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Artikel „Heinrich LXIV. Fürst Reuß-Köstritz“ von Ferdinand Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 587–589, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_LXIV.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 12:06 Uhr UTC)
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Heinrich LXIV. Fürst Reuß-Köstritz, k. k. General der Cavallerie, geb. am 31. März 1787 auf dem Paragiatschlosse zu Köstritz, widmete sich frühzeitig und mit Erfolg dem militärischen Berufe. Nachdem er an der Universität zu Jena tüchtige Studien gemacht und sich hierauf besonders für den Militärstand vorbereitet hatte, trat er gleichzeitig mit seinem älteren Bruder, dem Prinzen Heinrich LXI., in kaiserlich österreichische Dienste und wurde dort am 27. April 1804 – also erst siebenzehn Jahre alt – bei dem Infanterieregimente Graf Kinsky Nr. 47, als Oberlieutenant eingestellt. Sechs Monate später (am 1. Novbr.) trat er zu den Blankensteinhusaren als zweiter Rittmeister und wohnte als solcher im J. 1805 dem Feldzuge in Deutschland bei. Das Regiment gehörte zum Korps des Feldmarschalllieutenants Grafen Riesch. Die Friedensjahre von 1805 bis 1809 verlebte er zumeist in Böhmen und wurde bei Wiederausbruch des Kriegs, im März 1809, zum großen Generalstabe versetzt, zum Major ernannt und dem Erzherzog Karl als Flügeladjutant beigegeben. Des hohen Vertrauens, welches durch diese Ernennung in ihn gesetzt war, erwies er sich würdig im vollsten Grade. Sein ganzes Thun war durch Muth, Unerschrockenheit und einsichtsvolles Handeln ausgezeichnet. Die glänzendsten Proben hiervon legte er namentlich bei Aspern ab, wo er im feindlichen Kugelregen die Befehle seines hohen Chefs an die gefährlichsten Stellen überbrachte und dabei gleich am ersten Tage der Schlacht ein vom Feinde zurückgeworfenes Bataillon des Infanterie-Regiments Reuß-Plauen sammelte und in Person zum Sturme gegen Aspern vorführte. Diese Heldenthat wurde von glücklichem Erfolge begleitet und errang dem erst 22jährigen Prinzen das Ritterkreuz vom Maria-Theresia-Orden. Gleich tüchtig erwies er sich in den blutigen Tagen von Wagram. Die Kriegsberichte über jene Schlachten erwähnen ihn mit besonderer Auszeichnung. Endlich nahm er auch an dem Abschluß des Waffenstillstandes zu Znaim in hervorragender Weise Theil und war die Lösung dieser schwierigen Frage namentlich ein Werk seiner persönlichen Einsicht. Mit dem 1. Jan. 1810 wurde er, nach Abschluß des Wiener Friedens, dem 6. Kürassier-Regimente zugetheilt und lebte von da ab in der Stabsgarnison St. Georgen in Ungarn. – Im J. 1812 trat eine Wandlung in seinem Leben ein, die ihn selbst am schmerzlichsten berührte. Oesterreich schloß eine Koalition mit Frankreich gegen Rußland ab, welche Verbindung ihm, dem für Deutschlands Größe begeisterten Helden, in tiefster Seele zuwider war. Er haßte den gewaltigen Mann des Jahrhunderts als den Feind Deutschlands und vermochte es nicht, für diesen das Schwert zu ziehen. Dazu kam noch, daß sein älterer Bruder, Prinz Heinrich LXI., durch eigenthümliche Familienverhältnisse veranlaßt, aus der österreichischen Armee schied und in die französische eintrat. Der Gedanke, daß er später demselben einmal feindlich gegenüberstehen könnte, war ihm unerträglich und so verließ auch er, im Juni desselben Jahres, den ihm so lieb gewordenen kaiserlichen Dienst. Er trat als Oberstlieutenant aus. – Der innere Drang zur That verbot ihm indeß, den Ereignissen ein ruhiger Zuschauer zu sein. Mit dem Grafen Wallmoden eilte er zunächst nach Schweden und von dort nach England, wo ihm bald nachher das Commando eines Jägerbataillons in der britisch-deutschen Armee anvertraut wurde. Sein Drang zum Heldenthum fand in dieser Truppe die vollste Nahrung. Unter Wellington focht er mit ihr in Portugal und Spanien, folgte im Siegeszuge des Herzogs auf französischen Boden und nahm an allen bedeutenden Vorfällen den lebhaftesten Antheil. In mehreren Treffen, besonders in der Schlacht von Vittoria und der Belagerung von St. Sebastian, zeichnete er sich aus und ward dabei verschiedentlich verwundet. – Mit der Niederwerfung Napoleons und dem ersten Pariser Frieden schien die Ruhe Europa’s gesichert. Fürst H. verließ den englischen [588] Dienst und kehrte nach Wien zurück, um dort seine geistige Kraft dem bekannten Congreß zu widmen. Napoleons Landung in Frankreich rief ganz Europa auf’s Neue unter die Waffen. Fürst Reuß bat um Wiederanstellung in der kaiserlichen Armee und erhielt sie als Oberstlieutenant im Infanterie-Regimente Erzherzog Rainer. Der Kampf in Frankreich ging schnell und glücklich zu Ende, so daß der Fürst die Schlachtfelder Frankreichs nicht mehr erreichte und nur noch der Belagerung von Hüningen beiwohnen konnte. Sein Regiment verblieb dann bei der Occupations-Armee in Frankreich. Nachdem Napoleon nun für immer überwunden, kam die Menschheit erst wieder zur Ruhe und entsannen sich die einzelnen Staaten auch Derer, welche in hervorragender Weise ihre geistige Kraft für das Besserwerden des Ganzen eingesetzt. In jener Zeit wurde auch Fürst H. mit verschiedenen der höchsten deutschen und außerdeutschen Orden bedacht, wie mit dem Commandeur-Kreuz des Guelfen-Ordens, dem Groß-Kreuz des Danebrog, dem Hubertus-Orden u. A. Im J. 1834 wurde er noch vom Kaiser von Rußland durch die Verleihung des Annen-Ordens I. Klasse ausgezeichnet. Im April 1818 ward er zum Obersten, im September 1819 zum Kommandanten des 6. Husaren-Regiments, König von Württemberg, befördert, welchen Posten er bis 1829 innebehielt. Bei seiner Ernennung zum Generalmajor erhielt er hierauf zunächst die Brigade zu Grodow in Galizien, kam 1830 als Brigadier nach Prag, avancirte 1836 zum Feldmarschall-Lieutenant und Divisionair in Kremsier, erhielt 1842 seinen Stabsort in Prag, 1843 in Preßburg, wurde 1844 commandirender General in Slavonien und Syrmien zu Peterwardein, 1846 Commandirender in Mähren und Schlesien, welche Stelle er bis zu seiner im Jahre 1848 erbetenen Pensionirung bekleidete und dann mit dem Charakter eines Generals der Cavallerie in den Ruhestand trat. Schon im J. 1844 hatte ihn sein Kaiser zum Geheimen Rathe ernannt. – Nach einem so vielfach bewegten Leben zog er sich in seine umfangreichen Herrschaften in Oesterreich und dort in das schöne Schloß Ernstbrunn zurück. Der letzte Besitzer der Herrschaft Ernstbrunn war der Fürst Prosper Sinzendorf gewesen, mit welchem der Mannesstamm ausstarb. Die Erbtochter war nach der Stiftung die letzte Gemahlin Heinrichs I. Reuß-Schleiz, eine geb. Gräfin Sinzendorf und diese ist die Stammmutter des Hauses Reuß-Köstritz, in welchem Heinrich LXIV., schon am 22. Septbr. 1814 seinem Vater, dem Fürsten Heinrich XLIII., als Paragiatsherr gefolgt war. Da nun nach dem Uebergange der Herrschaft Ernstbrunn an die Cognaten, die Erbfolge wieder nach dem Rechte der Primogenitur stattfand, war der Fürst der berechtigte Nachfolger in derselben. Leider konnte er sich an seinem Lebensabend nicht des Vollgenusses der Ruhe erfreuen. Sein Geist war stark geblieben, aber sein Körper siech geworden. Seiner Zeit einer der geistvollsten Cavaliere am Kaiserhofe zu Wien, wird er in den Werken Hormayr’s, des Grafen Nostitz, des Hofrath Gentz u. A. vielfach als solcher genannt und dieß immer mit besonderer Auszeichnung. Seine Gesinnung war stets eine echt deutsche, die er selbst in den schwersten Zeiten unbeugsam und furchtlos bekundete. Dabei besaß er das Gefühl der Wohlthätigkeit in seltenem Grade, trat aber niemals damit unmittelbar hervor, sondern ließ all’ seine Wohlthaten durch dritte Hand erweisen; ein Charakterzug, der erst nach des Fürsten Tode der Welt bekannt geworden. In den letzten Jahren seines Lebens konnten nur die, welche ihm persönlich näher standen, noch den Kern des wahrhaft edlen Geistes erkennen, sonst galt er seiner Zurückgezogenheit halber – die wiederum eine Folge seiner Kränklichkeit war – als Sonderling. – Er starb am 16. Septbr. 1856 in seinem Schlosse Ernstbrunn und wurde am 22. desselben Mts., seinem letzten Willen gemäß, dort in der Stille beigesetzt. Sein Kaiser aber erwies dem Verewigten die Theilnahme dadurch, daß er mehrere [589] kaiserlich österreichische Truppenabtheilungen am Tage der Beisetzung nach Ernstbrunn entsandte, um dem heimgegangenen Helden die militärischen Ehren zu erweisen.[WS 1]

Nekrologe in verschiedenen Zeitungen und das Fürstl. Gesammtarchiv der jüngeren Linie Reuß.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Im Original: er-erweisen