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Artikel „Hartig, Friedrich Karl“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 657–659, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartig,_Friedrich_Karl&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:01 Uhr UTC)
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Hartig: Friedrich Karl H., Bruder von Ernst Friedrich H. (s. o.), Forstwirth, geboren den 3. November 1768 zu Gladenbach, † am 21. Juli [658] 1835 im Landeshospital Hofheim in Folge mehrerer Schlagflüsse an allgemeiner Lähmung. Diese Angaben beruhen auf actenmäßigen Erhebungen im Landeshospital Hofheim, dürfen daher wol als zuverlässig angesehen werden, wonach die zum Theil weit abweichenden Daten aus Gwinner’s Monatsschrift, bei Bernhardt und Scriba zu berichtigen sind. Das Lebensbild, welches sich uns hier entrollt, ist im Allgemeinen ein düsteres. Er erlernte das praktische Forstwesen bei seinem Vater in Gladenbach und studirte (nach Scriba) zu Marburg, Gießen und Göttingen. Ob hierunter blos wirkliche Universitäts- oder nicht auch Gymnasialstudien mit gemeint sind, ferner ob das Studium der Praxis dem der Theorie vorausgegangen oder umgekehrt, habe ich, aller Bemühungen ungeachtet, nicht ermitteln können. Am 3. April 1792 wurde er – allem Vermuthen nach in Folge der Verwendung seines Bruders Georg Ludwig – zum fürstl. Hoch- und Deutschmeister’schen Forstmeister in Mergentheim a. d. Tauber ernannt, und wirkte hier etwas über 17 Jahre. Als der genannte Ort am 1. Mai 1809 unter württembergische Oberhoheit kam, wurde er kurzer Hand entlassen und wegen beleidigender Aeußerungen gegen den König von Württemberg auch des Landes verwiesen. Seine Dienstführung in Mergentheim scheint eine Kette von Verdrießlichkeiten, Streitigkeiten und Anklagen gewesen zu sein. Er war eine periodenweise hochgradig aufgeregte, streitsüchtige, sogar jähzornige Natur und zog sich daher vielfache Verwickelungen sowol mit der Hofkammer, bez. deren Mitgliedern, als mit Untergebenen und Gemeinden zu. In Folge dessen kam es häufig zu Klagen, Beschwerden und auch Verweisen. Die Schuld an diesen Verwickelungen scheint übrigens H. nicht allein zur Last gelegt werden zu dürfen, denn in einem bei den Hofheimer Acten liegenden Gutachten aus dem J. 1822 wird ausdrücklich gesagt, daß sich H. durch seine große Rechtlichkeit und Pünktlichkeit die Feindschaft der übrigen Diener und „Derjenigen, welche mit diesen zusammenhingen“ zugezogen habe. Die zahlreichen Chicanen derselben, namentlich des ihm vorgesetzten Oberforstmeisters v. Zobel, sollen die Ursache gewesen sein, daß H. in Mergentheim zuletzt nur im Dienste sein Haus verließ, förmlich menschenscheu wurde und sich von allem gesellschaftlichen Treiben zurückzog. Dem weiblichen Geschlechte war er ohnehin abhold und daher auch nicht verheirathet. Einige specielle Fälle aus Hartig’s Dienstführung macht Gwinner a. a. O. in seiner Gallerie württembergischer Forstleute namhaft. Nach seiner Entlassung und Landesverweisung aus Württemberg (1809) kehrte H. in das elterliche Haus nach Gladenbach zurück, wo er sich hauptsächlich der Forstschriftstellerei widmete und sein Hauptwerk zum Abschluß brachte. 1815 schlug er, nachdem er sich einige Monate in Frankfurt a. M. aufgehalten hatte, seinen Wohnsitz in Gießen, 1820 in Lich, einem etwa drei Stunden hiervon gelegenen Landstädtchen in der Provinz Oberhessen, auf. Hier erreichte ihn sein Verhängniß. Sein aufgeregtes, menschenscheues Wesen gipfelte jetzt geradezu in geistige Störungen; er litt am sog. Verfolgungswahn und tödtete eines Tages in einem solchen Zustande den Kanzlisten Herzberger in seiner Wohnung zu Lich in der festen Meinung, seinen früheren Peiniger, den Oberforstmeister v. Zobel, vor sich zu haben. Dieser beklagenswerthe Fall hatte am 8. October 1822 seine Aufnahme in das großherzogliche hessische Landeshospital und die Irrenheilanstalt Hofheim zur Folge, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Nach dem Aufnahmeprotokoll war H. „ein großer, breitschulteriger Mann, sehr vollfleischig, mit einem ganz besonders in die Stirne gehenden, mehr abgedachten, nach hinten desto mehr herausgetriebenen Kopfe, derber Haut, dunkelblauen Augen, dunklem, jetzt weiß durchschossenem Haupthaar; er liebte vieles Essen, geistige Getränke und vielen Schlaf etc.“. Seine Schriften sind: „Beschreibung eines wohlfeilen Winkelmaßinstruments etc.“ (1796); „Tabellarisch-terminologische [659] Naturgeschichte der Jagdthiere“ (1805); „Wald-, Jagd- und Fischereiordnung“, in der Diana, 3. Bd. (1805); „Jagdgesetze oder Schußordnung“ (1807); „Gesetze über die Lehre eines Jägerjungen“ (1807); „Ueber die beste Hauzeit des Wurzelholzes“ (1808); „Die Hoch- und Niederwaldbehandlung“, 4 Theile (1808–11); „Vermischte Forstschriften“, 1. Bd., 4 Abhandlungen enthaltend (1812). Die umfangreichste und bedeutendste dieser Schriften ist „Die Hoch- und Niederwaldbehandlung“, in welcher er sich, auf Untersuchungen gestützt, für die gleichzeitige Vereinigung dieser beiden Betriebssysteme auf derselben Fläche, d. h. für die Mittelwaldwirthschaft, erklärte. Auch dieses Werk hat indessen heutzutage nur noch einen historischen Werth. H. war in Folge seiner schriftstellerischen Thätigkeit Mitglied der naturforschenden Gesellschaft zu Berlin (seit 1805) und der Gesellschaft der Wissenschaften und Künste zu Frankfurt a. d. Oder. Seinen Brüdern Ernst und Georg Ludwig stand er an Bedeutung weit nach.

Monatsschrift für das württembergische Forstwesen, VI. Bd., S. 391. Scriba, Biographisch-litterärisches Lexikon, I. S. 131 Note Nr. 1 und S. 491, II. S. 288 Note. F. v. Löffelholz-Colberg, Chrestomathie, II. S. 374 Bem. 305 c. Bernhardt, Geschichte etc., II. S. 335. Privatmittheilung (Dr. Sehrt zu Hofheim).