ADB:Höfken, Gustav Ritter von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Höfken, Gustav Ritter von“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 425–428, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%B6fken,_Gustav_Ritter_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hoffory, Julius
Band 50 (1905), S. 425–428 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gustav Höfken in der Wikipedia
Gustav Höfken in Wikidata
GND-Nummer 101654901
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|425|428|Höfken, Gustav Ritter von|Franz Ilwof|ADB:Höfken, Gustav Ritter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=101654901}}    

Höfken: Gustav von H., nationalökonomischer Schriftsteller und österreichischer Staatsmann. Er erblickte am 14. Juli 1811 zu Hattingen in der Grafschaft Mark, als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, das Licht der Welt. Den ersten Unterricht erhielt er in der Volksschule seines Geburtsortes und in der Bürger- und Gewerbeschule zu Hagen. Siebzehn Jahre alt trat er in das Pionier- und Ingenieurcorps ein und wurde in die vereinigte Pionier- und Artillerieschule in Berlin aufgenommen, in welcher der Grund zu seiner weiteren wissenschaftlichen Ausbildung gelegt wurde. Nachdem er diese Schule absolvirt hatte, kam er als Officier in verschiedene Garnisonsorte. Der Dienst in der Armee genügte ihm jedoch nicht, und da ihm dieser wenig zu thun gab, verlegte er sich mit großem Eifer auf volkswirthschaftliche Studien. In einer zu Sayn stattgefundenen öffentlichen Versammlung kam es zwischen ihm und dem Regierungsvertreter zu einer heftigen Auseinandersetzung über Fragen der Tagespolitik. Darüber in Untersuchung gezogen, wurde er zur Festungshaft auf dem Ehrenbreitstein verurtheilt. Diese unfreiwillige Muße verwendete er zum eifrigsten Studium der spanischen Sprache und freigeworden, begab er sich auf die pyrenäische Halbinsel. Dort trat er in die Reihe der Heerscharen ein, welche für die Sache der Königinnen Christine und Isabella (Christinos) kämpften und stand gegen die Karlisten im Felde. Doch nur kurze Zeit blieb er als Freiwilliger im Generalstabe in Navarra und in den baskischen Provinzen. Ueber Madrid und durch Andalusien, Portugal, Holland, kehrte er nach Deutschland zurück. Nun war er da als Journalist thätig, gerieth aber bald wegen einiger von ihm verfaßten, in deutschen Zeitungen erschienenen Aufsätze, in welchen er die damals herrschende Reaction bekämpfte, mit den preußischen Gerichten in Conflict, welche ihn (Frühjahr 1838) in Berlin verhaften ließen. Er wurde einer langwierigen Untersuchung unterzogen; während dieser verfaßte er sein erstes Werk: [426] „Tirocinium eines deutschen Offiziers in Spanien“, 4 Bände, Stuttgart 1841/42. Aus dem Gefängnisse entlassen lebte er kurze Zeit in Erlangen, dann in München und Augsburg, wo er in die Redaction der „Allgemeinen Zeitung“ eintreten wollte, als ihm 1841 der Antrag gestellt wurde, die Redaction der „Rheinischen Zeitung“ zu übernehmen. Er folgte diesem Rufe, blieb aber nur einige Monate in dieser Stellung und unternahm größere Reisen, um die Länder von Westeuropa kennen zu lernen. Nach Augsburg zurückgekehrt, war er, jedoch nur sehr kurze Zeit, in der Redaction der „Allgemeinen Zeitung“ thätig. Bis 1847 lebte er zurückgezogen, nur mit litterarischen Arbeiten beschäftigt. Da erschienen aus seiner Feder in rascher Folge: „Der deutsche Zollverein in seiner Fortbildung“, Stuttgart 1842; „Erweiterung des deutschen Handels und Einflusses durch Gesellschaften, Verträge und Ansiedlung. Mit besonderer Rücksicht auf die Errichtung einer süddeutschen Handels- und Colonisations-Gesellschaft“, Stuttgart 1842; „Belgien in seinem Verhältniß zu Frankreich und Deutschland mit Bezug auf die Frage der Unterscheidungszölle für den Zollverein“, Stuttgart 1845; „Englands Zustände, Politik und Machtentwicklung. Mit Beziehung auf Deutschland“, 2 Theile, Leipzig 1846, und „Vlaemisch-Belgien“, 2 Bände, Bremen 1847.

