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Artikel „Kielmann, Heinrich“ von Wilhelm Scherer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 714, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kielmann,_Heinrich&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 12:11 Uhr UTC)
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Kielmann: Heinrich K., Dramatiker. Geboren am 31. Januar 1581 zu Wien, Protestant, vorgebildet zu Iglau und Meseritsch in Mähren, bezog er Ostern 1600 die Universität Leipzig, ward vor Ablauf zweier Jahre Magister und Doctor, übernahm dann eine Erzieherstelle zu Halle, studirte daselbst die Rechte und setzte dies später zu Jena fort. Als Adjunct und Assessor der philosophischen Facultät in Leipzig, zugleich als Advokat thätig, erhielt er 1612 einen Ruf an das Gymnasium zu Stettin, den er annahm; 37 Jahre lang wirkte er dort als Conrector und Professor des Griechischen und der Poesie und starb am 13. Februar 1649. Er schrieb 1613 eine lateinische Tragödie „Venus“ und 1617 deutsch seine „Tetzelocramia“, vielleicht die beste dramatische Behandlung der Reformation, die auch so großen Erfolg hatte, daß 1618 schon eine dritte Auflage nöthig wurde. K. gehört einigermaßen zur Schule des Naogeorg (s. d. Art.) und hat direct oder indirect von Chryseus (s. d. Art.) und Hildesheim (s. d. Art.) gelernt: die satirische Polemik gegen den Papst, der selbst auf die Bühne gebracht wird, erinnert an den erstgenannten; der Hofteufel, der in Mönchsgestalt auftritt, an den zweiten; die personificirte Religion mit ihrer Tochter Wahrheit an den dritten. Die Wahrheit streitet gegen Tetzel, wird exorcisirt, als Ketzerin erklärt und für die Inquisition eingezogen. Auch das Gewissen ist persönlich eingeführt: Conscientia erscheint mit einer Geißel und einer zerbrochenen Laute hinter einem sündigen deutschen Fürsten, der seine Schwester zur Ehe genommen hat, wozu er durch Geld vom Papste die Erlaubniß bekam; er fühlt sich elend; sie flüstert ihm ins Ohr, wie der böse Geist dem Gretchen in Goethe’s „Faust“; nach allen Klagen, die er ausstößt, wiederholt sie nur das eine Wort: „Das macht, daß ich meine Schwester nahm.“ Tetzel sehen wir vor uns, wie er in Rom die Erlaubniß zur Ablaßpredigt holt und wie er dann in Deutschland quacksalbermäßig auftritt und mit seiner Predigt doch nichts ausrichtet, als daß er geprellt und durchgeprügelt wird. Ein Bauer, der Ablaß gekauft hat, klagt, daß ihn der Teufel immer noch plage. Einem anderen hat die Wallfahrt kein Heil gebracht; Religio spendet ihm Trost und lehrt ihn ein Gebet voll Vertrauen in Christum. Zum Schluß erscheint der Erzengel Michael, befreit die gefangene Wahrheit, übergibt Tetzel an Beelzebub, bestärkt Luther und Bugenhagen in ihrem Thun. Alles sehr effectvoll, lebendig und gut motivirt. Zwischen dem dritten und vierten Act ein Intermezzo, „Der Roland, ein Tanz“ genannt; ein Mönch will die Grietha verführen; ihr Geliebter Roland jagt sie ihm ab.

Lebensnachrichten gewährt das Leichenprogramm, das sein Schüler Micraelius verfaßte (mitgetheilt durch Dr. F. Vogt).