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Artikel „Just, Coelestin August“ von Johann Paul Freiherr von Falkenstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 743–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Just,_Coelestin_August&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 14:31 Uhr UTC)
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Just: Coelestin August J., Kreisamtmann, später preußischer Regierungsrath, geb. am 11. November 1750 zu Merseburg, wo sein Vater, ein hochangesehener Mann, bei der damaligen Stiftsregierung angestellt war, † 1822. Mitten in einer, an ausgezeichneten, wenn auch oft einer etwas extremen Romantik sich zuneigenden Talenten reichen Zeit des vorigen Jahrhunderts finden wir in dem kleinen thüringischen Städtchen Tennstädt in J. einen, zwar äußerlich nicht, auch nicht durch besondere poetische Gaben, wol aber durch Geist und Herz hervorragenden schlichten und besonnenen Mann, welcher durch litterarische Leistungen, durch seltene staatsmännische und juristische Kenntnisse und durch seine ganze Persönlichkeit, welche den Typus echter Humanität auf klassischer und religiös sittlicher Basis ruhend darstellte, einen ganz entschiedenen Einfluß, nicht etwa nur auf seine unmittelbare Umgebung, sondern auf weite Kreise – ja man kann ohne Uebertreibung sagen, – auf den damaligen gesammten Thüringer Kreis ausübte. Er gehörte einer sehr alten und weit verbreiteten Familie an, deren Mitglieder bereits Anfangs des 16. Jahrhunderts in Zittau und Umgegend, [744] dann in Merseburg, Wurzen etc. in verschiedenen, zum Theil hohen Aemtern fungirten. Ob, wie vielfach behauptet wird, die Familie ursprünglich von Adel war und nur den Adel hatte ruhen lassen, mag dahingestellt bleiben; gewiß ist, daß ein Onkel unseres J., Christian Wilhelm v. J., geb. den 17. Juni 1712, unter dem 12. December 1776 nebst seinen Nachkommen „in des Heiligen Römischen Reichs Adelstand“ und 1790 in den Reichsfreiherrenstand erhoben worden ist. J. ward zunächst durch Privatlehrer gebildet, unter welchen der Dr. Sandershausen hervorzuheben ist, nicht nur weil er ein vielseitig gebildeter Gelehrter war, sondern hauptsächlich, weil er durch seinen entschiedenen Hang zur Satire und einen oft verletzenden Witz großen Einfluß auf J. ausübte, so daß Letzterer – wie er selbst sagte – in der späteren Zeit nur mit Mühe sich von dieser Neigung loszureißen vermochte, nachdem er sich von der großen Gefahr, die eine solche Neigung für die Moralität haben könne, überzeugt hatte. Auf der Universität zu Leipzig, wo er anfänglich zwischen dem Studium der Theologie und Jurisprudenz schwankte, hörte er mit besonderem Eifer die Vorlesungen des berühmten Morus und Johann August Ernesti, unter welchem letzteren er namentlich auch klassische Studien, besonders Latein trieb. Oft erzählte er, wie er beglückt gewesen, als ihm Ernesti auf eine lateinische Arbeit geschrieben habe: „nun klingt’s, Herr Just.“ Im Lateinischen war er übrigens noch im hohen Alter so bewandert, daß er dem Verfasser dieser Zeilen 1813 in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache Unterricht zu geben im Stande war. Sehr bald nachdem er die Universität verlassen hatte, trat er, von vielen Seiten empfohlen, in Tennstädt zunächst als Hilfsarbeiter bei dem dortigen Kreisamtmann Hofrath Lauhn ein, der als Jurist und besonders als Kenner des Lehnsrechts, auf welches damals noch großer Werth gelegt wurde, berühmt war. J. zeigte sich dabei so tüchtig, daß er bald zum Erstaunen Vieler auf Lauhn’s eigenen Wunsch dessen Nachfolger ward. Das Kreisamt Tennstädt hatte verhältnißmäßig wenig unmittelbare Jurisdiction, war aber desto mehr mit besonderen Aufträgen in wichtigen Angelegenheiten belastet. Man muß sich freilich, um ein Urtheil über den damaligen Geschäftskreis zu haben, ganz in die Zeit versetzen, wo nicht nur von einer