ADB:Hoffmann, Friedrich (Geologe)

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Artikel „Hoffmann, Friedrich“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 588–590, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffmann,_Friedrich_(Geologe)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 15:58 Uhr UTC)
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Hoffmann: Friedrich H., ein sehr geschätzter Geologe, war am 6. Juni 1797 auf einer Mühle der Pinnau bei Melau in Ostpreußen geboren und kam mit seinen Eltern erst nach Königsberg und 1809 nach Berlin, wo sein Vater 1810 als Director des statistischen Büreaus angestellt wurde. In Berlin besuchte er das Gymnasium, ohne aber glänzende Fortschritte zu machen, weil H. einem bereits eingewurzelten Hang zum Sammeln von Thieren und Pflanzen allzu viel Zeit widmete. Die Drangsale des französischen Krieges riefen den erst 16jährigen Jüngling vom Studium ab und 1813 in die Reihen der freiwilligen Jäger, bei welchen sein älterer Bruder bereits eingetreten war. So kam H. über Dresden, Leipzig, Frankfurt, Freiburg, Brienne mit dem Heere der Verbündeten nach Paris, wo er aber behufs Fortsetzung seiner Studien wieder aus dem Heere entlassen wurde. Nach Berlin zurückgekehrt, erwarb sich H. durch Privatstudien das Zeugniß der Reife zum Uebertritt auf eine Universität und ließ sich im Herbst 1814 in Berlin in die medicinische Facultät aufnehmen. Doch schon 1815 rief ihn der erneuerte Krieg wieder zu den Waffen, ohne daß er jedoch auf den Kriegsschauplatz selbst gelangte, vielmehr rasch wieder zu seinen Studien zurückkehren konnte, die er bis 1818 in Berlin und 1819 in Göttingen fortsetzte. In Göttingen nun waren es Hausmann’s Vorträge, welche Hoffmann’s ohnehin der Naturbeobachtung zugewendeten Geist vorzugsweise zur Mineralogie und Geologie hinzogen und über seine zukünftige Lebensaufgabe entschieden. Nach Berlin zurückgekehrt, widmete er sich nun unter Weiß fast ausschließlich dem Studium der Mineralogie und begann seine ersten geologischen Ausflüge im Sommer 1820 in die Harzgegend. Hierbei erkannte sein scharfblickender Geist sogleich das Wesen und die Bedeutung des Parallelismus der Streichungslinien der so mannichfach wechselnden Gebirgsschichten und es entstand sofort in ihm der Entschluß, zunächst die geographische Verbreitung dieser jüngeren Schichtenreihen in NW.Deutschland und ihren Zusammenhang mit den gleichen Gebilden in England zum Gegenstand seiner Forschungen zu machen. In diesem Sinne erschien auch seine erste Publication 1821: „Versuch einer systematischen Anordnung der Gebirgsarten nach ihrem natürlichen Verhältniß unter einander“ in Oken’s Isis, Heft VIII. 710. Die folgenden Jahre widmete er zu dem angedeuteten Zwecke der geologischen Durchforschung der Weser- und Harzgegend und dehnte seine Untersuchungen bis nach Thüringen, das Riegelsdorfer Kupferschiefergebirge, die Umgegend des Meißners und selbst bis Helgoland aus. Durch diese Arbeiten, deren Ergebnisse er in der Schrift: „Beiträge zur geognostischen Kenntniß von Nord-Deutschland“, Berlin 1823, zusammenfaßte, wurde die Aufmerksamkeit L. v. Buch’s und Al. v. Humboldt’s auf den jungen Gelehrten gerichtet, der wol in Folge ihrer Empfehlung sich 1823 in [589] Halle als Privatdocent mit der Dissertation: „De vallium in Germania boreali principalium directione memorabili congrua“, habilitiren konnte und bald (1824) daselbst als außerordentlicher Professor angestellt wurde. Trotz seiner Lehrthätigkeit setzte H. die begonnene geologische Durchforschung in den Jahren 1824–27 fort und dehnte sie nach