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Artikel „Happel, Eberhard Werner“ von Jakob Franck, Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 551–552, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Happel,_Eberhard_Werner&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 07:38 Uhr UTC)
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Happel, Friedrich
Band 10 (1879), S. 551–552 (Quelle).
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Happel: Eberhard Werner (Guerner) H., einer der fruchtbarsten Romanschreiber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wurde 12. August 1647 zu Kirchhayn in Hessen geboren, wo sein Vater damals Vicarius, später aber Pfarrer in Holzhausen und Halbdorf gewesen war. Nachdem er zu Marburg seit 1663 Mathematik und Medicin, später auch die Rechte studirt hatte, beschäftigte er sich zuerst mit Privatinstructionen in seiner Heimath, dann seit 1668 in Magdeburg, Harburg und zuletzt in Hamburg, wo er drei Jahre lebte, sich verheirathete und durch Nahrungssorgen gezwungen, anfing, sich durch Schriftstellerei zu ernähren („fami non famae scribens“). Im J. 1673 zog er nach Kiel und hielt hier juristische und mathematische Lehrstunden, erhielt 1674 bis 79 eine Anstellung in Holstein, worauf er wieder nach Hamburg ging, woselbst er, fortwährend mit Romanschreiben beschäftigt, am 15. Mai 1690, 42 Jahre alt, starb. Die vorstehenden Nachrichten sind Happel’s Roman „Teutscher Karl“ (Ulm 1689, 90) entnommen, in welchem er unter dem Namen „Kirchberg“ seinen eigenen Lebenslauf, wie in seinem „Akademischer Roman“ (Ulm 1690) speciell sein Universitätsleben beschrieb. – Happel’s Thätigkeit als Romanschriftsteller war eine äußerst fruchtbare, so daß er in einem Zeitraume von etwa 17 Jahren 20 sogenannter politisch-galanter Romane fabricirte, fast alle 4–5 Bände stark, welche meistens in Hamburg oder Ulm erschienen und unter denen wir nur „Der asiatische Onogambo“ (Hamb. 1673), „Der insularische Mandorell“ (Frankf. 1682), „Der italienische Spinelli“ (Ulm 1685) und „Der spanische Quintana“ (ebendas. 1686), erwähnen wollen. In diesen Romanen, die eben so abenteuerlich-phantastisch als unnatürlich-geschmacklos sind und deren Manier noch bis in die ersten Decennien des 18. Jahrhunderts Bohse (Talander) und dessen Schüler Hunold (Menantes) beibehielten, werden seltsame Begebenheiten mit Heldenthaten und belehrend sein sollenden Liebes- und Staatsintriguen phantastisch verflochten, die Scene aber, um der Erfindung einen lebhafteren Reiz für die Einbildungskraft zu geben, in fremde Länder, nach Italien, Spanien, Frankreich und nach Asien und Afrika verlegt. Dabei kam es bei H. sowol als den Producten seiner gleichzeitigen Nachahmer vor allem darauf an, die Tugenden und Laster ihrer Helden colossal erscheinen zu lassen und besonders neben der gewöhnlichen Moral viel Politik niederzulegen. Den Stil vernachlässigte man entweder ganz oder man suchte sich über die gewöhnliche Prosa durch eine gravitätische und prunkende Sprache, die man für erhaben hielt, emporzuschwingen. Dem ungeachtet aber oder gerade deshalb fanden Happel’s Romane, von denen auch nicht ein einziger vor der Kritik bestehen kann, zu ihrer Zeit außerordentlichen Beifall, weil sie sich nebenbei vor anderen ihrer Art nicht nur durch Wechsel und Reichthum der Erfindung, sowie durch Fülle des Stoffes auszeichneten, sondern der Verfasser auch die Spiele seiner ausschweifenden Phantasie durch den bedeutenden Vorrath ausgebreiteter Belesenheit zu unterstützen und zu würzen verstand. Seine Darstellung dagegen ist eben so matt und breit, als seine eingestreuten Reflexionen alltäglich und schaal sind und da es ihm an wahrer geistiger Gediegenheit und poetischer Tiefe fehlte, da er ferner eben durch seine Vielschreiberei seine Kräfte nicht zu concentriren verstand, so erlosch bald nach seinem Tode sein Ruhm eben so schnell wieder, als derselbe sich rasch während seines Lebens gebildet hatte. Ein anderweitiges wirkliches Verdienst hat er sich jedoch durch die von ihm zum ersten Male versuchte lesbare Uebersetzung des Valerius Maximus (Hamb. 1676; Degen II. 524) erworben, das um so größer ist, als bis zu seiner Zeit nur jene des Heinrich von [552] Mügeln, die im J. 1369 in freier paraphrastischer Uebertragung (Freytag, Anal. lit. 1021–22) verfaßt und 1489 zu Augsburg gedruckt wurde, vorhanden war.

Viel länger als seine Romane haben sich seine historischen Werke in der Achtung der Historiker erhalten, z. B. seine „Straf- und Unglücks-Chronica“, sein „Histor. Kern der Weltgeschichte“ und besonders seine „Relationes curiosae“, ein in „Wochenlieferungen erscheinendes die größten Denkwürdigkeiten dieser Welt“ beschreibendes fünfbändiges Werk, später von Anderen fortgesetzt, welches noch immer ein gangbarer Antiquariatartikel ist. Uebrigens flüsterten seine Hamburger Zeitgenossen sich in die Ohren, daß der allezeit schreib- und schlagfertige Happelius vom Senate vielfach zur Abfassung energischer Staatsschriften gebraucht werde, welche dann als „unpartheiische“ oder „abgenöthigte“ Berichte oder Gegenberichte zur Vertheidigung der Rechte der freien Reichsstadt gegen nachbarliche Anfechtungen publicirt wurden.

Strieder, Hessische Gelehrten-Gesch. V. 273; XII. 354. Moller, Cimbria II. 293–95 (mit Verzeichniß seiner sämmtlichen Schriften). Witte, Diar. biograph. ad ann. 1690. Chr. Thomasius, Freimüthige Gedanken, 1689, 687–806. Koch, Compendium II. 261–63 und daraus bei Goedeke, Gr. II. 509. Vilmar, Litteraturgesch., S. 371. Weller, Annal. II. 396. Hamb. Schriftsteller-Lex., Bd. III. S. 97 ff.