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Artikel „Johann von Westphalen“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 478–483, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_von_Westfalen&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 01:36 Uhr UTC)
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Johann von Westphalen (Johannes de Westphalia), der erste und zugleich ausgezeichnetste niederländische Drucker im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, dessen Leben und Wirken eine eingehende Würdigung um so mehr beansprucht, als ihm eine solche bis jetzt nur in sehr dürftiger Weise zu Theil geworden ist. Geboren, nach der Angabe des Aegid. Zudendelf in einem an der Spitze der Ausgabe des Joh. Fabri „Breviarium supra codicem“ befindlichen Briefe, zu Aken (Hachen), einem Marktflecken nicht weit von Arensberg in Westphalen, scheint er seine erste Erziehung in Paderborn genossen zu haben, weil er sich selbst nicht selten „Paderbornensis“ oder auch „Johann de Paderborne in Westphalia“ unterzeichnete. In den Akten des Schöppenstuhles zu Löwen wird er nicht selten Meister Johann von Aken, von Paderborn, von Westphalen bald und am häufigsten Meister Johann von Westphalen genannt und dieser letztere Name ist in die Typographengeschichte übergegangen. Sein Geburtsjahr wie sein Familienname sind gänzlich unbekannt und ebenso, wo er bis 1472, dem Jahre seiner Ankunft in Belgien, sich aufgehalten und seine Kunst erlernt habe. Aber es liegt nach den Forschungen neuerer belgischer Bibliographen die Vermuthung nahe, daß er die letztere zuerst zu Mainz oder Köln erlernt und dann gleich so vielen seiner Landsleute (vgl. Joh. von Speyer) eine Zeitlang als Drucker und zwar in der Werkstätte des Deutschen Christoph Waldarfer (vgl. d.) thätig gewesen und, als der letztere 1471 oder 1472 Venedig verließ und nach Mailand übersiedelte, gleichfalls ausgewandert und nach Belgien gegangen sei. Diese Annahme wird besonders dadurch unterstützt, daß die kleinen halbgothischen Typen, mit welchen J. zuerst druckte, jenen des Waldarfer auffallend gleichen, weßhalb er auch in der Ausgabe des Petri de Crescentiis „Opus ruralium commodorum“ 1474 mit Recht sagen konnte, dieses Buch sei „litera vera modernata“ (die sog. venetianische, eine dem Auge angenehmere römische Type, deren sich zuerst Joh. und Wendelin von Speyer bedient hatten) gedruckt worden und daß ferner mehrere Erzeugnisse seiner Presse (Holtrop, Monum. typogr. Pl. 87) durch eine sehr eigenthümliche Verzierung am Ende sich auszeichnen. Tiefe Verzierung aber findet sich nicht nur in dem 1472 (die 20 mensis Martii) „per Magistrum Florentinum de Argentina“ gedruckten Buche: Jacobi Romani ad Nicolaum Tronum Congratulatio, sondern es ist auch der Text dieses Buches mit Charakteren hergestellt, deren sich J. in seiner Ausgabe der Epistolae Aeneae Sylvii von 1483 bedient hat. Man folgert hieraus mit Recht, daß dieser Florentinus (oder Florenz) von Straßburg zugleich mit J. in Venedig sich befunden und der letztere später dessen Art, das Ende seiner Bücher zu verzieren, nachgeahmt habe. Mit unserem Drucker waren zugleich auch Konrad von Westphalen, Johann Veldener und Konrad Braem in Belgien angelangt, wo sie sich gleichfalls in Löwen als Typographen niederließen. Auch diese hatten ihre Kunst in Venedig erlernt und Veldener namentlich äußert sich in der Unterschrift seiner Ausgabe der Epistolae des Virulus von 1476, daß er verstehe „industriam insculpandi, celandi, intorculandi, caracterandi, adde et figurandi et effigiendi et si quid in arte secreti est quod tectuis occulitur“. Die