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Artikel „Hirschvogel“ von Rudolf Bergau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 474–477, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirschvogel&oldid=- (Version vom 30. März 2024, 00:12 Uhr UTC)
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Hirschvogel, ursprünglich Hirsfogel, ist der Name einer Nürnberger Künstlerfamilie, welche im 15. und 16. Jahrhunderte durch drei Generationen Männer von hervorragendem Können aufzuweisen hat.

Augustin H., Sohn des älteren Veit H., Glasmaler, Töpfer, Steinschneider, Zeichner und Radirer, Geometer, Ingenieur, Schriftsteller etc., wurde um das Jahr 1488 (nach andern Angaben 1503) zu Nürnberg geboren, widmete sich der Glasmalerei und hat darin, nach dem Urtheil seiner Zeitgenossen, seinen Vater übertroffen. Von ihm sind z. B., wie sich aus den Baurechnungen ergibt, die im Jahre 1521 fertig gewordenen, noch sehr wohl erhaltenen, nach [475] Zeichnungen von A. Dürer ausgeführten Glasgemälde in den elf Fenstern der Im-Hof’schen Kirchhof-Kapelle St. Rochus zu Nürnberg. Er machte neue Erfindungen in der Technik der Malerei auf Glas und im Einbrennen der Farben. Zudem war er sehr geschickt im Emailliren, Zeichnen und Kupferstechen, war auch erfahren in der Musik, also ein höchst vielseitig begabter Künstler. Aber er hatte auch einen sehr unruhigen Geist. Keine dieser verschiedenartigen Thätigkeiten befriedigte ihn für die Dauer; er suchte deren immer wieder neue. Die Hafner Hans Nickel und Oswald Reinardt, welche im Jahre 1528 in Venedig gewesen und dort die Anfertigung der bekannten Venetianischen Gläser gelernt hatten, trieben dieses Geschäft bei ihrer Rückkehr auch in Nürnberg. Im December 1531 trat Reinardt aus seinen Verbindungen mit Nickel und Augustin H., der von Nickel diese Arbeit erlernte, trat an seine Stelle. Aber schon im Mai 1532 theilten auch H. und Nickel sich in die Arbeit bei diesem Geschäfte. Außer Gläsern machte H. aber auch „welsche Oefen, Krüge und Bilder". Welcher Art dieselben waren, wissen wir nicht. Die Kunstsammler schreiben dem H. gewöhnlich, jedoch ohne andern Grund als die (wahrscheinlich nicht alte) Tradition, eine bestimmte Art von bunt glasirten Thonwaaren zu, deren Flächen durch aufgelegte Wulste in Felder getheilt und mit Reliefs geschmückt sind. In neuerer Zeit hat man vermuthet, daß H. diejenigen deutschen Majoliken gefertigt habe, welche italienischen Arbeiten ähnlicher Art nachgebildet sind und vorzugsweise in Nürnberg und dessen Umgebung gefunden wurden. Die Hafner Nürnbergs erhoben 1530 bei dem Rathe Beschwerde über H. wegen Beeinträchtigung ihres Gewerbes. Der Rath jedoch, welcher sich für die Arbeiten Hirschvogel’s zu interessiren schien, schützte ihn und verbot den Hafnern, ihm Hindernisse in den Weg zu legen. Doch blieb H. auch bei diesem Gewerbe nicht lange. Er wurde erst Steinschneider, schnitt Wappen, leistete auch in dieser Kunst Ausgezeichnetes und unterrichtete im Jahre 1533 darin schon einen Goldschmiedegesellen, ging dann aber bald zum Studium der Mathematik über und schrieb u. A. ein Buch über Geometrie und Perspective, welches er in zwei kleinen Quartbänden 1543 zu Nürnberg erscheinen ließ. Um das Jahr 1540 ging wie H., wie es scheint auf Veranlassung des Königs Ferdinand I., nach Wien, machte sich daselbst ansäßig und blieb dort, einen kurzen Besuch in seiner Vaterstadt und einige Reisen zum Zweck der Aufnahme von Karten abgerechnet, bis zu seinem Tode. In Wien beschäftigte er sich vorzugsweise mit Kosmographie und Astronomie. Zunächst arbeitete er für den König. Er bereiste die österreichischen Länder, auch Ungarn und Siebenbürgen und stellte dieselben in Karten dar. Zuerst 1542 vollendete er seine Karte von Oesterreich ob der Enns, welche jedoch erst 1583 zu Antwerpen gestochen wurde. Im folgenden Jahre fertigte er eine Karte des Fürstenthums Kärnten, dann 1549 eine Karte von Moskowia, später noch Karten von Ungarn, Slavonien, Kroatien, Istrien, Bosnien etc. Am berühmtesten aber ist sein auf Messungen beruhender Plan der Stadt Wien vom Jahre 1547, welchen er im Auftrage von Bürgermeister und Rath der Stadt anfertigte. Derselbe hatte den Zweck als Grundlage für die Anlage einer neuen Befestigung der Stadt zu dienen. Diesen Plan hat H. 1552 auf sechs Platten in Kupfer radirt. H. wurde auch bei Anlage der Befestigung selbst zu Rathe gezogen. Die Elend-Bastei z. B. wurde nach seinem Modell gebaut. Die Art und Weise, wie H. den Plan angefertigt, hat er in einem eigenhändig geschriebenen und dem Bürgermeister dedicirten Manuscripte (im Magistrats-Archiv zu Wien noch erhalten) eingehend dargestellt. H. mußte dann 1547 seinen Plan zuerst nach Prag zu König Ferdinand, dann nach Augsburg zu Kaiser Karl V. bringen, zur Einsicht vorlegen und erläutern. Im J. 1549 fertigte H. dann auch noch einen Tisch, von ihm „Rundtafel“ genannt, mit dem Grundrisse der Stadt Wien, [476] welchen er der Stadt geschenkt hat. Auch über dieses Werk verfaßte er ein Buch, in welchem er zum Schlusse auch eine Anleitung zum Höhenmessen gibt (dieses Werk hat Camesina im J. 1863 zu Wien in Facsimile publicirt). Auch sonst arbeitete H. noch im Auftrage des Raths. So fertigte er 1546 Stempel zum Prägen von Goldgulden, schrieb „Fleischtafeln“, malte Wappen auf Glas und Papier etc.

