ADB:Kiwisch von Rotterau, Franz

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Artikel „Kiwisch von Rotterau, Franz“ von Karl von Hecker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 47–49, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kiwisch_von_Rotterau,_Franz&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 11:23 Uhr UTC)
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Kiwisch: Franz K. Ritter v. Rotterau, ordentlicher öffentlicher Professor der Gynäkologie in Würzburg, geb. am 30. April 1814 in Klattau in Böhmen, wo sein Vater (zuletzt Hofrath bei dem böhmischen Landesgubernium), damals Kreishauptmann war, † am 29. Oct. 1852 in Prag. Er verbrachte die ersten Jahre seiner Vorbereitungsstudien auf dem Gymnasium seiner Geburtsstadt, die letzten in Prag, wo er auch mit ebenso ausgezeichnetem Erfolge die philosophischen [48] und medicinisch-chirurgischen Studien zurücklegte. Nebenbei eignete er sich den Gebrauch mehrerer neuer Sprachen an und versuchte sich mit nicht minderem Glücke in verschiedenen schönen Künsten, während er zugleich durch alle möglichen gymnastischen Uebungen seinem Körper Gelenkigkeit und Kraft zu verleihen wußte. Die Verhältnisse des elterlichen Hauses führten ihn frühzeitig in die Kreise der höheren Gesellschaft, in denen er sich mit selbstbewußter Sicherheit und leichtem Anstande bewegte, ohne doch je von seinen ernsteren Bestrebungen abgelenkt worden zu sein. Unmittelbar nach Beendigung der Studienzeit, die damals 5½ Jahre dauerte, unterzog er sich am 18. März 1837 der ersten und dann in möglichst rascher Aufeinanderfolge den übrigen strengen Prüfungen, so daß er am 7. August 1837 zum Doctor der Medicin, dann am 14. October dess. Js. zum Doctor der Chirurgie promovirt wurde. Sein innigster Wunsch, der ihn auch bei der Wahl seiner sehr fleißig geschriebenen Inauguraldissertation, „Conspectus morborum in clin. Prag. tractatorum“, leitete, ging noch in jener Zeit dahin, Assistent an der medicinischen Klinik für Aerzte zu werden, doch wurde er später bestimmt, sich der Geburtshülfe zuzuwenden und zu diesem Behufe sich um die Stelle eines Praktikanten an der Gebäranstalt zu bewerben, welche ihm auch am 1. November zu Theil wurde. Nachdem er am 18. Jan. 1838 das Magisterium der Geburtshülfe erlangt und im Juni dess. Js. noch die Supplirung einer Secundärarztstelle auf einer Internistenabtheilung des Allgemeinen Krankenhauses übernommen hatte, wurde er am 1. Juli 1838 zum Assistenten der geburtshülflichen Klinik und Secundärarzt der zahlenden Abtheilung des Prager Gebärhauses ernannt, und blieb in dieser Function durch die gesetzlich gestatteten zwei Jahre. Der damalige Vorstand der Anstalt, kaiserl. Rath und Professor Ritter v. Jungmann, gestattete ihm den weitesten Spielraum für seine wissenschaftliche Thätigkeit. Wie trefflich er davon Gebrauch zu machen wußte, beweisen nicht blos seine späteren schriftstellerischen Leistungen, sondern auch die besondere Aufmerksamkeit, die schon damals seinem Lehrtalente und seiner Gewandtheit im Operiren gezollt wurde. Nach Ablauf seiner Zeit unternahm er mit seinem Collegen Pitha eine wissenschaftliche Reise nach Frankreich, Deutschland, Dänemark und England. Nach Hause zurückgekehrt, wurde er durch 1½ Jahre im Sanitätsbureau des böhmischen Landesguberniums verwendet, praktizirte während dieser Zeit l½ Jahr auf einer Kreisarztstelle und wurde am 6. Mai 1842 zum Berauner Kreiswundarzt ernannt. Hierdurch war ihm die Möglichkeit gegeben, mit der Universität Prag wieder in Berührung zu treten, und seine Bewerbung, als Privatdocent für Frauenkrankheiten auftreten zu dürfen, hatte den Erfolg, daß ihm vom 1. October 