Ankunft dieser Buchdrucker hatte in Löwen die lebhafteste Theilnahme erweckt und die Universität empfing sie eben so freudig, wie zwei Jahre zuvor jene zu Paris die „fratres allemanici“ (vgl. Krantz, Martin) aufgenommen hatte. Diese Hochschule nämlich, gegründet 1425, war schnell zu einem hohen Grade der Berühmtheit gelangt, welche sie der Protection Philipps des Guten, Karls des Kühnen und des Erzherzogs Karl sowie den zahlreichen Privilegien der Päpste und den Begünstigungen der Stadtgemeinde verdankte und in Folge [479] hiervon von einer außerordentlich großen Zahl von Studenten besucht; gegen das Ende des 15. Jahrhunderts, wo die berühmtesten Lehrer der Universitäten von Paris, Köln, Heidelberg, Bologna und Pavia sich an ihr habilitirt hatten, zählte sie nicht weniger als 3000 Zöglinge aus allen europäischen Ländern. Tief durchdrungen von der Wichtigkeit der Buchdruckerkunst, welche einen so glücklichen Einfluß auf den Fortschritt der Wissenschaften üben sollte, zögerte deßhalb auch diese Hochschule nicht, diese Kunst sich nutzbar zu machen und kaum hatten die ersten Spuren derselben sich wahrnehmbar gemacht, als sie sich anschickte, sie nach Löwen zu verpflanzen. Schon seit dem J. 1474 machte sie J. die vortheilhaftesten Anerbietungen, um seine Pressen ihrem Dienste zu widmen, ja sie überließ ihm anfänglich sogar, wenigstens nach der Angabe eines belgischen Schriftstellers (Van d. Meersch, Recherches p. 87) die erforderlichen Räumlichkeiten in ihrem Collegium; doch muß diese Angabe, weil der Verfasser hierfür keine Gewähr beibringt, vorderhand und um so mehr dahin gestellt bleiben, als sie vielleicht nur auf einer Verwechselung des Löwener Druckers mit den Pariser „fratres allemanici“ beruht, denen wenige Jahre zuvor (1469 bis 1470) Wohnung und Platz für ihre Pressen im Gebäude des Collegiums Sorbonne angewiesen worden waren. In der Ueberzeugung aber, daß die durch die Presse vervielfältigten literarischen und wissenschaftlichen Werke den Studien einen Aufschwung verleihen würden, beehrte die Universität ihre ersten Drucker auch äußerlich und zwar Joh. Veldener bereits 1473, J. und Braem 1474 und Konrad von Westphalen 1476 mit dem Titel „akademischer Bürger“ und J. wurde überdies am 7. Juni 1474 bei der Facultät des canonischen Rechts als Mitglied eingeschrieben und seine Inscription lautet: „Johannes de Westfalia Paderbornensis Dyocesis, in jure canonico“. Um nämlich der Privilegien und Freiheiten der Hochschule theilhaftig zu werden, war es erforderlich, als Mitglied in eine der fünf Facultäten derselben eingeschrieben zu werden. Außerdem verlieh ihm die Universität den Titel eines „Magister“ (artis impressoriae), denn es war (Ram. considerations sur l’hist. de l’univ. de Louvain p. 45) nicht gestattet, dieses Titels ohne Genehmigung derselben sich zu bedienen. J. richtete nun im Laufe der J. 1473 und 1474 seine Officin zu Löwen nach dem größten Maßstabe ein, siedelte jedoch bis zu deren Vollendung nach Aalst in Ostflandern über, wo er in Verbindung mit Theodoricus Martini oder Dirk Martens (vgl. d.), jedoch ohne Angabe seines oder Martens’ Namen drei Werke, dagegen mit beiden Namen am 26. Mai 1474 des Petri Alfonsi Hispani Textus summularum „per Joh. de Westphalia Paderb. cum socio suo (Gehülfe, nicht Geschäftsgenosse) Theodorico Martin.