Neben den genannten Arbeiten beschäftigte H. sich viel mit Radiren auf Kupfer. Die Zahl der Blätter, welche er gezeichnet, geätzt, und selbst gedruckt und verlegt hat, beläuft sich auf etwa 170, von welchen mehrere die Jahreszahlen 1543 bis 51 tragen. Er stellte Scenen aus dem alten und neuen Testamente, aus der Mythologie des Alterthums, aus der Profangeschichte, Thier- und Jagdstücke, Portraits, Architekturtheile, Gefäße verschiedener Art, Dolchscheiden, Dreifüße, Ornamente aller Art, Vignetten, Kartouchen, Städteansichten, Landschaften u. A. dar. Diese Kupferstiche sind unter einander sehr ungleich, sind zum Theil recht gut, zum Theil sehr mittelmäßig, nachlässig, ja ungeschickt gezeichnet. Zu den besten derselben gehören die Landschaften, 17 Blatt aus den Jahren 1545 und 46. In der Art derselben schließt er sich weniger an die Nürnberger Meister als an Altdorfer in Regensburg an. Charakteristisch für dieselben sind alte knorrige Bäume, hohe Berge mit Festungen, Flüsse etc. Es kam H. nicht auf sorgfältige Ausführung, sondern auf malerische Wirkung an und diese wußte er mit den einfachsten Mitteln zu erreichen. Verzeichniß seiner Kupferstiche bei Bartsch, Peintre-Graveur, Bd. IX, S. 170 ff. und Nachträge dazu bei Passavant, Peintre-Graveur, Bd. III, S. 258. Schließlich schrieb H. auch noch ein religiös-poetisches Werk „Concordantz des alten und neuen Testaments“, welches, von Egidius Adler in Wien gedruckt, im J. 1550 erschien. Es besteht aus 18 Quartblättern und ist mit 120 Radirungen, Scenen aus dem alten und neuen Testamente darstellend, aus den Jahren 1547 und 49 geschmückt. H. starb zu Wien im Februar 1553, hinterließ eine Wittwe Namens Eva und mehrere Kinder, deren ältestes Veit hieß. H. hat sein eigenes Portrait im J. 1548 in Kupfer radirt. Auch gibt es eine gegossene Medaille mit seinem Portrait im 39. Lebensjahre, auf deren gravirter Rückseite ein Globus und der Wahlspruch des Meisters dargestellt sind.

Sebald H., Sohn des jüngeren Veit, geboren zu Nürnberg 1517, war Glaser und Glasmaler und soll in seiner Kunst sehr geschickt gewesen sein. Er wurde nach dem Tode seines Vaters Stadtglaser und starb am 21. Mai 1589.

