ADB:Haller von Hallerstein, Carl Freiherr

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Artikel „Haller von Hallerstein, Karl Freiherr“ von Rudolf Bergau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 438–440, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haller_von_Hallerstein,_Carl_Freiherr&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:53 Uhr UTC)
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Haller: Karl Freih. H. v. Hallerstein, Sprosse der alten und angesehenen Nürnberger Patrizierfamilie H., wurde als der achte von zehn Kindern am 10. Juni 1774 auf dem Schlosse des Nürnbergischen Marktfleckens Hilpoltstein geboren, woselbst sein Vater Karl Joachim Pfleger und Major der Reichsstadt Nürnberg war. Seine Mutter war Amalie Freiin v. Imhof. Seine Jugend verlebte er in glücklichster Weise im Kreise seiner Familie zu Gräfenberg. Im Alter von 14 Jahren kam er an den Hof des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken, wo er drei Jahre lang Pagendienste leistete. Dann wurde er zum Fähnrich im Hausbataillon und bald darauf zum Lieutenant ernannt. Da H. besondere Neigung zur Beschäftigung mit „mechanischen Arbeiten“ zeigte, sandte der Fürst ihn auf eigene Kosten auf die Karls-Akademie nach Stuttgart, um daselbst die Baukunst zu studiren. Nach dem bald darauf erfolgten Tode des Fürsten ging H. mit dem Erbprinzen Heinrich erst nach Schloß Cadolzburg und später, als auch der Erbprinz gestorben war, nach Berlin, wo er unter der Leitung des Oberbaurath Gilly sein Studium der Architectur fortsetzte. Er erhielt von seiner Vaterstadt ein kleines Stipendium; seinen weiteren Unterhalt erwarb er durch Unterricht und geometrische Arbeiten. Nach siebenjährigem Aufenthalt in Berlin und Norddeutschland wurde H. im J. 1806, eine an der Akademie zu Düsseldorf ihm angetragene Lehrerstelle ausschlagend, als königlicher Bau-Inspector mit 500 fl. Gehalt in seiner Vaterstadt Nürnberg angestellt. In dieser Eigenschaft [439] mußte er unter Anderem den Abbruch des im großen Saale des Rathhauses befindlichen messingenen Prachtgitters, einer Arbeit Vischers, welche die baierische Regierung als altes Metall verkauft hatte und den Bau der hölzernen arcadenförmigen Verkaufsbuden auf dem Hauptmarkte leiten. Daneben war er auch als Privatarchitect thätig, erbaute unter Anderen das noch bestehende Haus in der Theresienstraße Nr. 9, die Façade des Bestelmayer’schen Hauses in der Königsstraße (jetzt Gewerbe-Museum und im J. 1874 völlig umgebaut) und das Haus der Gesellschaft „Museum“, entwarf auch mehrere Decorationen für das Nürnberger Stadttheater. Alle diese Arbeiten, aus welchen ein großes Talent hervorleuchtet, haben viel Aehnlichkeit mit den älteren Arbeiten Schinkels. – Da seine amtliche Thätigkeit ihm nicht genügte und künstlerische Aufgaben ihm nur selten gestellt wurden, er sich aber nach „Vervollkommnung in der Kunst“ sehnte, wünschte er vor Allem Italien und seine Kunstwerke zu sehen. Mit Hülfe einiger wohlwollender Gönner gelang es ihm sich, unter Fortbezug seines Gehalts, einen längeren Urlaub zur Reise nach Italien zu verschaffen. Er ging im Sommer 1808 zunächst nach München und von dort zu Fuß durch Tyrol über Verona, Venedig, Bologna und Florenz nach Rom, wo ein neues Leben für ihn begann. Er schwelgte im Genuß der Kunstwerke, arbeitete aber auch sehr fleißig, hat dort während der 18 Monate seines Aufenthalts eine große Anzahl Zeichnungen von architektonischen und plastischen antiken Werken, modernen Architekuren, Landschaften etc. gefertigt. Er hatte ein offenes Auge für Alles und wußte jedem Dinge ein Interesse abzugewinnen. In Rom schloß er sich bald enge an einige gleichgesinnte Kunstfreunde, besonders den Freiherrn v. Stackelberg aus Esthland, Linckh aus Cannstadt, Dr. Koes und Dr. Bröndsted aus Dänemark u. A. an und entschloß sich endlich, auf Anregung der beiden Dänen, mit ihnen nach Griechenland zu gehen. Der bairische Gesandte lieh ihm für diese Reise 600 spanische Thaler. Im Juni 1810 verließ er Rom und ging mit den genannten Freunden über Neapel, Corfu und Korinth, überall fleißig zeichnend, nach Athen, dessen Monumente großen Eindruck auf ihn machten. Hier traf H. den englischen Architekten Cockerell, der gleiche Zwecke wie H. verfolgte. Beide wurden bald enge befreundet und studirten zusammen die antiken Kunstwerke Athens, besonders die architektonischen, welche sie bis in die feinsten Einzelnheiten hinein maßen und sorgfältig zeichneten. H. beabsichtigte Ergänzungen zu dem großen Werke