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Artikel „Hese, Johann“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 271–272, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hese,_Johann&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:05 Uhr UTC)
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Hese: Johann H. (auch Hesse oder Helt, in der Berliner Handschrift seines Werkes Johann Witte de Hese genannt), Verfasser einer fabelhaften, aber im Reformationszeitalter viel gelesenen Reise in die Morgenländer, lebte nach der wahrscheinlichsten Annahme gegen Ende des 14. Jahrhunderts als Priester im Utrechter Kirchsprengel. Ueber seine Lebensumstände ist nichts bekannt, auch hat sich sein Name bisher nicht urkundlich nachweisen lassen. Er scheint vom Niederrhein zu stammen, da er in seinem Buche bei der Beschreibung einer orientalischen Stadt Köln zum Vergleiche heranzieht. Das einzige Werk, das sich unter seinem Namen erhalten hat, führt in der ältesten Ausgabe den Titel „Itinerarium ad Jerusalem per diversas mundi partes“. Handschriften finden sich in Berlin, Gießen, München, Prag, Wien, Gent und Cheltenham. Von Drucken, fast sämmtlich in Quartformat, sind aus dem 15. und 16. Jahrhundert acht bekannt, die vielfach abweichende Lesarten enthalten. Die beiden ältesten erschienen etwa 1489 oder später ohne Angaben über Ort, Jahr und Drucker, der eine wol bei Quentell, der andere bei Guldenschaff in Köln. Zwei andere, vermuthlich der Zeit um 1500 angehörend, kamen bei Gottfried Back in Antwerpen, zwei bei Robert Gourmont in Paris heraus. Drei datirte gingen aus den Pressen von Deventer hervor, zwei in den Jahren 1499 und 1505 aus der des Richard Pafraet, eine 1504 aus der des Jakob v. Breda. Weiterhin veröffentlichte der Dichter und Geschichtschreiber Nikolaus Mameranus 1565 auf Grund einer jetzt verschollenen Handschrift eine Octavausgabe bei Johannes Withagius in Antwerpen. Im 19. Jahrhundert hat Gustav Oppert in seiner Abhandlung über den Priester Johannes 1864 einen Neudruck des Textes von 1504 veranstaltet und die abweichenden Lesarten der Berliner Handschrift beigefügt. Auch Friedrich Zarncke hat in seinem Buche über den [272] Priester Johannes 1876 einen Abdruck der Berliner Handschrift gegeben. Eine holländische Uebersetzung, die Johann Voet, Priester zu Utrecht, 1398 verfaßte, hat de Vries 1845 in den Verslagen en Berichten der Vereeniging voor oude Nederl. Letterkunde theilweise publicirt. Obwol das Werk keine wirklich vollbrachte Reise beschreibt, sondern ohne Zweifel von Anfang bis Ende erfunden ist, muß es doch als culturhistorisch interessant bezeichnet werden, da es in anschaulicher Weise erkennen läßt, wie man sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Deutschland die Zustände im Orient vorstellte, und da es namentlich eine Menge damals für wahr gehaltener Nachrichten über den sagenhaften Priester Johannes mittheilt. Nach der Behauptung des Verfassers besuchte er im Frühjahr 1389 (in der Ausgabe von 1504 ist infolge eines Druckfehlers 1489 angegeben, während Pez in seinem Thesaurus anecdotum 1, LXXXVII irrthümlicher Weise sogar das Jahr 889 setzt) Jerusalem und die heiligen Orte der Umgegend. Im Mai zog er nach dem Jordan, wanderte dann ans Rothe Meer, wo ihn die große Zahl der fliegenden Fische in Verwunderung setzte, und traf schließlich in Hermipolis, der Hauptstadt Aegyptens ein. Von hier aus durchquerte er die Sinaihalbinsel, besichtigte das altberühmte Catharinenkloster, begab sich vorübergehend nach Chaldäa und kehrte dann an den Nil zurück, auf dem er bis Damiad fuhr. Nachdem er diese Stadt wieder verlassen hatte, reiste er zur See nach Aethiopien, hörte hier von Zwergvölkern und einäugigen Menschen, vom Magnetberg und Lebermeer berichten und kam endlich in der großen Stadt Andronopolis in Indien an, wo viele Thomaschristen wohnten und ein König Brandicanus unter der Oberhoheit des Priesters Johannes herrschte. Er hielt sich hier nicht lange auf, sondern segelte 30 Tage hindurch weiter bis zu den Hafenorten Beliad und Gadda, dann abermals 24 Tage bis nach Edissa am Tigris, der Hauptstadt des Priesters Johannes, dem 11 christliche und 7 heidnische Könige gehorchten. Er besuchte dessen prächtigen Palast und beschreibt ihn ziemlich eingehend. Dann pilgerte er nach Hulna oder Ulua in Mesopotamien zum Grabe des Apostels Thomas. Von hier aus trat er eine wunderbare Fahrt durch allerlei Fabelländer an. Er gelangte an die unübersteigliche Mauer des Paradieses, besuchte den Ort des Fegefeuers, wo er das Geschrei der gequälten Seelen hörte, landete auf einem Kraken, den er für eine Insel hielt und der ihn sammt seinem Schiffe beinahe in die Tiefe gezogen hätte, und erblickte den Felsen der Sirenen, deren Gesang ihn ergötzte. Endlich kam er glücklich wieder in Jerusalem an. Hier bricht die Erzählung ab. Das Buch ist lediglich aus älteren Schriften fabelhaften Inhalts compilirt. Als wichtigste dieser Quellen erscheinen mehrere auch sonst in der spät mittelalterlichen Litteratur vielfach benutzte Schriftwerke, wie die Epistola Presbyteri Joannis, der Tractatus de decem nationibus Christianorum, der Liber de infantia Mariae und der Bericht De adventu Patriarchae Indorum ad Urbem sub Calixto Papa secundo. Einzelheiten sind aus der Reisebeschreibung des heiligen Brandanus, dem Volksbuche vom Herzog Ernst und verschiedenen Gedichten oder Romanen aus dem Gebiete der Gralsage entlehnt.

Beckmann, Litteratur der Reisebeschreibungen. Göttingen 1810. 2, 390–99 u. 561. – Barante, Histoire des Ducs de Bourgogne. Brüssel 1835. 5, 425–37. – Oppert, Der Presbyter Johannes. Berlin 1864. S.180–93. – Van der Aa, Biographisch Woordenboek der Nederlanden. Haarlem 1867. 8, 706. – Zarncke, Der Presbyter Johannes. Lpz. 1876. S. 159 bis 171. – Röhricht, Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. S. 92–93 u. 160.