Veit H., zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Sohne, der ältere genannt, Glaser und Glasmaler, ist 1461 zu Nürnberg geboren. Sein Vater hieß Heinz, seine Mutter Barbara. Er lernte, gleich seinem Bruder Hans, das Glaserhandwerk und war darin so fleißig und geschickt, daß er sich unter seinen Gewerksgenossen bald hervor that. Im J. 1485 verheirathete er sich mit Barbara, Tochter des Nestlers Hans Schatzer und erhielt zur Begründung seines Haushaltes, außer seinem Heirathsgut, zugleich ein Erbtheil von 140 Gulden. Er kaufte 1487 ein Haus in der Schustergasse und 1492, nachdem er sein Vermögen durch erfolgreiches Betreiben seines Gewerbes vermehrt hatte, um 380 Gulden ein anderes Haus (innere Laufergasse Nr. 5). In dem letzteren lebte und arbeitete er während der folgenden Zeit seines Lebens. Im J. 1495 wurde er zum Stadtglaser ernannt. Neben der Glaserei betrieb er auch die Glasmalerei, freilich nicht als Künstler in unserm Sinne des Worts, sondern als Handwerker, denn er arbeitete wohl stets nach Entwürfen anderer Meister. Doch hat er sein Handwerk künstlerisch veredelt. Seine Arbeiten erfreuten sich zu seinen Lebzeiten großen Ansehens und haben ihm einen dauernden Nachruhm eingetragen. Unter denselben hebt Neudörfer besonders vier große Fenster im Chor der Sebalduskirche [477] zu Nürnberg hervor, nämlich das bischöflich Bambergische Fenster vom Jahre 1501, das Maximilians-Fenster vom Jahre 1514, das Markgrafen-Fenster vom Jahre 1515 und das Pfintzing’sche Fenster. Alle diese Fenster sind vortrefflich, was Kraft und Harmonie der Farben und Correctheit der Zeichnung betrifft, sind sonst unter sich aber sehr verschiedenartig, was sich dadurch erklärt, daß der Glasmaler nach Entwürfen verschiedener Meister gearbeitet hat. Außerdem sind in Nürnberg und auch an anderen Orten ohne Zweifel noch mancherlei Arbeiten von der Hand des Veit H. erhalten. Doch können wir bis jetzt sie als solche nicht erkennen, da die charakteristischen Eigenschaften der Werke dieses Meisters nicht bekannt und weitere schriftliche Nachrichten darüber nicht erhalten sind. Die Glasgemälde jener Zeit, meist große, monumental behandelte Kirchenfenster, sind bekanntlich nicht eigentliche Gemälde im Sinne der Cabinetmalerei späterer Jahrhunderte, sondern es sind Mosaiken aus farbigen Glasstücken verschiedenster Form, welche den Contouren des darzustellenden Bildes entsprechend ausgeschnitten und durch schmale Bleistreifen mit einander verbunden sind. Diese Verbleiung bildet im Allgemeinen die Hauptcontouren der Zeichnung, während die feinere Ausbildung derselben, besonders auch die Schatten, mittels Linien aus aufgetragenem und eingebranntem sogenanntem Schwarzloth hergestellt sind. Die Zahl der verwendeten farbigen Gläser war zu Hirschvogel’s Zeit eine sehr beschränkte: roth, blau, goldgelb, grün, violett und Fleischfarbe. Veit H. starb zu Nürnberg, 64 Jahre alt, am Christabend des Jahres 1525 und wurde auf dem Johanniskirchhofe begraben, woselbst er sich schon im Jahre 1520 ein Familiengrab hatte bereiten lassen. Sein Grabstein ist mit einem kleinen, ganz einfachen Epitaph aus Bronce versehen, welches die Inschrift

feyt Hirschvogell
Glasser 1520

und sein Wappen trägt. Es gibt ein Portrait von Veit H. in einem kleinen schlechten Kupferstich, welches aber in Betreff seiner Aehnlichkeit wenig Vertrauen einflößt. Veit H. hatte fünf Söhne, von denen Hans und Martin frühzeitig starben, Stephan ins Ausland ging, Veit und Augustin zu tüchtigen Glasmalern sich ausbildeten. – Seine Wittwe heirathete später den Goldschmied Mercurius Heerdegen.

Veit H., der jüngere, ältester Sohn seines gleichnamigen Vaters, wurde um das Jahr 1487 zu Nürnberg geboren und erlernte das Geschäft seines Vaters in dessen Werkstatt, d. h. er wurde Glaser und Glasmaler. Nach dem Zeugnisse seines Zeitgenossen Neudörfer, war er nicht weniger geschickt als sein Vater. Er wird daher auch wohl einen wesentlichen Theil an der großen Arbeit seines Vaters gemacht haben. Was er von eigenen Werken selbständig ausgeführt hat, ist nicht bekannt. Nach Neudörfer war er auch geübt im Emailliren, Zeichnen und Kupferstechen. Nach dem Tode seines Vaters im J. 1526 wurde er Stadtglaser. Veit H. starb im J. 1553 und wurde in dem Grabe seines Vaters auf dem Johanniskirchhofe bestattet.

Neudörfers Nachrichten, herausgegeben von Lochner. Doppelmayrs Nachricht von Nürnbergischen Künstlern. Baader, Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs. Josef Bergmann, Medaillen auf berühmte Männer. Bergau in der Zeitschrift für bildende Kunst.