ADB:Heinrich von Morungen
Walther, in Diensten des Markgrafen Dietrich von Meißen gestanden hat. Heinrich nimmt unter den gleichzeitigen Dichtern einen der ersten Plätze ein und kommt unserem modernen Gefühl näher als die meisten andern. Von der subtilen Art Friedrichs von Hausen und Reinmars, die im oberdeutschen Minnesang die Herrschaft gewinnt und selbst in Walthers Lieder Eingang findet, steht er am weitesten ab. Mit Zartheit der Empfindung, mit Leichtigkeit und Anmuth des Ausdrucks verbindet er eine Anschaulichkeit, einen gefälligen Schmuck von Bildern, Vergleichen und Anspielungen wie kein anderer. Durch rhetorische Mittel mancherlei Art erhöht er die Wirkung seines Vortrags; sein Versbau zeichnet sich durch Gewandtheit und Sauberkeit aus, und in der bewegten Verbindung verschiedener Rhythmen thut es ihm keiner seiner Zeitgenossen gleich. Die seltene Kunst Morungens ist um so merkwürdiger, als er in seiner nördlichen Heimath fast vereinsamt steht. Seine vollendete Technik zwingt zu der Annahme, daß er eine ordentliche Schule der Kunst durchgemacht habe und nachweislich verdankt er vieles den Troubadours, doch bleibt es verborgen, wo und wie er von ihnen lernte.
Morungen: Heinrich v. M., Dichter um 1200. Die Stammburg des Geschlechtes war Morungen bei Sangershausen; das älteste uns bekannte Glied der Familie ist ein Henricus de Morungen, der zwischen 1213 und 1221 in vorgerücktem Alter (miles emeritus) dem Thomaskloster in Leipzig eine Schenkung überweisen läßt; es ist sehr wahrscheinlich, daß eben dieser Henricus unser Dichter ist, und daß er, wie vorübergehend auch- Von der Hagen, Minnesänger 4, 122–126. Lachmann und Haupt, des Minnesangs Frühling ³, 281. Michel, Heinr. von Morungen und die Troubadours, Straßburg 1880.