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Artikel „Heinrich von Gent“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 636, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_von_Gent&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 01:09 Uhr UTC)
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Heinrich von Gent (Henricus de Gandavo, de Muda, auch Bonicollius genannt), entstammte der sehr alten flandrischen Familie der Goethals und war zu Muda (bei Gent, jetzt theilweise damit vereinigt) geb. im J. 1217, † in Tournay 1293 (angeblich am 29. Juni). Zunächst im elterlichen Hause unterrichtet, begab er sich nach Köln, wo er bei Albertus Magnus hörte und ungefähr bis 1241 verweilte. Nachdem er hierauf einige Zeit in Gent als Lehrer der Theologie gewirkt hatte, zog er nach Paris, wo er etwa um 1245 die Würden eines Magisters der freien Künste und eines Doctors der Theologie erwarb. Er trat nun dort auch selbst lehrend in der Sorbonne auf und erhielt den Beinamen Doctor solemnis, unter welchem er noch im späteren Mittelalter so häufig erwähnt wird; auch an den Kämpfen, welche damals an der Pariser Universität durch die Mendicanten hervorgerufen waren, nahm er im Sinne der Curie Theil und erhielt 1247 den Titel eines apostolischen Protonotares. Im J. 1275 wurde er Archidiakon in Tournay. Von seinen Schriften sind die Commentare zur Physik und Metaphysik des Aristoteles, sowie jene zu Petrus Lombardus nur handschriftlich vorhanden, und seine „Logica“ ist verloren gegangen; gedruckt wurden die „Quodlibeta theologiae“, die „Summa quaestionum ordinariarum“ und die „Summa theologica“. Er hatte zu jenen ersten Gegnern des Thomas v. Aquino gehört, welche in den sog. Pariser Censuren verschiedene Lehrsätze desselben verurtheilten (1276), und sowie er sich am liebsten an den Platonismus Augustin’s, an Bernhard v. Clairvaux und an den Mystiker Hugo v. St. Victor anschloß, wäre er überhaupt nach seiner ganzen Anlage der ausgesprochenste Platoniker gewesen, wenn ihn hieran nicht die damals allgewaltige Tradition der aristotelisch-arabischen Tradition gehindert hätte. So stand er gewissermaßen außerhalb seiner Zeit, und während er sich durch eine abenteuerliche Umgestaltung des unklaren Mischmasch, welchen Thomas v. Aquino dargeboten hatte, die Schaar der Thomisten zum Feinde machte, erfuhr er doch durch den haarspaltenden Duns Scotus, dessen Vorläufer er eigentlich war, eine selbst verschuldete Bekämpfung. Außerdem verfaßte er auch eine kleine Schrift „De scriptoribus ecclesiasticis“, in welcher er eine Fortsetzung des Sigebert v. Gemblours beabsichtigte.

Fr. Huet, Recherches hist. et crit. sur la vie, les ouvrages et la doctrine de Henri de Gand, 1838 (in philosophischer Beziehung wohl nicht genügend); meine Gesch. d. Logik, Bd. III. S. 190 ff. K. Werner, Heinrich von Gent als Repräsentant des christlichen Platonismus, 1878.