und nach über das ganze nordwestliche Deutschland (über 650 Quadratmeilen) aus. Die hierbei entworfenen Karten dienten nur als Grundlage seines ersten großen Werkes: „Uebersicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse vom nordwestlichen Deutschland“ Leipzig 1830. Gleichzeitig erschien ein dazu gehöriger Atlas, Berlin, zu dessen Ausarbeitung ihm von dem Ministerium die Jahre 1827–29 zur Verfügung gestellt worden waren. Diese Schilderung gilt als Muster einer umfassenden lichtvollen und die geognostische Wissenschaft fördernden Darstellung, welche das System der Werner’schen Flötzschichten wesentlich vervollständigte und erweiterte. Es sollte noch ein weiterer Band folgen. Aber H. sehnte sich nach weitergreifenden Forschungen. Dazu bot der damals erst junge Sieg des Vulkanismus in der Untersuchung der vulkanischen Erscheinungen die passendste Gelegenheit, indem H. die Mittel zu einer auf 2 Jahre projectirten Reise nach Italien, namentlich Sicilien, vom Ministerium bewilligt wurden. H. trat Ende October 1829 seine Reise an, von welcher er erst im März 1833 zurückkehrte. Mit reichlichen Empfehlungen versehen, ging H. über Wien, wo er ein Vierteljahr zur Orientirung verweilte, dann über Triest, Venedig, Florenz, von wo er die Insel Elba besuchte, dann über Siena nach Rom, überall beobachtend und forschend. In Rom hatte er das seltene Glück, mit dem berühmten Schweizer Geologen Escher v. d. Linth zufällig zusammenzutreffen, der nun auf einer weiten Strecke hin das gleiche Ziel verfolgend, sein treuer Freund und Berather wurde. Von Rom aus setzte H. seine Forschungen in dem Albanergebirge und in den Abruzzen fort, gelangte dann nach Neapel, wo er nur kurze Zeit dem Studium der vulkanischen Erscheinungen am Vesuv widmete, um nun möglichst rasch den Aetna zu erreichen, den er mehrmals bestieg. Zehn Monate verwendete er dann meistentheils in Gesellschaft von Escher v. d. Linth und Dr. Philippi auf die geognostische Aufnahme der Insel Sicilien in ihrem ganzen Umfange. Während dieser Zeit hatte H. das selten einem Forscher beschiedene Glück, einen Vulkanausbruch mitten im Meere (Juli 1831) zu sehen, den er mit einem leichten Fahrzeuge aus nächster Nähe auf das genaueste untersuchen konnte. Im Winter 1832 wurde diese vulkanische Insel wieder von den Meereswogen zerstört. Der erste wissenschaftliche Bericht über diese höchst merkwürdige Erscheinung wurde von H. in der Schrift: „Intorno al nuovo Vulcano presso la città di Sciacca“, Palermo 1831, geliefert. H. beendigte seine geologischen Aufnahmen im Süden mit dem Besuch der liparischen Inseln und kehrte im Februar 1832 nach Neapel zurück, gerade rechtzeitig, um auch hier, von außergewöhnlichem Glücke begünstigt, einen mäßigen, aber aus der Nähe fast gefahrlos zu beobachtenden Ausbruch des Vesuvs studiren zu können. Endlich mußte er eingedenk seiner Verpflichtungen als akademischer Lehrer mit schwerem Herzen von Neapel im August 1832 Abschied nehmen, brachte aber den ganzen Herbst noch mit geologischen Forschungen bei Livorno, in Norditalien namentlich in den Marmorbrüchen von Carrara zu, sodaß er erst um Neujahr 1833 über den St. Gotthard kam und übermüdet und körperlich schon vor und während seiner Reise leidend vollends durch die Reisestrapazen stark angegriffen, die erste Rast bei seinem schon vorher zurückgekehrten Reisegefährten Escher v. d. Linth in Zürich hielt. Scheinbar neu gekräftigt, erreichte H. im März 1833 Berlin und trieb nun vor allen Dingen seine Versetzung von Halle nach Berlin, die noch 1833 erfolgte, sodaß er im Wintersemester 1833/34 zum ersten Male