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Artikel „Gallicius, Philipp“ von Christian Immanuel Kind in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 335–336, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gallicius,_Philipp&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 21:36 Uhr UTC)
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Gallicius: Philipp G., geb. 1504, 1566 als Prediger zu Chur an der Pest gestorben. Sein väterlicher Familienname war Saluz, sein Stammort die Gemeinde Ardetz im unterengadinischen Gerichte Steinsberg. Gallicius nannte er sich nach seiner Mutter Familie, was auf einen hervorragenden Einfluß der Mutter auf die Bildung des Knaben schließen läßt; ein Großoheim mütterlicher Seits, der Dekan Bursella in Camogast, hatte sich seiner frühzeitig angenommen. Das Licht der Welt erblickte Philipp in Pontwila, einem kleinen Weiler bei der Vintschgauischen Gemeinde Taufers, wo sein Vater Adam Saluz muthmaßlich ein bischöfliches Hofgut bewirthschaftete. Wie bei den meisten Gelehrten jener Zeit ist auch über des G. Jugendbildung wenig bekannt. Es dürfte aber vermuthet werden, daß er bei den Benediktinern des benachbarten Stiftes Marienberg zur Schule ging. Daß er jedoch nicht in den Schranken klösterlicher Gelehrsamkeit stehen blieb, sondern auch den humanistischen Studien mit großem Eifer oblag, erhellt aus seiner Kenntniß der griechischen und hebräischen Sprache, von welcher er schon als zweiundzwanzigjähriger Caplan ausgiebigen Gebrauch zu machen wußte. Sein erstes öffentliches Auftreten fällt in den Beginn des Jahres 1526, während er bei dem obengenannten Dekan Bursella als Caplan angestellt war. Es handelte sich um die Vertheidigung der evangelisch gesinnten Priester, gegen welche der Bischof von Chur wegen täuferischer Gesinnung die Anwendung bürgerlicher Censuren beantragt hatte. Der Bundestag gestattete den Angeschuldigten eine Rechtfertigung mittels einer öffentlichen Disputation. Diese bot nun G., obschon er wol der Jüngste unter den anwesenden Priestern war, Anlaß, sein glänzendes Talent, seine Schrift- und Sprachkenntnisse zu beurkunden. Das Ergebniß des Religionsgespräches bestand darin, daß der Bundestag nicht Hand bot zur gewünschten Anwendung bürgerlicher Censuren. G. wurde indessen doch in Folge einer Predigt, die er über das Verdienst Christi hielt, von einem Verbannungsdecrete betroffen, da im Oberengadin die Gerichtsbarkeit unmittelbar dem Bischofe zustand. Es war diese Behandlung des jungen Caplans um so auffälliger, als derselbe bis dahin an der mystischen Seite der Transsubstantiationslehre festgehalten hatte. Als Verbannter zog er nun in die Nähe seines Heimathsortes nach Lavin und beschäftigte sich mit Privatunterricht und Erziehung junger Leute. Bald wurde er jedoch als Prediger nach Langwies berufen, woselbst er sich verehelichte, und hiermit den Bruch mit der Kirche vollzog. Nach der Schlacht von Cappel eben deshalb zur Flucht gezwungen, kehrte er neuerdings für eine Reihe von Jahren zum Lehrerberufe zurück. Bemerkenswerth ist diese Zeit nicht sowol durch eine reformatorische Wirksamkeit, für welche einstweilen kein Raum vorhanden war, als durch die ersten Versuche das rhätoromanische Idiom zu einer Schriftsprache zu erheben; in dem Psalterium von Campell befinden sich nebst der Vorrede auch mehrere Beiträge von Gallicius’ Hand. Eine neue Periode kirchlicher Wirksamkeit begann für G. erst mit dem Jahre 1537. Die Gründung eines Synodalverbandes, die Disputationen, denen er 1537 und 1544 als Vertreter dieses Verbandes beiwohnte, die Einrichtung einer Kirchenordnung für die italienische Exulantengemeinde in Chiavenna 1549, die Auseinandersetzungen mit [336] Peter Paul Vergerio in Bezug auf den Kirchenverband der italienischen Gemeinden, seine Berufung als Prediger und Professor nach Chur an die Seite Comanders bilden den Rahmen seiner immer bedeutungsvoller hervortretenden Begabung und Wirksamkeit. In letzterer Stellung verflochten sich seine Bestrebungen auch ins politische Leben, einerseits mit Rücksicht auf die gewünschte und sehr beförderte Säcularisation des Hochstiftes Chur, anderseits hinsichtlich des Bündnisses mit der französischen Krone und die von derselben von Zeit zu Zeit ausgehenden Verfolgungen und Befehdungen der Hugenotten. Das Hauptdenkmal seines Wirkens und Strebens war aber die Confessio rhaetica vom Jahre 1553, deren Aufstellung als Grundlage für den Synodalverband hauptsächlich durch die abweichenden Lehrmeinungen der Italiener erfordert wurde. Es war eine aufreibende Thätigkeit, die ihm oblag, ohne ausreichenden obrigkeitlichen Schutz, wie ihn wol die meisten anderen Reformatoren genossen, in eine Menge weitauseinandergehender Interessen verkettet zu sein, eine ausgebreitete Correspondenz zu führen, einem Doppelamte obliegen, und überdies von Nahrungssorgen nie befreit zu sein. Je mehr seit dem Augsburger Religionsfrieden die lutherische Kirche sich einer ruhigen Anerkennung erfreute, desto schärfer gingen von allen Seiten die Angriffe auf die reformirten Kirchen vor. Und kaum irgendwo heißer war der Kampf, als gerade in Churrhätien, wo die Inquisition vor den Thoren lauerte und ein großer Theil des Gebietes unter einem auswärtigen Bischofe stand, dem die Inquisition allen Vorschub leistete. Die Einigung der reformirten Kirchen deutscher Zunge in dem helvetischen Bekenntnisse war daher eine rettende That, und es war G. gerade noch vergönnt, dieses Werk Bullingers seinen Amtsbrüdern zur Annahme zu empfehlen, als auch er, von der Pest ergriffen, seiner Wirksamkeit ein Ziel gesetzt sah. Er starb 1566 mit seiner Gattin und zweien seiner Söhne. G. war namentlich in seiner letzten Amtsstellung zu sehr praktisch in Anspruch genommen, um schriftstellerisch einwirken zu können. Von ihm selbst erschien nichts im Drucke; was vorhanden ist, hat sein Schüler Campell veröffentlicht.

Ulrich Campell, 2 Bücher rhätischer Geschichte, deutsch von Mohr. Chur 1853. – Petri Dominii Rosii de Porta historia reformationis ecclesiarum rhaeticarum, Curiae Rhaet. 1771 – Ferd. Mayer, Gesch. der evang. Gemeinde in Locarno. Zürich. – Leonhardi, Philipp Gallicius. Chur. – Kind, in der Zeitschr. für hist. Theologie. 1868. III. Heft.