1842 durch Zuweisung einer eigens hierfür im allgemeinen Krankenhause gegründeten Specialklinik die Gelegenheit hierzu in reichlichem Maße sich darbot. In der Zwischenzeit, nachdem er die Gebäranstalt verlassen, hatte übrigens K. nicht aufgehört, sich mit seinem Specialfache zu beschäftigen, wie es seine „Krankheiten der Wöchnerinnen“ welche 1840–41 in zwei Theilen erschienen, deutlich bewiesen, ein Werk, welches in Anbetracht, daß es das erste war, das aus seiner Feder geflossen, von hoher Bedeutung, überall, namentlich aber in Prag einen mächtigen Impuls zu wissenschaftlicher Thätigkeit anderer Kreise hervorrief. K. lehrte nun 3 volle Jahre mit ganz auffallendem Erfolge die Gynäkologie, und in diese Zeit fällt neben verschiedenen kleineren Arbeiten sein großes Werk „Specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechts“, in drei Bänden, welches wohl als die erste in den Grundsätzen der Rokitansky’schen Schule gereifte Arbeit zu betrachten ist, und dessen epochemachende Bedeutung auch heute nicht bestritten werden kann. Bald nachher erfolgte seine Berufung nach Würzburg an die Stelle des berühmten d’Outrepont. In diesem neuen Wirkungskreise [49] wußte sich K. sowol bei Collegen, als bei den Studirenden außerordentlich beliebt zu machen, auch strömte ihm sehr bald ein großes Material von Kranken zu. Besonders wurde er durch die Großfürstin Helene von Rußland ausgezeichnet, welche ihm im Winter 1846/47 einen Urlaub erwirkte, den er in Wien an ihrer Seite verbrachte. Den wiederholt gestellten weiteren Antrag, sie als Leibarzt nach St. Petersburg zu begleiten und sich dort an der Leitung der unter ihrem Schutze stehenden Gebäranstalten zu betheiligen, lehnte er hauptsächlich aus Liebe zu seinem akademischen Berufe, dem er fortan seine ungetheilte Kraft widmete, beharrlich ab; in dieser Zeit begann er sein größtes und vorzüglichstes, leider unvollendet gebliebenes Werk, „Die Geburtskunde“, welches noch jetzt als eine Quelle außerordentlichen Wissens und Könnens zu betrachten ist. Mittlerweile war in Prag der Vorstand der Gebäranstalt, kaiserl. Rath Ritter v. Jungmann, nach 40jähriger Thätigkeit zurückgetreten, und K. wurde am 23. Oct. 1850 nach dem einstimmigen Vorschlage der medicinischen Fakultät zum ordentlichen Professor der Geburtskunde in Prag ernannt. Leider war es ihm nicht vergönnt, diesem großen Wirkungskreise länger als zwei Jahre vorzustehen, denn nachdem er schon im Sommer 1848 an einer heftigen Brustfellentzündung erkrankt war, trat er seinen neuen Posten mit dem Keime des Todes an, und starb, wie schon angegeben, am 24. Oct. 1852 an Lungenschwindsucht und Erkrankung der Wirbelsäule. Er war jedenfalls einer der bedeutendsten Forscher auf dem Gebiete der Frauenkrankheiten, und noch heute kann man sagen, daß vieles Neue, was nach ihm gekommen ist, seine Wurzeln bis zu ihm verfolgen läßt. – Die schon im Texte erwähnten Hauptwerke setzen wir noch einmal her: „Die Krankheiten der Wöchnerinnen“, 2 Thle., Prag 1840–41; „Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes“, Prag, 3 Bde., 1. Bd., 3. Aufl. 1851, 2. Bd. 1849, 3. Bd. bearbeitet von Scanzoni 1855. „Beiträge zur Geburtskunde“, 1. Abth., Würzburg 1846, 2. Abth. 1848. „Die Geburtskunde mit Einschluß der Lehre von den übrigen Fortpflanzungsvorgängen im weiblichen Organismus“, 1. Abth. und 2. Abth. 1. Heft. Erlangen 1851. Das Werk ist leider unvollendet, und die Bemühungen des Buchhändlers, es durch andere Hände zu Ende führen zu lassen, haben zu keinem Resultate geführt. Außerdem erschienen aus der Feder des Autors zahlreiche zum Theil sehr werthvolle Aufsätze in den verschiedensten, namentlich österreichischen Fachjournalen.