an der Universität [590] Berlin Vorlesungen halten konnte, welche sich durch eine seltene Klarheit und Anschaulichkeit, durch innige Wärme und natürliche Beredsamkeit auszeichneten und sich einer ungewöhnlichen Theilnahme zu erfreuen hatten. Vorerst widmete er auch alle seine Kräfte den Vorbereitungen für diese seine Vorlesungen über physikalische Geographie, Hydrographie, Geognosie, Versteinungskunde, Vulkane und Erdbeben, die Ausarbeitungen des reichen während seiner italienischen Reise gesammelten Materials für spätere Zeiten zurücklegend, was ihm um so mehr zulässig erschien, als er bereits eine Anzahl von Einzelschilderungen schon während der Reise selbst verfaßt und publicirt hatte, wie z. B.: „Ueber die Beschaffenheit des römischen Bodens nebst einigen allgemeinen Bemerkungen über den geognostischen Charakter Italiens“ (Poggendorff’s Annalen, XVI. 1); „Ueber das Albanergebirge und den Aetna“ (Karsten’s Arch. N. R. III. 361); „Ueber den Serapis-Tempel bei Pozzuoli“ (das. III. 373); „Ueber die tertiären Bildungen an der Küste Siciliens etc.“ (das. III. 383); „Ueber das Kap Passaro und das Val di Noto“ (das. III. 397); „Verhältniß der in den letzten 40 Jahren zu Palermo beobachteten Erdstöße etc.“ (Poggendorff’s Ann., XXIV. 49); „Ueber das im mittelländischen Meere entstandene vulkanische Eiland“ (das. XXIV. 65); „Ueber die Knochen führende Grotte von Mardolce bei Palermo“ (Karsten’s Arch., N. R. IV. 253); „Ueber die geognostischen Verhältnisse der liparischen Inseln“ (Poggendorff’s Ann., XXVI. 1); „Ueber die Gebirgsverhältnisse der Grafschaft Massa Carrara“ (Karsten’s Arch., N. R. VI. 229); „Mémoire sur les terrains vulcaniques de Naples, de la Sicile, des îles de Lipari“ (Bull. d. l. soc. geol. d. France, III. 170); „Observations sur les communications de M. Prevost relatives à la Sicile“ (das. III. 175); „Observations sur le marbre de Carrare et quelques fossiles de la Spezia“ (das. III. 179); „Observations faites avec Escher sur les porphyres au bord des Alpes dans le canton de Tessin“ (das. IV. 103 u. 326). Vielfach taucht in diesen Schriften die Theorie der Metamorphose ganzer Gebirgsschichten auf, und vielfach hat man sich später auf diese durch namentlich in den Apeninnen nachgewiesene Umwandlung von Sedimentgebilden in krystallinische Gesteine berufen, um diese Theorie zu stützen. Leider war es dem ausgezeichneten Lehrer nur vier Semester lang vergönnt, seine Vorlesungen zu halten. Sein früherer leidender Zustand stellte sich in erneuerter Heftigkeit ein und machte einem hoffnungsreichen Leben durch den Tod am 6. Febr. 1836 ein rasches Ende, für die Wissenschaft ein harter Verlust, um so mehr, da viele seiner vorbereiteten Arbeiten nicht zum Abschluß gelangt waren. Von Freundeshand besorgt, erschienen nach seinem Tode seine hinterlassenen Werke in zwei Bänden (Berlin 1837–38), deren erster die physikalische Geographie, der zweite die Geschichte der Geognosie und die Schilderung der vulkanischen Erscheinungen behandelt. Zahlreiche kleinere Abhandlungen von H. finden sich in Karsten’s Archiv, Gilbert’s und Poggendorff’s Annalen, in Leonhard’s Zeitschrift (1825, II. 490, 1826, I. 539), in Berghaus’ Annalen der Erdkunde (1830, I. 48). Eine für geognostische Excursionen bestimmte Karte des Landes zwischen Magdeburg und Kassel war noch vor seinem Tode, 1835, erschienen. Ein Fragment, „Beobachtungen auf einer Reise durch Italien und Sicilien“ gelangte nachträglich in Karsten’s Archiv, N. R. XIII. 1839 (auch selbständig) zur Publication.

Poggendorff, Biogr. Lex. Hoffmann’s Biographie im 1. Bd. der hinterl. Werke.