“ ausgehen ließ. Wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Werkes kehrte er wieder nach Löwen zurück, fuhr fort, die Vollendung seiner Werkstätte zu überwachen und begann bald den Druck des bereits erwähnten Werkes des Petrus de Crescentiis mit einem neuen Gusse derselben Type, deren er sich zu Aalst bedient hatte. Dieses Werk zeichnet sich nebenbei durch die besondere Eigenthümlichkeit aus, daß die Seitenzahlen nicht oben sondern unten an jeder Seite stehen (Aldus zu Venedig war der erste, der die Seiten so wie heute, oben bezifferte). Dieses Buch beendigte er am 9. Dec. 1474 und seit dieser Zeit bis 1496 ließ er ohne Unterbrechung seine Pressen zu Löwen arbeiten, denn daß er auch in Nymwegen eine Officin besessen habe, ist eine nur vereinzelte und unbegründete Angabe. Seine Thätigkeit aber als Typograph und die Schnelligkeit, mit der er arbeitete und arbeiten ließ, ist eine für jene Zeit bewunderungswürdige und selbstredend war auch die Zahl seiner Arbeiter eine sehr bedeutende. Das letztere erhellt auch aus der großen Menge von Rechnungen der Stadt Löwen über häufig wiederholte sehr beträchtliche Bierlieferungen an ihn und seine Arbeiter. So verzeichnet eine derartige Rechnung vom 1. Aug. [480] 1473 bis 30. Juli 1474 „VIII amen hoppe“ geliefert zu ermäßigtem Preise (dieser Vergünstigung erfreuten sich nur die „akademischen Bürger“) durch die Brauerei d’Orghelen an J. und seine Gehülfen (cum sociis suis); eine ame aber (Ohm) beträgt jetzt, je nach den verschiedenen deutschen Landestheilen 130–160 Liter; die Finanzrechnung 1474–75 bringt eine weit beträchtlichere Lieferung in Anrechnung, indem die Brauerei „De Nootschale“ XXIII amen und 1475–76 (cum suis commensalibus) dieselbe Quantität lieferte und eben so figurirt aus den Jahren 1476–77 die Brauerei „De Mermynne“ mit ähnlichen Rechnungen. Für die Schnelligkeit aber, mit welcher Setzer und Drucker in seiner Werkstätte wetteiferten, ihre Aufgaben zu lösen, genüge der Nachweis für das J. 1475 allein. Nachdem er den 9. Decbr. 1474 den Druck des Petrus de Crescentiis (98 Bl. Fol.) vollendet hatte, veröffentlichte er das folgende Jahr und zwar sämmtlich in Folio gedruckt, den 1. April „Milis Repertorium“ (141 Bl.), den 28. Mai „Panormitani Practica“ (20 Bl.), den 10. Juni „Aristoteles de moribus“ (4 Bl.), den 20. Septbr. „Juvenalis Satyrae“ (43 Bl.), den 21. Novbr. „Justiniani Institutiones“ (109 Bl.) und den 29. Novbr. „Virgilii Bucolica“ (33 Bl.). Außer diesen datirten Drucken fallen in dieses Jahr noch (Ledeboer, la Bibliothèque de Deventer p. 80–81) mehrere undatirte, gleichfalls in Folio, wie u. a. „Joannis de Ligniano Tr. de plural. benefic.“ (39 Bl.) und „Aegid. de Bellamere, Tr. permut. benef. eccles.“ (54 Bl.), demnach mindestens 453 Bl. in Fol. im Verlaufe eines einzigen Jahres. Freilich erklärt sich diese auch aus anderen Fällen ersichtliche große Leistungsfähigkeit der alten Druckereien in der Hauptsache durch den Umstand, daß die Arbeitszeit eine sehr ausgedehnte war. So mußten in Leipzig (Archiv f. d. Gesch. d. d. Buchh. V, 35) noch im Anfang des 18. Jahrhunderts Setzer und Drucker an allen Werktagen von früh 5 Uhr an bis zum späten Abend, ja, wie in Frankfurt a. M., bis 9 Uhr Abends arbeiten. Und so konnte es allerdings auch J. ermöglichen, daß seit dem 9. Dcbr. 1474–1496 nicht weniger als 190 Werke, von welchen 82 in Folio, aus seinen Pressen hervorgingen und unter diesen die Schriften der besten alten und neuen Autoren, während aus jenen des Theod. Martens zu Aalst, der lange und bis in die neueste Zeit mit Unrecht als der erste und fruchtbarste belgische Drucker im 15. Jahrhundert galt, wohl an 200 Werke hervorgingen, von welchen jedoch nur 29 aus den Jahren 1473–1500, die übrigen aber von 1501–1529 seine Officin verließen. Außerdem aber bestehen noch mehr als 80 Druckwerke des J., welche, zwar ohne Ort und Jahr und ohne seinen Namen, unzweifelhaft Erzeugnisse seiner Werkstätte sind.

