige Pascha keinen Paß ertheilte. Welche Routen K. für seine Wanderzüge nach Ungarn und Siebenbürgen einschlug, das gibt er nur in wenigen Fällen an. Dreimal geht es durch Schlesien und Polen nach Oberungarn und von dort nach Siebenbürgen, ein anderes Mal nach Belgrad. Einmal begibt er sich direct nach Ofen und besucht erst von da aus Oberungarn. Den Rückweg sehen wir ihn einmal durch Croatien und Steiermark, ein zweites Mal durch Ober-Ungarn und Polen über Breslau machen, und ein drittes Mal mußte er der Sicherheit halber den Umweg über die Moldau einschlagen. Nicht immer mögen bei der Wahl der Routen geschäftliche Rücksichten bestimmend gewesen sein, sondern mitunter auch die Kriegsereignisse, da der Türkenkrieg im vollen Gange war. Der Reisende hatte diesfalls manche Fährlichkeiten zu bestehen, aber auch Wassernoth und die Pest stellten sich ein. Ueber derlei Ereignisse und Unfälle ist er mittheilsamer als über die geschäftlichen Vorkommnisse; insbesondere die Belagerung von Griechisch-Weißenburg und dessen Entsatz durch Prinz Eugen im J. 1718 bespricht er ausführlicher. Am 16. October 1719 ist er wieder nach Siebenbürgen gereist und den 12. Mai 1721 nach Haus gekommen. Es ist das die letzte der – richtig gezählt – 31 Geschäftsreisen, welche er unternahm. Er wollte zwar nochmals in die Weite, aber Krankheit und der Brand seines Bauernhofes hinderten ihn daran; 1729 starb zudem sein einziger lieber Sohn. „Gott laß ihn selig ruhen. Das hat mein Concept ganz verruckt und meine Kräften geschwächt auf viele Jahr, viel mehr als das Feuer oder der Brand. Doch sag ich dem lieben Gott Dank vor die väterliche und gnädige Züchtigung, Lob und Dank“. Im folgenden Jahre scheint er selbst das Zeitliche verlassen zu haben. Ohne die Aufzeichnungen Kreybich’s würden wir von der so interessanten ersten Periode der Entwicklung des böhmischen Glashandels nur eine sehr geringe Kenntniß besitzen, da bis jetzt keine anderen zeitgenössischen Nachrichten darüber aufgefunden wurden. Nur in der Tradition hatte sich eine dunkle Vorstellung von dem „Wanderbetriebe“ erhalten, die jedoch nicht entfernt die Großartigkeit und Kühnheit der wirklichen Züge errathen läßt. Um die Zeit von Kreybich’s Tode war übrigens der Glashandel schon in der Umwandlung in seine zweite Phase, „den gesellschaftlichen Niederlagsbetrieb“, begriffen.

Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 8. Jahrg., Nr. 7, 1870.