Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kaufmann“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 465–466, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kaufmann&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 12:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kauffungen, Kunz von
Nächster>>>
Kauffmann, Angelica
Band 15 (1882), S. 465–466 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
OFF in der Wikipedia
Johann Gottfried Kaufmann in Wikidata
GND-Nummer 138951896
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|465|466|Kaufmann|Moritz Fürstenau|ADB:Kaufmann}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138951896}}    

Kaufmann: Vater, Sohn und Enkel, sind bekannt geworden als tüchtige Musiker und Mechaniker, insbesondere aber als Erbauer ausgezeichneter selbstspielender Musikinstrumente. Der Vater Johann Gottfried K., geb. den 14. April 1751 zu Siegmar bei Chemnitz in Sachsen von armen Eltern, verrieth zeitig Talent zur Mechanik. Zunächst lernte er das Strumpfwirkerhandwerk, wendete sich dann gegen 1770 nach Dresden, wo er in das Haus eines Mannes kam, der sich mit Ausbessern von Uhren und dergleichen Arbeiten beschäftigte. Nach dem Tode seines Lehrherrn übernahm er um 1772 das Geschäft auf Rechnung der Wittwe, heirathete 1779 die zweite Tochter derselben und versuchte nun, obgleich er nie Unterricht in der Musik erhalten hatte, den Bau von Spiel- und vorzüglich Harfenuhren, wozu er einen eigenen Mechanismus erfunden hatte. Bald verfertigte er auch Flötenuhren, ja er ruhte nicht, bis er beide Arten verbunden hatte. Die erste 1787 von ihm gearbeitete Flöten- und Harfenuhr wurde vom Churfürst Friedrich August III. zum Geschenk für seine Gemahlin angekauft. Der Eindruck dieser Musikwerke auf die empfindsame Zeit spiegelt sich wieder in dem „Flötenthal“ in Jean Pauls Titan (der 1800 erschien). Um diese Zeit waren Kaufmann’s Instrumente bereits bekannt in Italien, Oesterreich, Rußland u. s. w. Er starb am 10. April 1818 in Frankfurt am Main auf einer Kunstreise, welche er mit seinem Sohne Friedrich unternommen hatte. Dieser, geboren in Dresden am 5. Februar 1785, kam 1799 zu einem Uhrmacher in die Lehre. Während der Jahre 1803–1806 bereiste er als Uhrmachergehülfe zu weiterer Ausbildung Deutschland, Frankreich und die Schweiz. Ein längerer Aufenthalt in Wien bot ihm zugleich Gelegenheit, seine seit früher Jugend begonnenen musikalischen Studien fortzusetzen. Nach Dresden zurückgekehrt, unterstützte er seinen Vater bei dessen mechanischen Arbeiten, namentlich beim Bau von Spieluhren, die er mit Hülfe seiner musikalischen Kenntnisse merklich vervollkommnete. Im J. 1806 erfanden Vater und Sohn ein großes Musikwerk mit natürlichen Pauken und Trompeten, welches sie Belloneon nannten und welches dem jüngeren K. die Idee zu dem später erfundenen berühmten Trompetenautomaten gab. K. M. v. Weber machte auf denselben in der „Allgem. musikal. Zeitung“ (1812 S. 663) aufmerksam und bewunderte namentlich die Hervorbringung von Doppeltönen. In neuerer Zeit hat H. Gottwald versucht, dieselbe auf mechanische Grundsätze zurückzuführen – im Gegensatze zu der Behauptung Kaufmann’s, daß dieselben auf akustischem Wege producirt würden (Neue Zeitschrift für Musik. Leipzig, 1857. Bd. 46). Im J. 1810 bereits hatten beide Kaufmann’s das bekannte Tasteninstrument „Harmonichord“ erfunden. Der Form nach ist es ein aufrecht stehendes Flügelfortepiano, dessen Saiten jedoch nicht durch Hammerschlag, sondern durch Reibung eines mit Leder überzogenen und mit Colophonium durcharbeiteten Cylinders zum Ertönen gebracht werden. Der Ton hält so lange an, als der Finger auf der Taste weilt; alle Nüancirungen des piano, crescendo und forte und zwar in aushaltenden anschwellenden Tönen werden nur durch schwächeren oder stärkeren Druck des Fingers hervorgebracht. Der Klang ist eigenthümlich äolsharfenartig und von großer Tragweite. – Während der Jahre 1810–1812 unternahmen K. sen. und jun. eine größere Kunstreise, auf welcher namentlich