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Artikel „Jeep, Justus“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 741–743, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jeep,_Justus&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 18:45 Uhr UTC)
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Jeep *): Justus Wilhelm Linde J., Philologe und Schulmann, † 1884, wurde am 25. September 1799 in Holzminden geboren, wo sein Vater Joh. Friedr. J. das Amt eines Stadtkämmerers versah; seine Mutter, Sab. Karoline geb. Seidensticker, war die Tochter eines Bergbeamten aus Klausthal. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und bezog Michaelis 1818 die Universität Göttingen, um sich dem Studium der Philologie und Theologie zu widmen. Er schloß sich hier besonders den Professoren Mitscherlich, Dissen und Karl Otfr. Müller an, an deren Seminarübungen er sich auch als Mitglied betheiligte. Zu Ostern 1821 verließ er Göttingen, und noch in demselben Jahre wurde er am Gymnasium zu Holzminden als Collaborator angestellt; 1828 wurde er Subconrector. An das Gymnasium zu Wolfenbüttel berufen, wurde er hier am 12. Juli 1833 als Conrector und zweiter Lehrer der ersten Classe eingeführt und 1838 zum Director ernannt; 1853 erhielt er den Titel eines Professors, 1866 den eines Schulraths; 1857 wurde er außerordentliches, 1861 ordentliches Mitglied der Prüfungscommission für die [742] Candidaten des höheren Schulamts. Ein Augenübel, das sich mit der Zeit herausgebildet hatte, veranlaßte ihn wiederholt um seine Entlassung zu bitten, die ihm zu Ende des Jahres 1869 ungern ertheilt wurde. Eine Augenoperation, der er sich im Sommer 1872 zu Hannover unterwarf, hatte besten Erfolg und gestattete ihm die Wiederaufnahme seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Diese waren ganz der classischen Philologie gewidmet, unter deren Gelehrten er sich einen sehr geachteten Namen errang. Sein Hauptwerk war die Ausgabe des Justin, die 1859 als Theil der Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana erschien. Außerdem veröffentlichte er eine große Anzahl von Gymnasialprogrammen und Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich besonders auf die Werke von Cicero, Curtius Rufus, Horaz u. a. bezogen. Weit wichtiger aber als die wissenschaftliche Arbeit, der eigentlich nur die knapp bemessene Mußezeit galt, war für J. die Thätigkeit an seiner Schule, der er sich mit ganzer Kraft und vollem Herzen hingab. Er besaß das Vertrauen, die Liebe und Achtung seiner Schüler in ungewöhnlichem Maaße. Was ihn aber vorzüglich befähigte, die Jugend an sich heranzuziehen, zu lehren und auf den richtigen Weg zu leiten, das war nicht so sehr die Fülle der Gelehrsamkeit, über die er gebot, und die er in schlichter, eindringlicher Weise mitzutheilen verstand, als der volle Einklang seiner Persönlichkeit, die hohen sittlichen Ernst, tiefe Religiosität, strenge Gerechtigkeit mit kindlichem Vertrauen und wohlwollender Milde in sich vereinigte. Lehre und Leben standen bei ihm in seltener Uebereinstimmung. Die angeborene Würde seines Auftretens, die ruhige Sachlichkeit und einfache Herzlichkeit seiner Rede, die stets der unmittelbare Ausdruck einer inneren festen Ueberzeugung war, verfehlten niemals ihre Wirkung. Weder in der Schulzucht noch beim Unterricht. Sie äußerte sich besonders auch in den Religionsstunden, die er in der Prima selbst ertheilte, und die für manche spätere Theologen von bestimmendem Einflusse gewesen sind. Er zeigte und weckte Vertrauen und konnte so stets mit Sicherheit auf das Ehrgefühl seiner älteren Schüler rechnen. Als er die Leitung des Wolfenbüttler Gymnasiums übernahm, wurde ihm nahe gelegt, die an der Schule bestehende Turngemeinde, die sich ohne Mitwirkung der Lehrer frei verwaltete, aufzuheben, da sie eine Pflanzstätte des Demagogenthums sei. J. aber konnte sich von der Schädlichkeit des Turnens nicht überzeugen, er sah darin vielmehr nur eine gesunde Leibesübung und in der Turngemeinde eine für den Geist der ganzen Schule nützliche Einrichtung. Wie er nichts ohne Ueberzeugung thun konnte, so blieb er jenem Winke gegenüber vollkommen taub und ermöglichte so das Fortbestehen der Turngemeinde, die jetzt unseres Wissens die älteste Schulturngemeinde Deutschlands ist. Auch sonst ging er im Leben, unbekümmert um Lob oder Tadel der Menge, ruhig und aufrecht seinen Weg; im J. 1848 gehörte er zu den Wenigen, die frei von aller Parteischablone am schlichten Rechtsstandpunkte festhielten. Selten trat er mit seinen Ansichten in die Oeffentlichkeit. Wenn es aber geschah, sprach er sich offen und furchtlos vor der Parteien Leidenschaft aus. So war es nur natürlich, daß er sich bei seinen Mitbürgern eben so sehr der größten Hochachtung erfreute, wie bei seinen alten Schülern unvergänglicher Anhänglichkeit und Dankbarkeit. Bis in sein hohes Alter hinauf bewahrte er sich die körperliche und geistige Gesundheit; erst am 15. Januar 1884 machte ein sanfter Tod seinem Leben ein plötzliches Ende. Seine Gattin, Emilie geb. Kloz, die Tochter des früh verstorbenen Bergassessors Justus Kloz aus Halle a. S., die er am 8. Juni 1829 heimgeführt hatte, war ihm schon am 25. Mai 1876 im Tode vorausgegangen. Zwei Töchter bildeten fortan die treue Stütze seines Alters. Ihn [743] überlebten sechs Söhne, die sämmtlich vom Vater lernten, in Kirchen- und Schuldienst wie im praktischen Berufe ihre Stelle in tüchtiger Weise auszufüllen.

Vgl. Koldewey, Album des Herzoglichen Gymnasiums zu Wolfenbüttel (1877), S. 19 ff. und in Schmidt’s Biogr. Jahrbuch 1884, wo auch die Schriften Jeep’s verzeichnet stehen. – Aufsatz des Unterzeichneten in der Festzeitung zur Feier des 75jähr. Bestehens d. Gymnasialturngemeinde zu Wolfenbüttel (1903) S. 3–6 und die hier verzeichnete Litteratur.

[741] *) Zu S. 643.