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Artikel „Genast, Eduard Franz“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 560–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Genast,_Eduard&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:46 Uhr UTC)
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Genast: Eduard Franz G., Sohn des vorigen, geb. zu Weimar am 15. Juli 1797, erlernte nach seinem Austritt aus der Schule das Conditorhandwerk und brachte es in diesem Metier bis zum Gehülfen in der großherzoglichen Hofconditorei. Frühzeitig entwickelte sich seine hübsche Baritonstimme, weshalb er Gesangunterricht beim Musikdirector Carl Eberwein erhielt, wodurch sich seine Neigung für Theater und Musik steigerte. Nachdem es ihm gelungen war des Vaters Widerwillen gegen die Bühnenlaufbahn zu besiegen, debütirte er unter Goethe’s specieller Leitung in Weimar am 23. April 1814 als Osmin in Mozart’s „Entführung aus dem Serail“. Im J. 1816 ging er nach Stuttgart, um noch Gesangsunterricht bei Häser zu nehmen, worauf er im folgenden Jahre in Dresden, dann in Hannover, Prag und Leipzig Engagement annahm. 1828 bis 1829 führte er die Direction des Stadttheaters in Magdeburg und trat im April des letzteren Jahres ein lebenslängliches Engagement am Hoftheater zu Weimar an, wo er 1833–51 auch die Opernregie führte. Im J. 1860 erfolgte seine Pensionirung; von dort ab erschien sein Name nur noch als Gast unter dem Titel eines Ehrenmitgliedes auf dem Theaterzettel. Nachdem er am 17. April 1864 unter allgemeiner Theilnahme sein 50jähriges Künstlerjubiläum gefeiert hatte, starb er am 3. August 1866 in Wiesbaden im Hause seiner mit dem [561] Componisten J. Raff vermählten Tochter Doris. G. war zu seiner Zeit sehr geschätzt als tüchtiger Sänger und Schauspieler. Küstner beurtheilt ihn in seinem Buche „Rückblick auf das Leipziger Stadttheater“ sehr eingehend. Genast’s Vielseitigkeit war erstaunlich. Nicht nur, daß er im recitirenden Schauspiele wie in der Oper wirkte, leistete er im Ernsten wie im Komischen, in älteren wie in jugendlichen Rollen des Schau- und Singspieles, im poetischen Drama endlich wie im Conversationsstücke Vorzügliches. Sein Repertoir in der Oper umfaßte sämmtliche erste Baß- und Baritonparthien, was auf einen großen Umfang seiner Stimme schließen läßt: er sang den Zampa und auch den Sarastro. Auch im Schauspiel trat er in den verschiedensten Rollen auf; so spielte er den Wallenstein und den Junker von Alp (Zeitgeist), den Götz und Zacharias Styx (die feindlichen Brüder), den König Philipp (Don Carlos) und Schuster (Lumpaci Vagabundus). In den späteren Zeiten seiner Bühnenthätigkeit wirkte er nur noch als Schauspieler und blieb dabei den Vorbildern der klassischen Theaterzeit treu. – Auch als Componist wurde G. bekannt, namentlich blieben seine in Leipzig und Weimar aufgeführten Opern „Die Sonnenmänner“ und „Die Verräther in den Alpen“ nicht ohne Beifall. Außerdem sind einige Lieder von ihm erschienen, sowie ein größeres Gesangsstück: „Die letzte Stunde des Hauses“ von Saphir, für eine Singstimme mit Orchester oder Pianoforte. Auch Memoiren gab G. heraus unter dem Titel „Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers“ (Leipzig 1861–66, 4 Theile), von denen namentlich die ersten Bände interessantes Material zur Schiller-Goethezeit in Weimar enthalten. Als geschichtliche Quelle freilich dürfen sie nicht ohne Kritik benutzt werden.

Karoline Christine G., geb. Böhler, seine Gattin, geb. zu Cassel am 31. Januar 1800 (nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, am 20. Febr. 1804), war die älteste Tochter von Wilhelm Böhler aus Mannheim, der, ursprünglich Jurist, von Iffland bewogen wurde, sich der Bühne zu widmen und in Frankfurt bis zu seinem frühen Tode im Fach fein komischer und Charakterrollen sich die Gunst des Publikums erwarb. Christine G. erhielt eine treffliche Erziehung und trat zuerst in Frankfurt 1815 als Clavierspielerin öffentlich auf. Des Vaters Tod bewog sie, 1816 ein Engagement am ständischen Theater in Prag anzunehmen; 1818 trat sie mit ihrer jüngeren Schwester Doris (später die Gattin Emil Devrient’s) in den Verband des damals unter der Leitung Küstner’s stehenden Stadttheaters in Leipzig. Dort lernte sie G. kennen und vermählte sich mit ihm am 14. Mai 1820. Beide erhielten 1829 lebenslängliches Engagement am Hoftheater zu Weimar, wo Christine, hoch geehrt und geliebt, am 15. April 1860 starb. – Goethe war ihr sehr gewogen und wie er sie als Künstlerin schätzte, beweist das Gedicht, das er ihr am 31. Jan. 1822 widmete:

Treu wünsch’ ich Dir zu Deinem Fest
Das Beste was sich wünschen läßt:
Doch wünscht’ ich mir zum Lebenskranze
Dich anzuschau’n in Deinem Glanze;
Dich selbst in Handeln, Worten, Blicken,
Mir und den Freunden zum Entzücken.

Auch ihr hat Küstner im „Rückblick“ etc. ein ehrenvolles Denkmal gesetzt. Am höchsten stand sie im feinen Lustspiel, in Rollen wie Donna Diana, Minna von Barnhelm etc., oder auch in solchen Rollen des Trauer- und Schauspiels, die mehr Innigkeit als Leidenschaft, mehr ruhige innere Hoheit und Würde, als eine nach Außen sich Bahn brechende Heftigkeit und einen Aufwand von Kraft erfordern. Dahin gehörten die Fürstin in Elise Valberg, die Königin in Don Carlos, die Prinzessin in Tasso, Walburg, Cordelia, Maria Stuart etc. In allen diesen Rollen zeigte sie eine so imponirende Hoheit, eine so Achtung gebietende [562] Würde und so viel Verstand und Feinheit, daß man dieselben zu den vorzüglichsten Leistungen dieser Art zählen durfte. – Die Brustbilder von Eduard und Christine G. befinden sich im Foyer des neuen Theaters zu Leipzig.