J. war aber nicht blos Buchdrucker und in dieser Eigenschaft bediente er sich in seinen Erzeugnissen zwar verschiedener Schriftsorten, in der Mehrzahl aber einer solchen, welche er selbst als „litera vera modernata abscisa et formata“ kennzeichnet, sondern er verband auch mit seiner Kenntniß der Druckkunst, ebenso wie sein Zunftgenosse Veldener, die der praktischen Ausübung der Schriftgießerei. Und sein eigenes Bildniß, welches sich zwischen den Worten: VIVAT WESTPHALIA in einigen seiner Bücher sowie jenes des Kaisers Maximilian in „Lud. Bruni Carmen sapphicum in advent. Maxim.“ 1477 findet, bezeugen, daß er wie ein geschickter Buchdrucker und Schriftgießer so auch ein vortrefflicher Holzschneider gewesen ist. Seine Thätigkeit endigte mit dem Jahre 1496, in welchem er sich, vermuthlich Krankheits halber, von den Geschäften zurückzog, wenigstens ist bis jetzt kein Buch bekannt geworden, das nach diesem Jahre von ihm veröffentlicht worden wäre, sein Tod aber erfolgte in Löwen entweder zu Ende des J. 1501 oder im Januar 1502, denn nur das ist sicher, daß er den 30. Decbr. 1501 noch am Leben war. Seine Officin befand sich, wenigstens [481] im J. 1475 in der Ritterstraße (rue des Chevaliers), wie dies aus einem Inscripte des oben erwähnten Schöppengerichtes vom 24. Januar erhellt, „magister Johannes Aken de Westphalia, impressor, commorans Lovanii, pronunc in vico militum“. Aus den Akten eben dieses Gerichtes vom 16. Septbr. 1483 geht auch hervor, daß er verheirathet war, aber wie es scheint, nicht sehr glücklich, denn er reklamirte (Bibliophile belge I, 52–53) von einem Trödler mehrere Kleidungsstücke, die seine Frau an diesen verkauft hatte. Das Gericht verurtheilte denn auch den Mann dieselben zurückzugeben und für die bereits weiter verkauften deren Werth zu erstatten. Mit J. oder Johann von Aken darf übrigens nicht verwechselt werden ein anderer Johann von Aken, welcher gleichfalls in den Löwener Schöppenakten des J. 1487 zugleich mit dem Antwerpener Buchdrucker Gerard de Leeu erwähnt wird: es war dies ein gewisser Johann Bertolf alias de Aken, welcher in der „Korte Straat“ (brevistrata) wohnte und noch 1504 als Testamentsvollstrecker in den Akten erscheint. Außer den bereits erwähnten Büchern gehören zu den besten und prachtvollsten Druckwerken des J. das „Regimen sanitatis Salernitanum“ (1482. 4) und des „Aeneae Sylvii Epistolae ad amicos“ (1483), dann: „Joh. Geron Alphabet. div. amor.“ (c. 1483), „Joann. Junioris Scala coeli“ (1485), „Petri de Alicio Tract. de imag. mundi“</tt< (c. 1485) und ebenso verdienen sein („Seneca) libellus de vit. et mor. philosoph.“ o. O. und J., sowie sein „Cato“ (<tt<Cum animadverterem) rühmlichste Erwähnung. Ein undatirter Druck aus dem J. 1475 (Gasparini Pergam. Epistol. liber), den Th. Sincerus in seinen Nachrichten 1732, 298 dem J. zuzuschreiben geneigt ist, ging vielmehr aus der Presse der allemannischen Brüder zu Paris hervor. Obgleich fast alle seine Erzeugnisse in lateinischer Sprache, derjenigen seiner Zeit und der officiellen der Universität, erschienen, hat er doch auch einige in niederdeutscher Sprache ausgehen lassen. Außer seinen lateinisch-vlämischen Glossen nämlich und seiner Ausgabe des „Kaetspel“ (Lambinet, Orig. de l’imprim. p. 18) besitzen wir von ihm noch zwei weitere außerordentlich seltene in dieser Sprache; das erste, undatirt und nur noch in einem einzigen Exemplar auf der königl. Bibliothek zu Brüssel vorhanden, führt den Titel: „Hier leeghint ce spiegel der goeden Kerstenen menschen …“ und hat die Unterschrift: „Dit boexken is te loven gheprint | By meester Jan van Westphalen …“; das zweite, gleichfalls zur Zeit noch ein Unicum der Universität Löwen, ist mit dem Titel versehen: „Een niewe bouxken … Ome te comme tot der minne Jhesu ende Marien …“ Am Ende: „Gheprint te loeue int huys iohannis Westfalie … MCCCC en XC noeber“; wozu die Reime: „Syt Koel van synnen | Vierich van minnen | Van herten oetmoedich | Want dus wert me salich“. Wenn gleich von J. eine so große Zahl guter und schöner Bücher gedruckt worden war, so hatte er doch keine Reichthümer gesammelt. In den verschiedenen Akten und Registern der Stadt Löwen findet sich auch nicht die geringste Spur von Renten oder Liegenschaften, die auf seinen Namen eingetragen wären.

Der Impuls, welchen J. der neuen Kunst in den Niederlanden und zunächst in Löwen selbst gegeben hatte, war ein großer und nachhaltiger. In dieser Stadt eiferten ihm seine Zunftgenossen und Nachfolger Joh. Veldener 1475–78, Konrad Braem 1475–81, Konrad von Westphalen 1476, Rudolf Loeffs mit Hermann von Nassau 1484, Egidius van der Heerstraaten 1486 bis 1488 (Bd. XI, 249), Ludwig Ravescot 1488 und Theodor Martens 1498 bis 1529 mit mehr oder weniger Ausdauer nach, aber auch für die gesammten Niederlande galten die Erzeugnisse seiner Presse wegen ihrer großen Anzahl, der Wichtigkeit ihres Inhalts und der Schönheit und Zierlichkeit der mehr römischen [482] als gothischen Charakter tragenden Typen als Muster und Vorbilder und in unglaublich kurzer Zeit entstanden durch sein Beispiel angefeuert, auch in anderen Städten Belgiens und Hollands zahlreiche Buchdruckerwerkstätten und hier in verhältnißmäßig größerer Zahl als in anderen Ländern. Denn während in ganz Italien vor dem Ausgang des 15. Jahrhunderts nur 72 Städte, Deutschland mit Oesterreich, Böhmen und Ungarn, Polen, Schweden und Dänemark 53, Frankreich 34, Spanien 18, England 4 und Portugal 2 Städte der Wohlthat des Bücherdruckes sich erfreuten, besaßen allein die Niederlande deren 26. Nach Panzer aber haben diese letzteren 14 750 Ausgaben erzeugt und Hain hat diese Zahl auf 16 299 erhöht, von welchen 12–1300 allein (Bulletin du Bibliophile belge III, 56) auf Belgien und Holland entfallen und zufolge dieser Aufstellung haben die Niederlande für sich den größten Theil aller in Europa während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gedruckten Ausgaben geliefert. Und wenn nach Radel (Recherches sur les bibliothèques anciennes p. 87) im 15. Jahrhundert jede Auflage im Mittel 435 Exemplare betrug, so waren vor 1501 auf der Erde nach Panzer die Summe von 6 416 216, nach Hain aber 7 790 065 Bänden vorhanden, so daß also aus den niederländischen Werkstätten allein ungefähr 565 000 Bände hervorgegangen waren. Und zu diesem glänzenden Resultate hatte J. durch seine Kenntnisse und Geschicklichkeit, seinen Fleiß und Eifer den ersten festen Grund gelegt.

