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Artikel „Huber, Johannes“ von Moriz Carrière in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 235–236, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Huber,_Johann_Nepomuk&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 10:46 Uhr UTC)
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Huber: Johannes H., geb. zu München am 18. Aug. 1830, arbeitete sich aus beschränkten Verhältnissen zur Freiheit des Geistes und der Lebensstellung empor. Zur Theologie bestimmt, absolvirte er dieselbe an der Universität seiner Vaterstadt, aber ohne die Weihen zu nehmen und habilitirte sich 1855 als Privatdocent der Philosophie. Zufolge seiner Rednergabe, wie seiner schriftstellerischen Leistungen, ward er 1859 zum Extraordinarius und 1864 zum Ordinarius befördert. Schon als Student hatte er mit Felix Dahn einen Broschürenstreit um die Lehre Prantls. Er dachte damals noch an eine specifisch katholische Wissenschaft; dann berührte auch ihn der frischere Hauch, der durch die von König Maximilian II. Berufenen an die Universität nach München kam. Zweierlei aber hielt er in allen seinen Arbeiten fest: die Rücksicht auf die geistige und leibliche Noth der großen Mehrzahl der Menschen und die Versöhnung der sittlich-religiösen Ideen des Evangeliums mit den Ergebnissen der Naturwissenschaft und der geschichtlichen Kritik. In Bezug auf das erstere ist neben manchen Aufsätzen besonders seine Schrift: „Der Proletarier“ (1865) bemerkenswerth, in welcher er manche Berührungspunkte mit Lassalle hatte, aber einen großen Nachdruck auf die Verwirklichung der christlichen Idee der sich ergänzenden Gemeinschaft der Menschheit legte und Selbsthülfe der Arbeiter mit Staatshülfe verbunden wissen wollte. Auf dem Gebiet philosophischer Wissenschaft wählte er nach seinen Dissertationen über die Beweise vom Dasein Gottes bei Cartesius und über die Fassung des Gottesbegriffs bei Plato sich zunächst den Scotus Erigena zum Gegenstand einer umfassenden Darstellung. Er fühlte sich davon angezogen und verstand es zu entwickeln, wie dieser den Gedanken der Einheit alles Lebens mit der freien Individualität der Menschenseelen zu verbinden, den Ausgang aller Dinge von einem gemeinsamen Grunde und ihren Wiedereingang in denselben durch Erkenntniß und Liebe zu schildern weiß und das Göttliche nicht blos als Substanz oder als blinden Willen, sondern auch als Intelligenz oder Geist auffaßt. Immanenz und Transcendenz desselben suchte auch H. gleichmäßig festzuhalten. Als Einleitung in das Buch über Erigena (1861) hatte er bereits in dem J. 1859 die „Philosophie der Kirchenväter“ erscheinen lassen, in welcher er nachwies, wie dieselben auf mannichfaltige und eigenthümliche Weise die Bibel mit den Gedanken der alten Philosophen, wie mit ihren eigenen in Einklang zu bringen trachteten, ohne an jene Formeln gebunden zu sein, welche die Kirche zum Theil aus ihren Werken als alleinseligmachende Dogmen hinstellte. Dafür kam das Buch auf den Index. H. verschmähte es, sich zu unterwerfen und war von da an ein rastlos wirksamer Gegner der Römlinge und des Jesuitismus, dessen Wesen und Treiben nach Licht und Schattenseiten er 1873 in einem größeren Werke, „Der Jesuitenorden nach seiner Verfassung und Doctrin, Wirksamkeit und Geschichte“, ausführlich schilderte. Sein agitatorischer Eifer, der sich in einzelnen Broschüren, wie namentlich in Artikeln der Augsburger Allgemeinen Zeitung, bekundete, wandte sich vornehmlich auch gegen die päpstliche Unfehlbarkeit, von deren Dogmatisirung durch ein Concil er eine nicht minder große Schädigung des religiösen Lebens befürchtete, wie von dem um sich greifenden Materialismus. Er trat in Verbindung mit Döllinger und hatte Antheil an der Veröffentlichung des Janus (1869), wie an den berühmten Concilsbriefen von Quirinus (1870) und war ein ebenso beredter, als unermüdlicher Führer in der altkatholischen Bewegung, von der er hoffte, daß sie zu einer neuen, tieferen und freieren Fassung der christlichen Lehre führen werde. Wenn ihm hier manch schmerzliche Enttäuschung ward, so sah er seine patriotischen Jugendwünsche durch die Gründung des einigen Deutschen Reiches erfüllt, wovon namentlich seine Schrift über das Verhältniß der deutschen Philosophie zur nationalen Erhebung (1871) Zeugniß gibt. Die Probleme von der Freiheit [236] des Willens und von der Unsterblichkeit der Seele hatte er früher schon in einzelnen Abhandlungen bearbeitet. Dann war es der Gedanke einer aufsteigenden Entwickelung des Lebens in der Natur, den er in seinem Buch über den Darwinismus festzuhalten strebte, um gerade von da aus auf einen idealen Weltplan hinzuweisen. Wie dem Ultramontanismus, so trat er gleichzeitig den antichristlichen Schriften von Strauß und Hartmann in geistvollen Broschüren entgegen, hier wie dort das ursprünglich wahre und berechtigte anerkennend, aber es auf seine Weise entwickelnd. Auf psychologisches Gebiet führten die Abhandlungen über den Pessimismus und über das Gedächtniß. Nachdem er auf diese Weise eine Reihe wissenschaftlicher Zeitfragen in einer Reihe kleinerer Schriften behandelt und frühere Aufsätze in mehreren Bänden gesammelt hatte, wollte er an die systematische Zusammenfassung und Darstellung seines ganzen Gedankenkreises Hand anlegen, als ein vieljähriges Leiden am 19. März 1879 sein edles Herz brach. In seiner letzten Arbeit über moderne Magie suchte er sich mit den Spiritisten auseinanderzusetzen. Sie erschien in der Zeitschrift „Nord und Süd“, Juni 1879, wo auch sein Bildniß mit einer eingehenden Würdigung seiner Thätigkeit vom Unterzeichneten begleitet ist.