Letzterer durch sein treffliches Spiel auf dem Harmonichord Aufsehen erregte. Die Künstler lernten auf dieser Reise Goethe in Karlsbad und K. M. v. Weber in München kennen. Ersterer erwähnt Friedrich in seinen Briefen an Zelter; Letzterer componirte für das Harmonichord ein Adagio und Rondo mit Begleitung des Orchesters (Nr. 15 der oeuvres posth.). Während der Jahre 1811–1815 entstand das Chordaulodion (Saiten-Flöten-Gesang). Die von den beiden Kaufmann’s gemachte, für den Orgelbau höchst wichtige Erfindung, sowohl offene als gedeckte Pfeifen mittelst einfachem Mechanismus und durch [466] Verstärkung und Verschwächung des Windes piano, crescendo und forte anzublasen, ohne daß sich der Ton dabei verstimmt oder sonst darunter leidet, machte es möglich, das mechanische Spiel des Chordaulodions mit einer Art lebendigen Hauches zu beseelen und alle Schattirungen, auch das accelerando und ritardando, hervorzubringen. 1815–1829 unternahmen die strebsamen Künstler eine Reise durch Deutschland, Holland und Frankreich, auf welcher der Vater, wie bereits erwähnt, 1818 in Frankfurt a. M. starb. Nun folgte eine lange Zeit der Ruhe für den jungen während der er sich immer mehr in der Kunst, selbst spielende Musikwerke zu bauen, vervollkommnete. Erst im J. 1837 unternahm er wieder eine größere Reise nach Dänemark, Schweden und Rußland. In St. Petersburg erfreute er sich der ehrenvollsten Aufnahme und Auszeichnung durch Kaiser Nicolaus. Von 1838–1842 arbeitete er wieder in Dresden an neuen Musikkunstwerken. Zu jener Zeit entstand das Symphonion, welches Fortepiano, Clarinetten, Flöten, Piccolo, Schellstäbe und Pauken in sich vereinigte. Mit seinem Sohne Friedrich Theodor K., geb. den 9. April 1823 in Dresden, unternahm er 1842–1844 eine neue Kunstreise durch Oesterreich, Baiern, Rußland und Dänemark. Auf der Rückreise von Kopenhagen erlitten die Reisenden Schiffbruch; Vater und Sohn wurden gerettet, hatten aber den Verlust sämmtlicher Instrumente zu beklagen. 1844 bis 1851 beschäftigten sich beide mit Neubau der verlorenen Instrumente unter Anwendung neuer Ideen und Erfahrungen; so entstand das „Orchestrion“ nach dem Plane des jüngeren K. Während der Jahre 1851 und 1852 unternahmen Vater und Sohn abermals eine Reise und zwar die letzte nach England, Irland und Schottland. Von da an lebten beide ruhig in Dresden, fortwährend mit dem Neubau immer mehr vervollkommneter selbstspielender Instrumente und Harmoniums beschäftigt. Das sogenannte akustische Cabinet von F. Kaufmann u. Sohn wurde von den vielen, die sächsische Hauptstadt besuchenden Fremden selten unbeachtet gelassen und so gestaltete sich der Ruf dieser trefflichen Künstler gewissermaßen zu einem europäischen. Immer wieder erfreute K. sen. die dankbaren Hörer durch sein seelenvolles Spiel des Harmonichords, wie denn derselbe durch seine milde, humane, von köstlichem Humor durchwehte Art und Weise sich eine große Zahl von Freunden und Verehrern zu erwerben wußte. In seltener geistiger und körperlicher Frische feierte der ehrwürdige Veteran 1864 seinen 80. Geburtstag unter allgemeiner Theilnahme. König Johann ehrte ihn durch Ertheilung des Ritterkreuzes vom Albrechtsorden. Nach längerem Leiden entschlief am 1. December 1866 der liebenswürdige Greis sanft und ruhig. Mit rastlosem Fleiße arbeitete sein begabter Sohn im Geiste des Großvaters und Vaters fort, trotzdem ihm dies durch schwere körperliche Leiden oft sehr erschwert wurde. Am 5. Februar 1872 trat auch er jene Wanderung an, „von dannen keine Wiederkehr“. Mit seltener übereinstimmender Begabung haben Vater, Sohn und Enkel den Namen K. zu hohen Ehren gebracht, theils durch vielfache Reisen mit ihren trefflichen Musikwerken, theils durch Verbreitung derselben über die ganze Erde. An den äußersten Grenzen europäischer Cultur, im fernen Rußland, Indien, Amerika etc. sind die Kaufmann’schen Instrumente zu finden und erfreuen menschliche Herzen da, wo alle Kunstleistungen unmöglich oder doch sehr erschwert sind, durch ihre freundlichen, nie ermüdenden Klänge.