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Artikel „Graff, Jörg“ von Karl Bartsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 570–571, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Graff,_J%C3%B6rg&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 13:07 Uhr UTC)
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Graff: Jörg G., Dichter des 16. Jahrhunderts. Er war im Würtembergischen geboren, nahm als Landsknecht an den Kriegen Maximilians I. theil, wurde aber durch Verwundung genöthigt, das Kriegshandwerk aufzugeben und lebte hierauf theils in Nürnberg, theils in Augsburg und zuletzt in Straßburg. Auf die politischen Ereignisse der Zeit bezieht sich das älteste (1517) der von ihm bekannten Lieder, welches noch in seine Landsknechtzeit fällt; es geht auf [571] die Vermählung König Karls von Spanien (Karls V.) mit der Tochter von Franz I. von Frankreich (Liliencron, Historische Volkslieder 3, 209 ff.). In einem Spruche, der nur Umarbeitung eines älteren von Ulrich Höpp ist, mahnt er den greisen Maximilian (1518) zum Kriege gegen die Türken (Liliencron 3, 212 ff.). Unmittelbar nach seinem Austritt aus dem Soldatenstande, der um diese Zeit fallen wird, aber noch bei Lebzeiten des Kaisers (vor 1519) dichtete er das Lied „Von der Kriegsleut Orden“, worin er ein anschauliches Bild von dem Leben und Treiben der Landsknechte, freilich nicht mit dem Humor eines Hans Sachs, gibt und sich einen „Bruder aller Landsknechte“ nennt. Andere Lieder handeln von dem Heller, von einer Fischerin, die vier Morde gestiftet hat, eine Geschichte, die sich in Wien zugetragen, von einem Jäger, von dem falschen Zeugen, von der Buhlerei etc. Auch hat er weltliche Lieder umgedichtet, so das Volkslied „Es hat ein Mäidlein ein Schuch verloren“, umgewandelt in ein Lied an die heilige Jungfrau „Gottes Huld ich verloren han“. In seine Straßburger Zeit fällt das „Lied von der löblichen Stadt Straßburg“, worin er ‚Dem löblichen Rath von Straßburg‘ zu Diensten den Ursprung der Stadt erzählt. Im Beginn der 20er Jahre sehen wir ihn lebhaft von den Ideen der Reformation ergriffen und als warmen Anhänger Luthers; er gedenkt der Verbrennung von Luther’s Büchern und der Anwesenheit des Reformators auf dem Reichstag zu Worms. Bald nach 1525 scheint er gestorben zu sein; spätere Lieder finden sich nicht. Seine Lieder tragen einen Doppelcharakter, die einen schlagen ganz den Ton des Volksliedes an und sind außerordentlich einfach und frisch, die anderen dagegen stehen auf dem Boden des Meistergesanges und sind so verschieden von jenen, daß man sie kaum für Producte desselben Dichters halten würde. Dadurch, daß er sich in allen am Schluß nennt, ist sein Eigenthum sicher gestellt.

Vgl. O. Schade im Weimarischen Jahrbuch 4, 418–452. Goedeke, Grundriß S. 235 f.