Aeltere Bibliographen haben die Vermuthung ausgesprochen, daß ein gleichzeitiger Löwenscher Drucker, Konrad Braem und J. eine Zeitlang in Gesellschaft gedruckt hätten, oder doch, weil die Typen des ersteren Aehnlichkeit mit denen des letzteren haben, Braem der Schriften aus der Officin des J. sich bedient habe. Das letztere liegt nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, aber es ist bis jetzt kein Buch aufgefunden worden, welches beider Namen zusammen trüge. K. Braem – wir vervollständigen hier die in Bd. III, 231–32 über ihn gegebene Notiz – war aus der Kölner Diözese gebürtig und seine Thätigkeit zu Löwen, wohin er zugleich mit J. und mit ihm aus Italien dahin gekommen war, fällt in die Jahre 1475–81 und wurde (Bibliophile belge I, 59), den 20. Juli 1474 bei der Facultät des kanonischen Rechtes als „Conradus Braem, Coloniensis dyoecesis, in jure canonico“ immatriculirt. Die zwei Erzeugnisse seiner Presse in Quartform, welche man bis jetzt von ihm kennt, sind von 1475 und von 1481. Das erstere enthält drei Abhandlungen: „Isagoge Porphyrii, Aristoteles Praedicam. liber und Peri Hermenia liber; das zweite ist ein und zugleich das erste in Belgien in vlämischer Sprache abgefaßtes medicinisches Werk, enthaltend Cirurgia parva Mag. Lanfranci, Anatomia Mag. Gwidonis und Avicennae Fleubothomia. Von diesem zweiten Werke ist bis jetzt nur ein einziges Exemplar auf der Universitätsbibliothek zu Löwen bekannt. Dagegen gilt ein zweiter Drucker: Konrad von Westphalen belgischen Forschern als ein Sohn des J., erscheint jedoch nur im J. 1476 als Drucker zweier Werke, deren Typen aber von denen seines Vaters gänzlich abweichen. Wie dieser wurde auch er in die Matrikel der Universität, jedoch für die medicinische Facultät eingetragen und die Inscription lautet: „Conradus de Westphalia, in medicinis, Paderbornensis, XXVII Februarii“. In den Unterschriften seiner zwei Bücher nennt er sich „Magister“. Das erste, welches er ohne Druckjahr veröffentlichte, ist eine Ausgabe des „Speculum Ecclesiae Hugonis de Sanco Victore und das andere, welches er den 1. Decbr. 1476 vollendete, ein genauer Nachdruck der „Formulae epistolares“ des Cornelius Virulus (Manneken), welche Joh. Veldener den 1. April des nämlichen Jahres zu Löwen hatte erscheinen lassen. Auf der vorletzten Seite des letzten Blattes sieht man auch das Druckerzeichen des Konrad. Ueber seine persönlichen Verhältnisse finden sich in den städtischen [483] Archiven keinerlei Aufzeichnungen, seine Officin aber befand sich „in platea sancti Quintini“.

Lambinet, Orig. de l’imprim. p. 67. 98–104. Van Iseghem, Biographie de Th. Martens. Renouvier, Hist. de la gravure p. 268–69. J. W. Holtrop, Thierry Martens d’Alost und dessen Monum. typogr. I. 67. 87. 95. 107. 584. Ed. v. Even, im Biblioph. belge I, 47 suiv. Panzer, A. t. I (Lovanium); II, 241; IV, 347–48. Hain, Rep. 152. 836. 7634. 8332. 10483. 10485. Brunet III, 600. Denis, Suppl. I, 24. 167. 191. 198. Grässe, Trésor. I, 26, 81; III. 59. 466.