ADB:John, Richard
Albrecht in Leipzig (s. A. D. B. XLV, 743 ff.) dazu angeregt, den Gegenstand seines Studiums. Er studirte dann in Berlin, promovirte im März 1852 in Göttingen und habilitirte sich 1853 in Königsberg hauptsächlich für strafrechtliche Fächer. 1856 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt und heirathete 1857 die Tochter Hanna des Justizrathes Hasse in Liegnitz. Dieser glücklichen Ehe entsprossen ein in jungen Jahren verstorbener Sohn und eine jetzt mit Medicinalrath Dr. Willemer in Ludwigslust verheirathete Tochter. Er fand in Königsberg im Kreise junger Professoren und Aerzte den anregendsten Verkehr, dessen er noch in späteren Jahren stets mit Freude und Liebe gedachte. 1860 wurde er zum ordentlichen Professor befördert und vertrat 1862–66, gleichzeitig neben seinem Vater, im preußischen Abgeordnetenhause den Kreis Labiau-Tapiau-Wehlau als eifriges Mitglied der Fortschrittspartei in der Conflictszeit. Nach 1866 wandte er sich der national-liberalen Partei als Mitbegründer und treues Mitglied zu. Im Jahre 1868 wurde er ordentlicher [689] Professor der Rechtswissenschaft in Kiel, 1869 in Göttingen, 1870 Mitglied des Oberappellationsgerichts in Lübeck, wo er auch als Mitglied der dortigen Bürgerschaft thätig war, 1876 endlich wieder nach Göttingen berufen, das er als seine eigentliche Heimath betrachtete. Von großem Interesse erfüllt für städtische Angelegenheiten, war er als Bürgervorsteher praktisch sehr thätig: ihm ist die Einrichtung eines Orchesters für Symphonieconcerte sowie der Neubau des Theaters zu verdanken. Ein offener liebenswürdiger Charakter, hatte er Freude an allem Guten und Schönen; Reisen nach Italien, England, Belgien brachten ihm hohe Genüsse. Er unterstützte gern strebsame Jünglinge, war ein Freund der Jugend und heiterer Geselligkeit, ein liebevoller Familienvater. 1881 bekleidete er das Prorectorat der Universität (vergl. Zeitschrift von v. Liszt I, 223). Einem Schlaganfall erlag er am 7. August 1889.
John: Dr. Richard Eduard J., Geheimer Justizrath und Professor der Rechte in Göttingen, wurde am 17. Juli 1827 in Marienwerder (Westpr.) als ältester Sohn des Justizrathes Eduard J. und seiner Frau, Luise geb. Reichenau, geboren. Er besuchte das Gymnasium in Marienwerder und studirte dann in Leipzig, wo er zunächst chemische und landwirthschaftliche Vorlesungen besuchte, da er anfänglich dazu geneigt war, das väterliche Gut Watkowitz zu übernehmen. Doch bald wandte er sein Interesse mehr der Jurisprudenz zu und wechselte deshalb, durchAls feinsinniger Criminalist – wie ihn die Rectoraterede von H. Hartmann vom Jahre 1890 nennt – hat er auf dem Gebiete der Strafrechtswissenschaft vieles geleistet und namentlich auf die Gestaltung des deutschen Strafgesetzbuches eingewirkt. Als wissenschaftliche Arbeiten sind hier zu nennen „Ueber Landzwang und widerrechtliche Drohungen“, Göttingen 1852 (Albrecht gewidmet); „Das Strafrecht in Norddeutschland seit den Rechtsbüchern“, Bd. 1, Leipzig 1858; „Die Lehre vom fortgesetzten Verbrechen und von der Verbrechensconcurrenz“, Berlin 1860; „Kritik des preußischen Gesetzentwurfs über die Verantwortlichkeit der Minister“, Lpz. 1863; „Kritiken strafrechtlicher Entscheidungen des preußischen Obertribunals“, Berlin 1866, ursprünglich anonym in v. Holtzendorff’s Allg. Dtsch. Strafrechtszeitung, nunmehr etwas erweitert, namentlich um den allbekannten Beschluß des kgl. Obertribunals vom 29. Januar 1866 über Auslegung des Artikel 84 der preußischen Verfassung, den auch Zachariä in Göttingen (1866) heftig kritisirt hatte; dann der besonders werthvolle „Entwurf nebst Motiven zu einem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund“, Berlin 1868, und „Das Strafrecht in Norddeutschland. Beurtheilung des Entwurfs eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund, in Form eines revidirten Entwurfs“, Göttingen 1870. Viele Beiträge lieferte er für v. Holtzendorff’s Allgem. Dtsch. Strafrechtszeitung, für dessen Encyklopädie und Rechtslexikon (Civil-, dann speciell Strafproceß), für dessen Handbuch des deutschen Strafrechts III, 3–212 (Verbrechen gegen den Staat), für Goltdammer’s Archiv III, 58–67, 497 ff., 620 ff.; IV, 471–484; IX, 305–315, 361–369, 505–513; XXV, 393–431, auch kleinere Arbeiten wie „Ueber Strafanstalten“, Berlin 1865; „Ueber die Todesstrafe“, Berlin 1867 (Samml. gemeinverst. wiss. Vorträge Heft 36), 2. Abdruck 1871; „Ueber Geschwornengerichte und Schöffengerichte“, Berlin 1872, und das Königsberger Programm über die „nemede“ des altdithmarsischen Rechts (1860). Für „die Gesetzgebung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen“ veröffentlichte er seit 1881 ein tief gründliches, viele neue Ideen enthaltendes Werk „Strafproceßordnung für das Deutsche Reich nebst Einführungsgesetz“, Bd. I Erlangen 1884, Bd. II 1888, das er jedoch nur bis zu § 270 durchführen konnte (Bd. III 1889, fortgesetzt von v. Lilienthal). Größere Arbeiten lieferte er in der Zeitschrift von v. Liszt I, 222 bis 308; IV, 1–93; VI, 1–87.
- Nach gefl. Mittheilungen des Herrn Medicinalrathes Dr. Willemer in Ludwigslust und des Herrn Geh. Justizrathes Prof. Dr. L. von Bar in Göttingen. – Richter’s Krit. Jahrbücher II, 309 ff. – Allg. Dtsch. Strafrechtsztg. 1869, Sp. 113–148, 353–380, 409–432. – Goltdammer’s [690] Archiv VIII, 343 ff., 433 ff., XVII, 148. – Gerichtssaal 1868, S. 401 bis 434; 1872, S. 488–492. – Ztschr. f. d. ges. StRWiss. I, 368, III, 191, VIII, 119–129, XI, 266–271. – Kukula, Allg. Dtsch. Hochschulenalmanach, Wien 1888, S. 389, 390. – Brunner, Die Entstehung der Schwurgerichte, Berlin 1872, S. 14. – H. Hetzel, Die Todesstrafe in ihrer kulturgeschichtlichen Entwicklung, Berlin 1870, S. 392, 514. – Dr. Georg Maas, Verzeichniß d. wissenschaftlichen Aufsätze im Archiv für Strafrecht u. Strafprozeß, Berlin 1903, S. 5, 12, 17, 21, 23, 32.