Selbstverwaltung der Gemeinden nicht die Rede war, sondern wo auch noch eine Menge alterthümliche Verhältnisse bestanden, die sozusagen nicht leben und nicht sterben konnten und daher mit großer Sachkenntniß behandelt und mit einer gewissen Genialität in die neue Zeit herübergeleitet werden mußten; ich erwähne hier nur beispielsweise die Verhältnisse der alten Commenthureien zu Griefstedt, Ureleben etc. und die sogenannte Ganerbschaft Dreffurth (wie sie in den thüringischen Chroniken genannt wird), in welcher sich ein kurfürstlich Mainzer, ein Kursächsisches und ein kurfürstlich Hessisches Amt nicht immer im besten Einvernehmen untereinander befanden; an das sehr verwickelte und von verschiedenen Behörden verschleppte und ausgebeutete Gräflich Stollberg-Stollberg’sche Creditwesen, das J. endlich zur Zufriedenheit Aller zu Ende führte etc. In der späteren Zeit kam zu derartigen Commissionen – wie der damalige Kunstausdruck lautete – noch die Mitverwaltung der alten v. Witzleben’schen Stiftung der Klosterschule Roßleben, deren finanzielle Verhältnisse zu heben zwar die Hauptaufgabe Just’s sein sollte; allein bei seiner Liebe zum Erziehungswerke überhaupt und zur Jugend insbesondere und bei dem freundschaftlichen Verhältnisse, in dem er mit dem damaligen Erbadministrator v. Witzleben stand, übte er auch einen sehr wesentlichen günstigen Einfluß in pädagogischer Hinsicht aus. Just’s Name, den auch ein einfaches Denkmal dort verewigt, wird noch jetzt selbst von der jüngsten Generation mit Ehren genannt. Bei seinem wissenschaftlichen Sinne war Just’s Streben auch immer darauf gerichtet, durch wissenschaftliche Arbeiten auf die Volksbildung überhaupt und auf die Bildung [745] derer insbesondere einzuwirken, die seiner speciellen Obhut untergeben waren. Sein Ruf als trefflicher Jurist und Verwaltungsmann in Verbindung mit dem ächt christlichen Sinn, durch welchen er im Hause wie im äußerlichen Leben auf Alle, mit denen er in Verbindung kam, zu wirken verstand, hatte nämlich bei vielen hochangesehenen Familien den Wunsch rege gemacht, ihre Söhne unter seiner Leitung in die Geschäfte eingeführt zu sehen. So kam es, daß Fritz Hardenberg (Novalis), Sohn des ehemaligen Salinendirectors v. Hardenberg in Weißenfels, der spätere Appellationspräsident v. Zedtwitz, Sohn des damaligen Kreishauptmann v. Zedtwitz in Auerstädt, Herbst, später Gerichtsamtmann, Nobbe, später Oberlandesgerichtsrath, v. Burkersrode, Sohn des damaligen Amtshauptmann v. Burkersrode, und Andere eine Zeit lang seiner Leitung anvertraut wurden, um in den Geschäften sich zu üben und in dem geistigen Verkehr mit ihm sich auszubilden. In welchem Grade dies gelang, davon zeugt die unauslöschliche Dankbarkeit, in welcher alle diese Männer noch in späterer Zeit, als sie selbst ins Leben eingetreten und tüchtig gewirkt hatten, der Zeit gedachten, die sie in dem Just’schen Hause verlebt hatten. Zur Ausbildung dieser jungen Männer benutzte J. aber nicht allein die gewöhnlichen Mittel der Aufgabe praktischer Arbeiten, sondern er hielt ihnen auch von Zeit zu Zeit förmliche Vorträge aus dem Gebiete des Kriminalrechts, der Nationalökonomie, der Pädagogik etc., und aus solchen Vorträgen sind die Schriften entstanden, die ihm auch in der litterarischen Welt, in welche er sich schon in seiner Jugend durch einzelne Aufsätze in dem damaligen von Zacharias Becker redigirten Deutschen Reichsanzeiger eingeführt hatte, einen guten Namen machten; es mag hier nur erinnert werden an seine Motive zum neuen Kriminalgesetzbuch, seine Abhandlungen über Theuerungsverhältnisse und Getreidesperre, an seine von der Göttinger Akademie gekrönte Preisschrift über Ablösung der Frohndienste, an die Bearbeitung der sächsischen Staatsgesetze zum Gebrauch für Dorfgerichtspersonen, seine Geschichte der Ganerbschaft Dreffurth; über die Benutzung des Thätigkeitstriebes bei der Schulerziehung, über