von Stuart und Rewett zu publiciren. Von Athen aus machten sie auch Ausflüge nach Tyrinth, Mykene, Argos, Nemea etc. und besuchten im J. 1811 in Gesellschaft von Linckh und Foster auch die benachbarte Insel Aegina, wo sie die Ruinen des Tempels des Jupiter aufs Genaueste untersuchten. Bei dieser Gelegenheit entdeckten sie zu ihrer größten Freude unter den Trümmern nach und nach auch 17 zum Theil recht gut erhaltene Statuen und viele Fragmente von solchen, die Reste des ehemaligen plastischen Schmucks der Giebelfelder dieses Tempels. Sie machten diese Statuen durch Kauf von der Stadt Aegina um 1000 levantische Piaster zu ihrem rechtmäßigen Eigenthum, gruben sie aus und brachten sie nach Athen, wo dieser Fund das größeste Aufsehen erregte. Ein durchreisender Engländer bot ihnen sogleich 4000 Pfund Sterling. Doch wünschte H. dringend, diesen kostbaren Fund seinem Vaterlande zuzuwenden. Weil die Freunde ihren Schatz vor den Türken nicht sicher glaubten, ließen sie ihn nach der Insel Zanthe in das Haus des englischen Ministers Foresti bringen und später im J. 1812, unter Beihülfe des Consuls Gropius, nach der Insel Malta. Der Prinzregent von England schickte ein Schiff und ließ 6000 Pfund Sterling für die Statuen bieten. Doch gaben die Freunde sie auch jetzt noch nicht fort, weil sie schon eine öffentliche Versteigerung derselben ausgeschrieben hatten. In derselben erstand sie der Bildhauer M. Wagner um 70,000 fl. für den Kronprinzen [440] Ludwig von Baiern. Die Statuen wurden nun nach Rom gebracht, wo Thorwaldsen sie trefflich restaurirte. Jetzt bilden sie die Hauptzierde der Glyptothek zu München. – Nachdem H. seine Statuen nach Zanthe gebracht, bereiste er den Peloponnes, besuchte die Ebene von Olympia, Messenien, Laconien und besuchte auch den Tempel zu Phigalia, woselbst er bald ebenfalls Sculpturen entdeckte. Doch verhinderte der türkische Beamte ihn vorerst an der Ausgrabung derselben. H. kehrte nach Athen zurück und empfing dort einen Brief des Kronprinzen von Baiern, der ihn beauftragte Ausgrabungen für ihn anstellen zu lassen und Ankäufe von Antiken zu machen, ein Auftrag, den H. mit großer Freude erfüllte und welchen er, eine Einladung seines Freundes Cockerell, ihn nach Aegypten zu begleiten, ausschlagend, auch mit größter Gewissenhaftigkeit und nicht ohne günstigen Erfolg ausgeführt hat. Sobald die Umstände es gestatteten, kehrte H. mit Gropius, Linckh, Stackelberg, Bröndsted und Foster nach Phigalia zurück, kaufte, durch Vermittelung des Consuls Gropius, die dort zu findenden Sculpturen, ließ die ganze Ruine durch 60 Mann ausgraben und zeichnete sie sehr genau. Der gefundene Figurenfries, welcher einst die Cella des Tempels geschmückt hatte, wurde darauf unter großen Schwierigkeiten nach Zanthe in ein Magazin der Gräfin Lunzi gebracht und dort um 60,000 spanische Thaler (davon H. jedoch nichts bekam) an den Prinzregenten von England verkauft. Nachdem dieses Geschäft abgemacht war, kehrte H. wieder nach Athen zurück. Auf der Reise dahin verlor er bei einem Seesturm Alles was er bei sich hatte, namentlich auch viele Zeichnungen und eine kleine Sammlung von Antiken. Darauf besuchte er Delphi, Theben, leitete eine Ausgrabung für den Kronprinzen auf der Insel Ithaka und ging dann im J. 1814 im Interesse des Kronprinzen nach Constantinopel, um dort für denselben eine größere Summe Geldes von dem bankerotten Bankhause Hübsch & Timoni zu retten. Auch fertigte er dort neben seinen architektonischen Studien im Auftrage des Kronprinzen einen Entwurf zur Walhalla bei Regensburg, welcher später der Bauausführung durch Klenze zu Grunde gelegt wurde. Nachdem H. im J. 1816 noch Troja besucht und im Theater zu Milo einige Ausgrabungen gemacht, die er jedoch vor ihrer Beendigung aufgeben mußte – bald darauf wurde dort die berühmte Venus, jetzt in Paris, gefunden – ging er nach Athen zurück und war eifrigst mit Ausarbeiten seiner überaus zahlreichen Zeichnungen und schriftlichen Aufzeichnungen beschäftigt. Im October 1817 ging H. nach Thessalien, woselbst er im Auftrage eines Pascha den Bau einer Brücke über den Peneus leiten sollte. Hier, in ungesunder Gegend, erlag er den Anstrengungen der Reise. Er starb, nach kurzem Krankenlager, am 5. November 1817, erst 43 Jahre alt zu Ampelakia am Fuße des Olympos. – Sein Porträt in Kupferstich nach einer Zeichnung von Cockerell befindet sich in dem im J. 1860 zu London erschienenen Werke des Letzteren über die Tempel zu Aegina und Bassae.

Nach dem handschriftlichen Nachlaß des Künstlers.