Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Joch, Johann Georg“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 101–102, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Joch,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:28 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Jobst (Verweisung)
Band 14 (1881), S. 101–102 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Georg Joch in der Wikipedia
Johann Georg Joch in Wikidata
GND-Nummer 117161381
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|14|101|102|Joch, Johann Georg|Paul Tschackert|ADB:Joch, Johann Georg}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117161381}}    

Joch: Johann Georg J., ein lutherischer Theologe im Anfang des 18. Jahrhunderts, hat geschichtliche Bedeutung als Vermittler von lutherischem Confessionalismus und Spener’schem Pietismus. Geboren wurde er 1677 (nach Göbel, s. u., 1685) zu Rotenburg an der Tauber in Franken; seine theologische Vorbildung empfing er auf der Universität Jena. Hier herrschte damals Sympathie für das lebendige Christenthum des Pietismus und auch J. wurde von ihr berührt. In diesem Geiste wirkte er an der Jenenser Hochschule als theologischer Privatdocent, bis er 1709 nach Dortmund berufen wurde. Er übernahm hier das Doppelamt eines Superintendenten und Vorstehers des theologischen Gymnasiums, gerieth aber bei der Heftigkeit seines Charakters und durch Begünstigung des Pietismus in einen unerquicklichen Streit mit seinen orthodox lutherischen Amtsgenossen. J. fand nämlich in Dortmund einen schlechten Zustand des kirchlichen Lebens vor; es ist damals vorgekommen, daß ein Prediger vor einem anderen ausspie und dann auf der Kanzel seiner Gemeinde rieth, sie möchte, falls der Teufel (welcher noch dazu sein eigener naher Verwandter war) wieder auf die Kanzel käme, ihn herunter reißen und aus der Kirche stoßen. Gegenüber solchem Treiben drang J. auf persönliche Frömmigkeit und empfahl in seinen Vorlesungen am theologischen Gymnasium seinen Zuhörern das Studium pietatis im Sinne Spener’s. Allein gerade dies erregte den Haß der orthodoxen Pastoren gegen ihn; als er daher 1711 auf der Kanzel einen Reformirten selig genannt hatte, beschuldigte ihn ein lutherischer Diaconus in Dortmund ebenfalls auf der Kanzel unmißverständlich der Enthusiasterei und Heuchelei. Diese öffentliche Fehde rief einen gehässigen Schriftenwechsel hervor; obgleich J. hierbei keine Antwort schuldig blieb, so wurde ihm dadurch doch seine Stellung so verleidet, daß er 1722 nach Erfurt übersiedelte, wohin er als Scholarch, Professor der Theologie, Pastor und Senior der Geistlichkeit berufen wurde. Bereits 1726 vertauschte er aber diese Stellung mit der eines Propstes und Professors der Theologie in Wittenberg. Auch hier war er es, der mitten unter den von Wernsdorf geführten rechtgläubigen Theologen die pietistische Frage in Fluß brachte; denn in den Vordergrund seiner Lehre stellte er die Forderung des persönlichen neuen Lebens, die Wiedergeburt; aus diesem Grunde hat er (1730) die Verzweiflung an sich selbst sogar als einen dem Menschen heilsamen Vorgang bezeichnen lassen, wie aus der unter seinem Vorsitz gehaltenen Disputation de Desparatione salutari erhellt. Auch diese Lehre rief einen Streit hervor, der noch währte, als der viel Befehdete (den 1. October 1731) bereits entschlafen war. An den vielen Zänkereien, in welchen er die rabies theologorum reichlich erfuhr, war er selbst zum großen Theil schuld; denn er war ein heftiger Charakter und liebte sein Licht vor den Leuten im eigenen Interesse leuchten zu lassen, wie er z. B. nie unter zwei Stunden öffentlich gesprochen haben soll. Orthodoxe Gegner urtheilten über ihn, daß er „voll Hochmuth stecke und einen neuen Karlstadt in seinem wüsten Kopf und Bauch herumtrage“ (bei Augusti, s. u., S. 214,). – In seiner Eigenschaft als Vertreter der Wissenschaft hat er deshalb Bedeutung, weil er, dem Bekenntniß nach Lutheraner, doch unter dem Einfluß des Pietismus mild gestimmt, auch innerhalb der reformirten Kirche persönliches Christenthum hochschätzte und deshalb schon 1707 eine kleine Sammlung von Biographien reformirter Theologen herausgab. (Vitae theologorum, Francof. 1707, vgl. die praefatio „quod bonum est, etiam in hoste laudari debet“).

[102] Ueber ihn handeln Jöcher, Gelehrten-Lexikon, II; S. 1896 ff., wo auch ein Verzeichniß seiner Werke gegeben ist; J. L. W. Augusti, Der Pietismus in Jena in desselben Beiträge zur Gesch. u. Statistik der evangel. Kirche, I. 1837 S. 164 ff.; Ersch u. Gruber, Encyklopädie, 2. Sect., 20. Theil, s. v. Joch; M. Göbel, Gesch. des christl. Lebens in d. rhein.-westph. Kirche, II. 1852 S. 632 ff.