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Artikel „Haloander, Gregor“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 449–451, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haloander,_Gregor&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 05:31 Uhr UTC)
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Haloander: Gregor H., Jurist, ist 1501 in Zwickau geboren. Sein deutscher Familienname war nicht, wie man früher vermuthete, Salzmann oder Hofmann, sondern wie in neuester Zeit nachgewiesen ist, Meltzer, sein Vater Bürger und Rathsmann in Zwickau. Durch ausgezeichnete Lehrer der lateinischen und griechischen Sprache vorbereitet, bezog er 1521 die Universität Leipzig, wo er unter seinem gräcisirten Namen immatriculirt wurde und im folgenden Jahre das Baccalaureat erwarb. Von 1523–1529 genoß er vom Rathe seiner Vaterstadt das sogen. Schurtzauff’sche Stipendium: und diesem Umstande verdanken wir die sicheren Nachrichten über seinen Namen und manche Lebensverhältnisse. Einen freigebigen Gönner und Förderer seiner Studien fand er in dem gelehrten Julius von Pflugk, der ihn zur Jurisprudenz führte und seine Abneigung gegen die damals noch in der scholastischen Methode befangene Wissenschaft durch den Hinweis auf die zu hoffende Regeneration überwand. [450] Bei ihm verweilte H. 1524 und 1525 längere Zeit in Zeitz, wo Pflugk die Domprobstei bekleidete. Hier mag wol der Plan eines längeren Studienaufenthalts in Italien gereift sein. Im Herbste 1525 trat H. die Reise an, durch Pflugk’s Freigebigkeit unterstützt, von dem Zwickauer Rath mit einer doppelten Quote des Schurtzauff’schen Stipendiums und einem Darlehn von 87½ Gulden ausgerüstet, wogegen er sich verpflichten mußte, nach seiner Heimkehr in den Dienst seiner Vaterstadt zu treten. Leider ist über diesen ersten Aufenthalt in Italien, der etwa 2 Jahre dauerte, nichts Genaues bekannt. Ob H. in Florenz gewesen, bleibt ungewiß; als sicher darf man annehmen, daß er die längste Zeit in Bologna verweilte, wo J. Pflugk dem Philologen Bonamicus befreundet war. Hier gelang es ihm den handschriftlichen Nachlaß des Ludovicus Bologninus († 1508), welcher dem Dominicanerkloster gehörte, trotz des testamentarischen Verbots, ausgiebig zu benutzen. Ein befreundeter Dominicaner machte ihm die auf Polizian’s Noten beruhende Collation der Florentiner Pandekten-Handschrift und Bologninus Abschrift des Florentiner Manuscripts der griechischen Novellen zugänglich. In Venedig genoß H. die Freundschaft des B. Egnatius, der ihm eine werthvolle Handschrift des Codex Justin. mittheilte. Im Laufe des Jahres 1527 kehrte H. mit reichem kritischen Apparat für eine neue Ausgabe des Corpus juris nach Deutschland zurück. Er kam nach Nürnberg, wo er in Wil. Pirkheimer, dem er durch Egnatius angemeldet und empfohlen war, den kräftigsten Förderer seiner Pläne fand. Auf seine, durch die Gutachten anderer Gelehrten unterstützte, Empfehlung entschloß sich der Rath von Nürnberg für die Herstellung einer neuen Ausgabe der Justinianischen Rechtsbücher die freigebigste Beihülfe zu gewähren. Auf drei Jahre erhielt H. Wohnung und Unterhalt in dem säcularisirten Egidienkloster, dazu Geldgeschenke im Betrage von 950 Gulden; dem Drucker Petrejus wurden bedeutende Vorschüsse geleistet. In drei Jahren war das Werk vollendet: „Digestorum s. Pandectarum libri quinquaginta“, Noremb. 1529. 4°. „Institutionum s. Elementorum libri quatuor“, Noremb. 1529. 8°.; „Codicis Justiniani ex repetita praelectione libri duodecim“, Noremb. 1530. fol.; „Novellarum constitutionum — volumen“, Noremb. 