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Artikel „Heß, Karl August“ von Wilhelm Oncken in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 296–298, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:He%C3%9F,_Karl_August&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:11 Uhr UTC)
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Heß: Karl August H., herzogl. sachsen-koburg-goth. Regierungspräsident und Geh. Rath, geb. am 30. September 1800 zu Gotha, † ebendaselbst am 7. März[1] 1871, einer der ausgezeichnetsten Verwaltungsbeamten, die das Herzogthum besessen hat. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt durchlaufen, bezog er 1818 oder 19 die Universität Jena, um Jura zu studiren, wurde eifriges Mitglied und Vorstand der Burschenschaft, bestand Februar 1822 das juristische Tentamen vor der herzogl. Landesregierung und begann unmittelbar danach seine [297] amtliche Laufbahn als Accessist beim Stadtrath zu Gotha. Nach 10 Jahren vielseitiger Amtsthätigkeit, während deren er neben seinen Geschäften als „Rathsregistrator“ auch die Stellung eines „Amts- und Gerichtsadvokaten“, sowie die eines öffentlichen Notars bekleidete und nachdem er im Februar 1828 zum Obersteuersecretär ernannt worden, seit Februar 1829 sogar noch die Verwaltung der Gerichte zu Großenbehringen übernahm, wurde er am 17. Decbr. 1832 von der Vertretung der Stadt Gotha zu deren erstem Bürgermeister gewählt und trat damit an die Spitze eines völlig neu geordneten städtischen Gemeinwesens, in dessen Verwaltung er drei Jahre Haupt und Seele war und die er unter allgemeiner Anerkennung, und nur um höheren Aufgaben zu folgen, verließ. Mit dem Titel „Regierungs- und Steuerrath“ war H. als Assessor in das Obersteuercollegium zu Gotha berufen worden; im Jan. 1837 rückte er zum Geh. Assistenzrath beim Ministerium auf, fungirte 1841 als herzogl. Commissar bei der Eisenbahnconferenz in Berlin, wo er bei Feststellung der Anlage der Halle-Casseler Eisenbahn für die Interessen Thüringens mit großem Erfolge thätig war; noch in demselben Jahre brachte er den Vertrag über Erneuerung der Militäretappenconvention mit Preußen zu einem sehr glücklichen Abschluß. Neben der höchsten Anerkennung seitens des Ministeriums wurden ihm für all’ seine Verdienste Ordensauszeichnungen seitens der Regierungen von Gotha, Weimar und Preußen zu Theil, denen sich nachher noch viele andere, u. a. aus Baiern und Belgien, anschlossen. Im J. 1844 wurde ihm das Commissariat für das Hoftheater und die Capelle übertragen, noch in demselben Jahre erfolgte seine Ernennung zum Geh. Staatsrath, in welcher Eigenschaft er am 1. März 1846 als Departementschef Sitz und Stimme im Staatsministerium erhielt. Das Zustandekommen des Vertrags über Anlage der Main-Werra-Eisenbahn am 27. Juni 1846 war, wie später die der Gotha-Leinefelder Bahn vorzugsweise sein Verdienst. H. war ein Typus jenes bürgerlichen Beamtenadels, den wir heute als eine der besten Säulen unseres Staatswesens betrachten, während er in den Tagen des Polizeistaates viel ungerechter, wenn auch oft erklärlicher Verkennung ausgesetzt war. Ehrenhaft durch und durch, rastlos thätig, peinlich gewissenhaft, für unendliche Arbeit mit bescheidenem Lohn zufrieden, voll Hingebung an den Staat, unbeugsam in Rechtssinn und Pflichtgefühl, aber auch selbstbewußt, schroff gegen unbefugtes Dreinreden, unzugänglich für jähe Neuerungen und vor allem ein Todfeind der Schreier und der Schwätzer – so geartet war er selbstverständlich eines der ersten Opfer der gemüthlichen Anarchie von 1848. „Constitution“ – „Nieder mit Heß!" las man in rother Schrift an den Straßenecken Gotha`s in den Märztagen jenes Jahres. Die mißleitete Volksmeinung hielt ihn für einen fanatischen Gegner der Repräsentativverfassung, der er durchaus nicht war. Er bat um seine Entlassung, aber der Herzog bewilligte ihm am 13. März nur einen Urlaub auf unbestimmte Zeit; in seinem Handschreiben vom selben Tage hieß es: – „und Ihnen doch am Besten bezeugen kann, daß Sie der Reform der hiesigen landschaftlichen Verfassung mit Ihrem Rathe nicht nur nicht entgegen waren, sondern dieselbe vielmehr ebenso kräftig gefördert, als sich bei den neuesten Erlassen zur Einführung constitutioneller Institutionen mit thätig gezeigt haben“. Es war wirklich nur ein zwölfmonatlicher Urlaub, den er antrat, als er jetzt von Gotha ganz nach Coburg übersiedelte, begleitet von den wärmsten Theilnahmebezeugungen seiner treugebliebenen Freunde. Im Mai 1849 kehrte er als Präsident der Finanzabtheilung bei der neuen Landesregierung nach Gotha zurück. Die Dorfzeitung vom 9. Juni 1849 sagte: Der Geh. Staatsrath H. „wird in kurzer Zeit bei seinen eminenten Talenten und seiner seltenen Gabe, einen neuen Geschäftskreis zu überblicken und zu ordnen, die neue Staatsmaschine mit rastlosem Fleiße in raschen [298] Gang versetzen. Wir wünschen ihm mit allen Parteilosen zu seinem neuen Wirkungskreise Kraft und Ausdauer bezüglich seiner körperlichen Befähigung, da sein Geist nie ermüdet!“ Nach neunjährigem Bestand wurde die neue Landesregierung aufgehoben und H. mit vollem Gehalt zur Disposition gestellt. Bis zum J. 1867 führte er noch die Verwaltung des Lichtenberger Fideicommisses, der er seit März 1848 eine schöpferische Thätigkeit von anerkanntem Werthe gewidmet hatte. Seine Hauptarbeit aber in den Jahren der Muße gehörte der Verwaltung der Sparkasse zu Gotha, als deren selbstloser Leiter er für Stadt und Land unendlich segensreich gewirkt hat. Sein vornehmstes Augenmerk war auf gemeinnützige Verwendung der großen Kapitalien dieser Anstalt gerichtet, sein Werk die Anlage billiger und zweckmäßiger Arbeiterwohnungen in Gotha, der Bau neuer Krankenhäuser in Ohrdruf und Waltershausen. In diesen Städten steht sein Wirken heute noch in dankbarster Erinnerung.

Dienstakten und Familienpapiere.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 296. Z. 5 v. u. l.: 1. (st. 7.) März. [Bd. 12, S. 796]