Im J. 1847 arbeitete H., doch nur durch sechs Monate, in der Redaction der „Deutschen Zeitung“; Anfangs 1848 habilitirte er sich als Privatdocent an der Universität Heidelberg und fing an, social-ökonomische Vorlesungen zu halten. Da brach der Märzsturm los und warf H. auf ein anderes Gebiet der Wirksamkeit. Seine engeren Landsleute erinnerten sich seiner und als es zu den Wahlen für die deutsche Nationalversammlung kam, erkor ihn der Kreis Hagen in Westfalen zum Abgeordneten. Obwol H. zwei Mal wegen Kundgebungen in Wort und Schrift gerichtlich war verfolgt worden, war er doch von gemäßigter Gesinnung, blieb auch im Parlamente diesen Ansichten treu und saß in der Paulskirche im Centrum. Er suchte auf dem wirthschaftlich-politischen Gebiete vermittelnd zu wirken und war im völkerrechtlichen Ausschuß für die Erhaltung der Reichsgrenzen thätig.

In Frankfurt lernte Karl Ludwig v. Bruck (später Freiherr und österreichischer Minister), der sich dort als Abgeordneter und Bevollmächtigter der kaiserlichen Regierung beim Reichsverweser befand, H. kennen und als gründlich gebildeten Mann, tüchtigen Schriftsteller und Publicisten schätzen; und nachdem Bruck Handelsminister im Kaiserstaate geworden war, berief er October 1849 H. als Ministerialsecretär in sein Ressort, in dem er schon 1850 zum Sectionsrathe vorrückte, und später in gleicher Eigenschaft in das Finanzministerium versetzt wurde. In seiner amtlichen Stellung und auf publicistischem Wege war er eifrig für die handelspolitische Einigung Oesterreichs mit Deutschland bemüht. Sein erster Artikel über die österreichisch-deutsche Zoll- und Handelseinigung war schon am 26. October 1849 in der Wiener Zeitung erschienen und fand allseitige Beachtung. Nachdem Bruck in seinen Denkschriften vom 30. December 1849 in gleichem Sinne anregend und maßgebend sich ausgesprochen hatte, verfaßte H. eine Reihe von Arbeiten, welche die Grundgedanken des Ministers weiter ausführten und welche in der von H. redigirten Zeitschrift „Austria“, aber auch in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und in Cotta’s Deutscher Vierteljahrschrift veröffentlicht wurden. Auch den übrigen inneren Angelegenheiten Oesterreichs wendete H. seine litterarische Thätigkeit zu. Als Mitglied der Ministerialcommission für die Colonisation Ungarns verfaßte er die Schrift: „Deutsche Auswanderung und Colonisation mit Hinblick auf Ungarn“, Wien 1850, als Mitglied der k. k. Staatsprüfungscommission die Broschüre: „Ueber das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften [427] mit Bezug auf die Neugestaltung des höheren Unterrichtes und die Staatsprüfung in Oesterreich“, Wien 1851. Die auf ihn gefallene Wahl zum Verwaltungsrathe der österreichischen Creditanstalt für Handel und Gewerbe mag ihm Veranlassung gegeben haben zur Abfassung der Untersuchung: „Die österreichischen Finanzprobleme bezüglich Bank, Valuta und Defizit. Von G. H.“, Leipzig 1862. Er sucht darzuthun, daß vor allem die Valuta hergestellt werden müsse und erst dann Ordnung im Staatshaushalte erzielt werden könne; schließlich unterzieht er die neuesten ministeriellen Finanzvorlagen einer eingehenden Prüfung. Schon 1849 hatte er in Frankfurt a. M. eine populär gehaltene nationalökonomische Zeitschrift herauszugeben versucht: „Volkswohl. Monatsschrift für sociale und politische Reform“, von der jedoch nur ein Heft veröffentlicht worden zu sein scheint. Oesterreichischen Verhältnissen waren ferner gewidmet: „Die Reform der directen Besteuerung in Oesterreich auf Grund der Anträge des k. k. Finanzministeriums“, Wien 1860 und „Die Steuerreform in Oesterreich“, Wien 1864, deren Motto: „Volkswirthschaftlicher Geist, nicht Fiskalismus, soll das Steuerwesen durchdringen, jener befruchtet die Steuerquellen, die dieser nur auszuschöpfen sucht“ Inhalt und Charakter der ganzen Schrift zum Ausdruck bringt. Als die galizische Karl-Ludwig-Bahn gegründet wurde, wurde H. in den Verwaltungsrath derselben gewählt und wirkte auch hier thätig und einflußreich.

