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Artikel „Hesse, Adolf Friedrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 303–304, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hesse,_Adolf_Friedrich&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:52 Uhr UTC)
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Hesse: Adolf Friedrich H., einer der bedeutendsten Orgelspieler der Neuzeit und ein fruchtbarer Componist, war am 30. August 1809 zu Breslau geboren. Sein Vater, ein geschickter Tischler, trieb die Orgelbaukunst nebenbei aus Liebhaberei; dadurch hatte der Sohn schon früh Gelegenheit, seinen erwachenden Tonsinn auf dem Instrumente zu üben, auf dem er einstmals Meister werden sollte. Der Vater, in vermögenden Verhältnissen, versäumte in der musikalischen Erziehung nichts; er verschaffte dem Sohne die besten Lehrer in Breslau: den bekannten Theoretiker F. W. Berner (s. Bd. II. S. 413) und den trefflichen Orgel- und Clavierspieler Ernst Köhler. Bereits im J. 1818 ließ sich der Sohn, indem er den Vater auf einer Reise durch Sachsen begleitete, als Orgel- und Clavierspieler hören. Auch als Componist trat er bald öffentlich auf; besonders durch eine Ouverture in D-moll und eine Sinfonie in Es-dur (letztere auch gedruckt) wußte er bereits 1827 und 1828 die Blicke der Kunstwelt auf sich zu lenken. 1827 erhielt er den zweiten Organistenposten an St. Elisabeth, nachdem sein Lehrer Berner am 9. Mai gestorben und Köhler an dessen Stelle Oberorganist geworden war. In den 1828–29 unternahm er seine erste selbständige Kunstreise; es war besonders die bei dieser Gelegenheit gemachte Bekanntschaft mit Spohr, die seinem Talente den Weg wies und maßgebend auf seine musikalische Richtung einwirkte. H. wurde dadurch im geistigen Sinne ein Schüler Spohr’s, aber zugleich ein so sclavischer Nachahmer Spohr’scher Manieren, daß seine eigene Individualität erstickt, er aber gleichwol kein Spohr wurde. Nur in den kleineren Orgelcompositionen bewahrte er sich seine Selbständigkeit und diese sind es auch, welche die weiteste Verbreitung fanden und noch heute das Lehrmaterial der Orgelspieler bilden. Im J. 1831 wurde H. Oberorganist an St. Bernhardin in Breslau, woselbst sich eine der vorzüglichsten Orgeln befindet. Hier entstand nun der Sammelpunkt aller derer, die sich für das Instrument und ganz besonders für die altclassischen Orgelcompositionen interessirten. H. spielte die großen Orgelwerke Sebastian Bach’s: die Fugen, Toccaten, die Passacaglia u. a. mit einer bewundernswerthen Meisterschaft – zum größten Theil spielte er sie auswendig. Was ihm als Clavierspieler zum Vorwurf gemacht wurde, nämlich sein Phlegma im Vortrage, verbunden mit einer zwar bedeutenden Technik, doch mit einem „schulmeisterlichen Anschlage“, wie Rob. Schumann’s Musikzeitung im J. 1834 (S. 287) schreibt, dies gereichte ihm bei der Behandlung der Orgel gewißermaßen zum Vortheile, denn dieselben Eigenschaften wurden dort zu Mitteln der großartigen Erfolge, die er errang. Während das Orgelspielen so mancher Anderer einem Tosen und Dröhnen zu vergleichen ist, war das Spiel Hesse’s durchsichtig und klar; die Themen traten mit einer Deutlichkeit hervor und hoben sich von einander [304] ab wie Schatten und Licht, so daß ein Orgelvortrag Hesse’s in der That zu den größten musikalischen Genüssen gehörte. Sein Ruf als Orgelspieler trug ihm sogar die seltene Ehre ein, in Paris die neu erbaute Orgel in der Kirche St. Eustache im J. 1844 einzuweihen, und sein Spiel machte so großes Aufsehen, daß er von König und Publicum in ausgezeichnetster Weise gefeiert wurde und die annehmbarsten Anträge für dauernde Niederlassung in Paris erhielt. Aber das schlesische Gemüth siegte hier wie in anderen Stücken bei ihm über die Stimme des Genius. Er kehrte in seine schlesische Provinzialstadt zurück, wo er am 5. August 1863 gestorben ist. Seine gedruckten Werke erreichen die Opuszahl 82. Auch als gemüthlicher Erzähler in Breslauer Zeitungen, die seiner Feder manche ergötzliche Anecdote verdanken, war er bekannt und beliebt.