1531. fol.. Daneben besorgte H. eine Ausgabe von Epictets Enchiridion (1529), vermuthlich nach dem Venetianer Manuscript und entwarf ein chronologisches Verzeichniß der Consuln, welches er dem Codex anhängte – eine Arbeit, für deren Würdigung beachtet werden muß, daß damals die fasti capitolini noch nicht entdeckt waren. – Kaum hatte H. seine großen Arbeiten mit eisernem Fleiße und in stetem Kampfe mit den Gebrechen eines zarten Körperss vollendet, so trieb es ihn zu neuen Entdeckungen und Ergänzung der bisherigen nach Italien zurück; auch wollte er sich den Doctorhut aus Bologna holen. Im Frühjahr 1531 brach er auf. Aber gleich sein erster Eintritt in Italien ward durch einen Unfall getrübt. Während seine Freunde in Venedig den Ankommenden begrüßten, ward ihm beim Verladen des Gepäcks der größte Theil seiner Baarschaft gestohlen. Um Pfingsten kam er nach Ferrara zu den gelehrten Freunden Jacob Ziegler und Martin Richter, zog nach 4 Tagen weiter nach Bologna, von wo aus er sich in seiner Geldnoth, die seiner Promotion im Wege stand, an Petrejus in Nürnberg wendete. Anfangs August ist er wieder in Ferrara und benützt die 11 Tage seines Aufenthalts um ein seltenes Manuscript, welches, wie es scheint, die Notitia dignitatum enthielt, abzuschreiben. Von Martin Richter begleitet setzt er seine Reise, deren Ziel Venedig war, wieder fort. Unterwegs erkranken beide Gefährten; mit Mühe erreichen sie Padua, wohin inzwischen der Philologe Bonamicus von Bologna übergesiedelt war. Bald kehrt Richter nach Ferrara zurück und H. gelangt einsam und noch leidend nach Venedig. Schon am Tage nach seiner Ankunft wird er vom Fieber befallen, das [451] unter der Behandlung eines unverständigen polnischen Arztes einen tödtlichen Ausgang nimmt. H. starb am 7. Septbr. 1531: daß er dem heimlichen Gifte eines habsüchtigen oder auf seine gelehrten Arbeiten neidischen Italieners erlegen sei, ist ein damals allgemein verbreiteter Argwohn. Seine Papiere und Habseligkeiten sind in diebische Hände gerathen und trotz vielfacher Bemühungen nicht nach Deutschland gekommen. – H. ist der bedeutendste Herausgeber juristischer Quellen, den Deutschland bis zur neuesten Zeit hervorgebracht hat; aber seine Leistungen wollen allerdings nicht mit dem Maßstabe der heutigen kritischen Methode gemessen sein. Es fehlt seiner Kritik sowol an festen klaren Grundsätzen wie an der ausgebildeten Technik und daher bieten seine Ausgaben für die heutige Texteskritik nur wenig brauchbares Material. Das Bedeutende seiner Arbeiten aber liegt darin, daß er zum ersten Mal es gewagt hat den Text der Justinian. Rechtsbücher auf einer von der scholastischen Tradition völlig unabhängigen Grundlage vollständig herzustellen. Für die Pandekten war zum ersten Mal das Florentiner Manuscript, für den Codex eine alte von scholastischen Entstellungen nicht berührte Handschrift verwendet; die Novellen erschienen hier zum ersten Mal im griechischen Texte, dem eine lateinische von H. theils angefertigte, theils revidirte Uebersetzung beigegeben war. Er legt bei seiner Recension mehr Gewicht auf Brauchbarkeit und Verständlichkeit der Lesarten, als auf ihre äußere Beglaubigung. Das Correcte scheint ihm das innerlich am besten Beglaubigte zu sein und er hält sich dadurch zu oft kühner Conjecturalkritik berechtigt. Das Aufsehen, welches Haloander’s Editionen erregten, war außerordentlich; die Vertreter und Führer der Reform in der Rechtswissenschaft priesen sie als das glücklichste Ereigniß, während sich allerdings die Anhänger der alten Richtung ablehnend verhielten. Obgleich Alciat und Anton. Augustinus später nachwiesen, daß H. nicht blos das Florentiner Manuscript, sondern selbst die Papiere Polizians nicht unmittelbar benützt habe, blieb sein Pandecten-Text doch in Ansehen, auch nachdem die Florentina 1553 in der Torelli’schen Ausgabe zum Abdruck gelangt war. Man unterschied seitdem drei Textesformen nebeneinander: Vulgata, Haloandrina, Florentina. Aehnlich verhielt es sich mit den Novellen nach dem Erscheinen der Scrimger’schen Ausgabe 1558. Seine Ausgabe des Codex ist bis in die neueste Zeit eine anerkannte Autorität geblieben. Erst die neuesten Editionen der Institutionen, Pandekten und des Codex von Th. Mommsen und P. Krüger (1866–77) haben Haloander’s Arbeiten völlig in den Schatten gestellt; und dasselbe ist für die Novellen von der durch R. Schöll vorbereiteten Ausgabe zu erwarten.

Vgl. Conradi, Vita Haloandri. Parerga. Ed. 2 p. III-X. p. IV bis XX. 1740. Hausfritz, Memoria Haloandri, 1739. Will, Nürnberg. Gelehrten-Lex. 2, 23 ff., 6, 19 ff. Panzer, Pirkheimer’s Verdienste um die Herausgabe der Pandekten, 1805. Dirksen, Zur Würdigung der Verdienste Haloander’s. Hinterlassene Schriften, 2, 506 ff. – B. Schmidt, Symbolae ad vitam G. Haloandri, Leipzig 1866. 4°. Programm. – Flechsig, Gregor Haloander, 1872.