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Artikel „Jessen, Karl Friedrich Wilhelm“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 651–652, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jessen,_Carl&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 10:15 Uhr UTC)
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Jessen: Karl Friedrich Wilhelm J., Botaniker, geboren zu Schleswig am 15. September 1821, † in Berlin am 27. Mai 1889. Nachdem J. in Kiel seine philosophischen und naturwissenschaftlichen Studien beendet hatte, wurde er daselbst auf Grund seiner Inauguraldissertation: „Prasiolae generis Algarum monographia“ 1848 zum Dr. phil. promovirt und bald darauf als Docent der Botanik an der landwirthschaftlichen Akademie in Eldena angestellt, während er sich gleichzeitig an der Universität Greifswald für Botanik habilitirte. Im J. 1871 nahm J. an einer vom preußischen Ministerium für Landwirthschaft zur naturwissenschaftlichen Erforschung der Ostsee ausgerüsteten Expedition theil, worüber er in dem von der Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere herausgegebenen Berichte (Kiel, Jahrg. 1) kurz referirte. Die auf Grund jener Reise beabsichtigte Veröffentlichung einer Algenflora der Ostsee ist nicht erfolgt. Als 1877 die Akademie in Eldena aufgehoben wurde, siedelte J. nach Berlin über, wo er neben seiner schriftstellerischen Thätigkeit auch Vorlesungen an der Universität hielt. Hier ist er auch nach kurzer Krankheit im 68. Lebensjahre gestorben.

Nachdem sich J. unter dem Einflusse seines Freundes, des Algologen J. N. v. Suhr, dessen Andenken er seine Dissertation gewidmet hatte, zuerst mit dem Studium der Kryptogamen beschäftigt hatte, ging er später zur Behandlung der höheren Gewächse und zu Fragen allgemeinerer Natur über. So erschien 1855 eine von der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Akademie, deren Mitglied er 1854 wurde, preisgekrönte und in den Verhandlungen der Leopoldina abgedruckte Schrift: „Ueber die Lebensdauer der Gewächse und die Ursache verheerender Pflanzenkrankheiten“, worin er nachzuweisen versuchte, daß die Pflanzen durch lange fortgesetzte ungeschlechtliche Vermehrung schädlichen Angriffen gegenüber widerstandsunfähiger werden. In erster Linie für die Zwecke der Landwirthschaft bestimmt, gab er 1863 das Werk „Deutschlands Gräser und Getreidearten“ heraus, das sich durch eingehende Analysen der behandelten schwierigen Pflanzenfamilie auszeichnet. Auch eine 1879 in Berlin veröffentlichte „Deutsche Excursionsflora“ war praktisch angelegt und dadurch bemerkenswerth, daß in ihr die geographische Verbreitung jeder selteneren Art auf einem beigedruckten schematischen Kärtchen übersichtlich dargestellt wurde. Mit besonderem Interesse hat J. von jeher die historische Seite der Naturwissenschaften gepflegt. Einer kleineren, 1858 in Greifswald erschienenen Abhandlung über die Pflanzenwerke des Aristoteles folgte 1864 ein größeres Werk: „Botanik der Gegenwart und Vorzeit in culturhistorischer Entwicklung. Ein Beitrag zur Geschichte der abendländischen Völker“, und 1867 die von E. Meyer und ihm besorgte Ausgabe von Albertus Magnus: De vegetabilibus libri VII. In jener größeren selbständigen Arbeit hat sich der Verfasser bezüglich der Neuzeit nicht frei von subjectiven Vorurtheilen gehalten, während ihm die Behandlung der Botanik des Alterthums und Mittelalters besser gelungen ist. Seine umfassenden philologischen Kenntnisse verwerthete J. bei der Herausgabe eines von dem 1874 verstorbenen Verfasser des Thesaurus litteraturae botanicae, Dr. G. Pritzel (s. A. D. B. XXVI, 612) nachgelassenen Manuscriptes über die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Es kam 1884 [652] heraus unter dem Titel: „Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Aus allen Mundarten und Zeiten zusammengestellt von Dr. G. Pritzel und Dr. C. F. W. Jessen“. Auch für die zweite Auflage des Thesaurus von 1872 besorgte J. den systematischen Theil. In späteren Jahren wandte sich J. immer ausschließlicher philosophisch-ästhetischen Fragen zu, für die er in Vorlesungen und Vorträgen auch weitere Kreise zu interessiren suchte. Er sprach unter anderem über „natürliche Grundgesetze der bildenden Kunst“, „Aesthetik als Naturwissenschaft“, „Physiologie der Seele“ u. s. w. In einer Vorlesung über „Ursprung und Fortdauer der lebenden Wesen“ nahm er Darwin’s Lehre gegenüber eine schroff abweisende Stellung ein, die er auch vorher schon in einem 1855 veröffentlichten Buche: „Der lebenden Wesen Ursprung und Fortdauer nach Glauben und Wissen aller Zeiten“ zu begründen unternommen hatte.

Nachruf von P. Magnus in Leopoldina XXV. 1889.