In seiner amtlichen Stellung wurde er zum Hofrath befördert und es heißt, daß ihm nach dem Tode Bruck’s (23. April 1860) das Portefeuille der Finanzen angeboten worden sei, er es jedoch abgelehnt habe. Der Selbstmord dieses seines Gönners und Freundes scheint einen tiefen schwer drückenden Einfluß auf H. geübt zu haben. Diese Katastrophe, sowie überhaupt die zerrütteten Verhältnisse des österreichischen Kaiserstaates im Innern, die immer mehr sich steigernde Spannung zwischen den beiden deutschen Großmächten (1865), deren einer er durch Geburt, der anderen durch Lebensstellung angehörte, veranlaßten ihn frühzeitig in Ruhestand zu treten, in dem es ihm gegönnt war, noch durch länger als zwei Jahrzehnte zu leben. Außer wissenschaftlichen Studien, die er noch immer eifrigst betrieb, beschäftigte er sich nun auch noch mit der Abfassung schöngeistiger Schriften: „Scherz und Ernst“, dramatische Spiegelbilder des modernen Lebens“, „Der Gallomane“, Lustspiel in 2 Acten, „Der vielbeschäftigte Minister“, Lustspiel in 3 Acten, „Die sociale Frage“, Zeitbild in 5 Auszügen, u. a.

Die Verdienste, die H. um und in Oesterreich sich erworben, wurden namentlich dadurch anerkannt, daß Kaiser Franz Joseph I. ihn in den Adelstand erhob; es geschah dies, wie es in dem Adelsdiplome heißt, für die Reformen in der Gewerbegesetzgebung, im Postwesen, in der Zoll- und Handelspolitik, für den Zollanschluß an Deutschland, für die Bemühungen zur Colonisirung Ungarns, für die Reform im Münzwesen, zur Wiederherstellung der Valuta und Rehabilitirung der Nationalbank, in welchen Angelegenheiten er theils anbahnend, theils durchführend erfolgreich thätig gewesen.

Mit der innigsten Theilnahme begleitete H. den Heldenkampf der Deutschen gegen Frankreich (1870/71) und begrüßte jubelnd die Siege seiner Landesgenossen. Er war seit 1847 mit Laura Rappold, der Tochter einer Augsburger Patricierfamilie vermählt, mit der er in ungemein glücklicher Ehe lebte; sie starb einige Jahre vor ihm zu Neapel und wurde dort bestattet.

H. war, wie sich aus der Betrachtung seines Lebenslaufes ergibt, Autodidact und daher ein self made man, muß aber als einer der bedeutendsten Publicisten seiner Zeit bezeichnet werden. Ein fester zuverlässiger Charakter zeichnete ihn aus und er besaß bedeutendes Organisationstalent. Seine Arbeiten [428] auf volkswirthschaftlichem Gebiete, besonders im Handelsfache wurden allseitig, von praktischer und von wissenschaftlicher Seite, als werthvoll und auf streng wissenschaftlichem Grunde ruhend anerkannt, besonders bemerkenswerth ist auch seine durch Reisen erworbene Kenntniß der politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse der Länder West- und Mitteleuropas und sein richtiges Urtheil darüber. Er war Schutzzöllner, also Anhänger der Lehren Friedrich List’s. Er starb 78 Jahre alt im Sommer 1889; testamentarisch hatte er angeordnet, daß sein Leichnam in Gotha verbrannt und die Asche nach Neapel gebracht werde, wo die Urne in der Gruft der ihm wenige Jahre vorher entrissenen Gattin beigesetzt wurde.

Wurzbach, Biogr. Lex. IX, 99. – Köln. Zeitung 1889, Nr. 228.