den Religionsunterricht auf Schulen etc. Durch solche Vorträge und im persönlichen, außergeschäftlichen Umgang mit den ihm anvertrauten jungen Männern entstand zwischen ihm und diesen ein wahrhaft freundschaftliches dauerndes Verhältniß, welches durch seine treffliche Gattin, Tochter des Hofpredigers Strauß, eine Frau von seltener Bildung und Gemüthsinnigkeit, wesentlich unterstützt wurde. Am bestimmtesten ist das hier Gesagte hervorgetreten bei Novalis; es geht dies aus dem kurzen einfach, aber trefflich geschriebenen Lebensabriß hervor, den J. selbst in dem Schlichtegroll’schen Nekrolog über Novalis veröffentlicht hat. Er war wie ein Sohn im Hause, bemerkte oft die Wittwe Just’s, wenn sie von Novalis erzählte. – In die schwierigste Lage gerieth J. bei der Theilung Sachsens. Ein alter Sachse, von der Treue gegen König und Vaterland durchdrungen, entschloß er sich schwer, in die neuen Verhältnisse einzutreten. Hatte man es in Dresden versäumt, ihm den rechten passenden Platz zu bieten, oder hatte er sich bei seinen hohen Jahren und seiner Kränklichkeit nicht getraut in die größere Stadt Dresden, wo ihm früher einmal die Stelle eines geheimen Finanzrathes in Aussicht gestellt war, überzusiedeln – ich weiß es nicht – wol aber weiß ich, daß das ungemeine Wohlwollen und die große Zuvorkommenheit, mit welcher man ihm in Preußen entgegenkam, namentlich die Erlaubniß, in seinem geliebten Tennstädt und seiner Amtswohnung trotz der ihm ertheilten Mitgliedschaft der Regierung zu Erfurt zu bleiben, ihn endlich – da von Dresden rechtzeitig keine Schritte geschahen, ihn zu erhalten – dazu bestimmten, den neuen Verhältnissen sich zu widmen. Man erkannte bald, mit welcher Sicherheit er sich darein fand und wie er bei dem so überaus schwierigen Uebergang der Bevölkerung in die ganz neue Lage der Dinge als ein erfahrener und [746] das unbedingte Vertrauen im Volke genießender Mann eine treffliche Stütze, wie der alten, so jetzt der neuen Einrichtungen war. Daher kamen auch Präsidenten, Räthe, ja selbst Minister von Berlin nach Tennstädt, um des ehrwürdigen Mannes Rath und Beistand auf kürzestem Wege zu suchen. Aber nicht blos in geschäftlicher Hinsicht, auch für den gesellschaftlichen Umgang bildete J. den Mittel- und Anziehungspunkt in dem kleinen Orte, in welchem sonst außer dem damals in Mode gekommenen Schwefelbade kein besonderer Anziehungspunkt vorhanden war. Als daher im J. 1817, außer Goethe, Schmidt, Bertuch, Meyer, der Dichter Krug von Nidda etc. nach Tennstädt kamen, um das Bad zu benutzen und wol auch, um Goethe zu sehen, war es hauptsächlich das sehr einfache, aber stets gastfreie Just’sche Haus, in welchem die genannten und andere Badegäste sich trafen und manche schöne Stunden miteinander verlebten. Insonderheit bildete sich damals auch in diesem Hause das freundliche Verhältniß zwischen Goethe und dem Dichter Krug v. Nidda, dessen der Letztere in seinen Schriften oft gedacht hat. Das geistreiche Auge Just’s sah man nie schöner glänzen als im Schwunge geistreichen Wettstreites mit geliebten Freunden und interessanten Männern, oder wenn es ihm gelungen war, eine recht verwickelte Angelegenheit zu klären und aus der Spreu die Körner zu fegen. Leider ward in den letzten Jahren seines Lebens gerade das eine der geistvollen Augen durch einen Schlaganfall unbrauchbar; trotzdem arbeitete er soviel als möglich, bewundert von seinen alten und neuen Freunden und Amtsgenossen und geehrt von Allen, die ihm jemals näher getreten waren. Seine letzte Arbeit – am Vormittag seines Todestages – war ein wichtiger Geschäftsbrief an den Erbadministrator von Roßleben, seinen treuen Freund v. Witzleben, über die glücklich gestaltete finanzielle Lage der Anstalt. Ein Schlagfluß machte im August 1822 dem Leben des trefflichen Mannes ein sanftes Ende; noch heute wird aber in dem kleinen Orte sein Name mit Ehrerbietung genannt.