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Artikel „Ysenburg-Birstein, Karl Fürst zu“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 610–612, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Isenburg,_Carl_F%C3%BCrst_zu&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 22:27 Uhr UTC)
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Ysenburg: Karl Friedrich Ludwig Moritz Fürst zu Y.-Birstein, kaiserlich französischer Brigadegeneral, am 29. Juni 1766 zu Offenbach geboren und in der Kriegsschule des blinden Fabeldichters Pfeffel zu Colmar im Elsaß erzogen, trat 1784 in das österreichische Heer, in welchem er mehrere Feldzüge gegen die Türken und den von 1793 gegen die Franzosen mitmachte und zum Major aufstieg, quittirte im Jahre 1794 als Oberstlieutenant im Infanterieregimente d’Alton, vermählte sich am 16. September 1795 mit einer Gräfin zu Erbach-Erbach und folgte am 3. Februar 1803 seinem verstorbenen Vater, dem Fürsten Wolfgang Ernst II., in der Regierung des Fürstenthumes. Im nächstfolgenden Jahre trat er als Generalmajor in das preußische Heer, verließ [611] dieses aber bald wieder und warb ein Infanterieregiment für den Dienst Napoleon’s. Am 1. Novbr. 1806 erließ er zu diesem Zwecke aus Mainz einen Aufruf, welcher in Berlin, Leipzig und Magdeburg veröffentlicht wurde. (Abgedruckt in „Vertraute Briefe über den preußischen Hof, I 236. Amsterdam 1807). Derselbe wetteifert in Schamlosigkeit mit Allem, was damals von Deutschen an Kriecherei und Selbsterniedrigung geleistet wurde. Napoleon ist für den Reichsfürsten der unüberwindliche Kaiser; den preußischen Offizieren, so mit Capitulation in französische Kriegsgefangenschaft gerathen sind und die er auffordert, mit ihrem Range in das von ihm zu errichtende Regiment von vier Bataillonen zu treten, sichert er den Schutz und die väterliche Sorge des angebeteten Helden zu, der seine Krieger wie seine Kinder liebt; den Soldaten zeichnet er das Bild des französischen in glänzenden Farben und fragt: „Wer ist glücklicher als dieser!“ Napoleon’s Erscheinung hatte den Fürsten geblendet, welcher zugleich darauf zählen mochte durch jenen an Macht und Ansehen zu gewinnen. Insofern hatte Y. richtig gerechnet, denn Napoleon nahm ihn unter die Mitglieder des Rheinbundes auf und das nunmehr souveräne Fürstenthum Ysenburg umfaßte nicht nur den Birsteinschen Besitz, sondern auch den der agnatischen Häuser zu Philippseich, Büdingen, Wächtersbach und Meerholz nebst anderen Gebieten. Im übrigen aber bewies der Kaiser dem Fürsten, welchen er zum Brigadegeneral ernannt hatte, nur Geringschätzung und Verachtung. Daß der Letztere diese durchaus verdiente, beweist schon die geringe Achtung, welche er vor fremdem Eigenthume hegte. Er füllte seine Taschen mit Merkwürdigkeiten der Berliner Kunstkammer und entwendete aus derselben, trotz der Einsprache eines anwesenden Predigers, einen kostbaren Stock. Einen Schriftsteller, welcher die Königin Louise zu verunglimpfen gesucht hatte, ernannte er zum Hofrath. Sein Regiment, das Regiment Preußen, welches in Leipzig gebildet wurde und eigentlich nur aus früher preußischen Soldaten bestehen sollte, aber bei den sich Meldenden nach dem Woher? wenig fragte, war für die Bürger eine Plage, von der sie durch Beschwerden und durch Bestechung eines anderen französischen Generals im April 1807 endlich befreit wurden. Mit dem Regimente ging der Chef, dem die Stadt täglich fünfzig Thaler Tafelgeld hatte zahlen müssen. Damit geschah auch dem Willen des Kaisers Genüge, welcher schon lange darauf gedrungen hatte, daß das Regiment ausmarschiren sollte; die demselben in den Zeitungen beigelegte Bezeichnung als „Regiment Napoleon“ verbat er sich ernstlich und untersagte streng den „Mißbrauch seines Namens“. Das Regiment rückte zunächst nach Valenciennes, wo es seine Organisation beendete, wurde dann bei der Küstenbewachung am Atlantischen Ocean verwendet und 1808 theilweise nach Spanien geschickt. Dorthin ging auch der Fürst, welcher hier anfangs kein Commando führte, dann aber eine deutsche Brigade, aus einem nassauischen und einem badischen Regimente gebildet, befehligte. Das Podagra bewog ihn 1809 den Kriegsschauplatz zu verlassen, aber erst am 8. December 1813 verzichtete er auf den französischen Heeresdienst. Sein Fürstenthum war inzwischen sequestrirt und einem Generalgouvernement zugetheilt, dessen Sitz in Frankfurt am Main war; der Wiener Congreß entkleidete den Beherrscher desselben seiner Souveränetät wieder und überwies das Ländchen dem Kaiser von Oesterreich, welcher es dem Großherzoge von Hessen abtrat; ein am 29. Juni 1816 zwischen diesem und dem Kurfürsten von Hessen geschlossener Vertrag, auf Grund dessen die Gebiete getheilt wurden, machte den Fürsten zum Standesherrn. Er starb am 21. März 1820. Das Régiment de Prusse, später Régiment étranger Nr. 4 genannt, wurde theils in Spanien, hier jedoch seiner Unzuverlässigkeit wegen meist als Besatzungstruppe, [612] theils in den Niederlanden verwendet, wo es im Jahre 1809 die Insel Walcheren gegen die Engländer vertheidigen half; das in Spanien befindliche Bataillon löste sich im April 1812 durch Krankheit und Desertion vollständig auf; die Reste der holländischen Bataillone wurden dem am 19. December 1813 zu Arras errichteten Pionierregimente einverleibt.

G. Simon, Die Geschichte des reichsständischen Hauses Ysenburg und Büdingen II, 344. Frankfurt am Main 1865 (dürftig). – Dr. G. Schmeisser, Le Régiment de Prusse, Landsberg a. W. 1885, nennt für einen jeden der hier wiedergegebenen Vorwürfe, die er dem Verhalten des Fürsten Y. macht, die Beweisstelle.