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Artikel „Hanau-Münzenberg, Friedrich Kasimir Graf zu“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 38–41, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Casimir&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 00:20 Uhr UTC)
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Münzenberg: Friedrich Kasimir Graf zu Hanau-Münzenberg, geb. den 4. August 1623 und † den 30. März 1685, ein Sohn des Grafen Philipp Wolfgang von Hanau-Lichtenberg und dessen Gemahlin Johanna von Oettingen. Nach dem Tode seines Vaters, der am 14. Februar 1641 erfolgte, kamen die drei Söhne desselben: Friedrich Kasimir, Johann Philipp und Johann Reinhard II. unter die Vormundschaft des Grafen Johann Ernst von Hanau-Münzenberg. Als aber letzterer schon am 12. Januar 1642 starb, fiel nach dem hanauischen Erbvertrag von 1610 (vgl. Bd. X S. 498) die Grafschaft Hanau-Münzenberg an Friedrich Kasimir als den ältesten der Lichtenberger Brüder. Sofort ließ derselbe durch seinen nunmehrigen Vormund Georg von Fleckenstein die Unterthanen sich huldigen. Die verschiedenen Lehnhöfe in der münzenbergischen Grafschaft machten nun Anstalt, die Lehen, welche sie von dem Grafen Johann Ernst besessen, einzuziehen. Dadurch stand dem Lande ein großer Schaden bevor, welchen man abzuwenden suchte durch die Vermittelung der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen. Diese, Wittwe Wilhelms V. und eine Tochter Philipp Ludwigs II. von Hanau-Münzenberg, hatte schon so manches Opfer für das hanauische Land gebracht und war auch jetzt gern bereit, es vor dem Verfall zu bewahren zu helfen. Ihrem Ansehen gelang es, jene Lehnherrn dahin zu bewegen, daß sie ihre Lehen dem Grafen Friedrich Kasimir ertheilten. Hierauf schloß dieser einen Vertrag mit der Landgräfin, daß im Falle des Aussterbens des hanauischen Mannesstammes Hessen-Kassel die Nachfolge in der Grafschaft Hanau-Münzenberg zugesichert werde. Auch überließ er der Landgräfin wegen ihrer Ansprüche und rückständigen Forderungen an die Grafschaft die Kellerei Naumburg und das Amt Schwarzenfels pfandweise.

Hierauf begab sich M. auf Reisen nach Frankreich, Spanien, Italien, England und Holland, um sich in den Wissenschaften, wozu er in der Jugend einen guten Grund gelegt, weiter auszubilden. Während dieser Zeit starb sein Vormund Georg von Fleckenstein, an dessen Stelle nun Graf Georg Albrecht zu Erbach trat. Endlich übernahm der Graf 1647 selbst die Regierung in Hanau und vermählte sich mit der Wittwe des verstorbenen hanauischen Grafen Philipp [39] Moritz, mit Sibylle Christine, einer geborenen Prinzessin von Anhalt-Dessau, welche seit 1645 ihren Wittwensitz zu Steinau an der Straße genommen hatte. Zugleich beschwor er die alten Verträge wegen des Rechtes der Erstgeburt, nichts von der Grafschaft veräußern zu wollen, wie er denn auch kurz vorher die reformirte Kirchenordnung des Grafen Philipp Ludwig II. zur Beruhigung der Unterthanen, welche bis auf wenige Ausnahmen dieser Confession angehörten und voller Besorgniß dem Antritte seiner Regierung entgegensahen, erneuerte. Ungünstiger konnten die Verhältnisse für den jungen Grafen nicht liegen als er sie antraf. Alles war durch den langwierigen Krieg in Verfall gerathen und alles sollte er jetzt auf einmal zur Zufriedenheit wieder in Ordnung bringen. Aber dazu gehörte vor allem Geld und gerade daran gebrach es ihm überall. Dazu brachte ihn die auf den Verhandlungen des westphälischen Friedenscongresses von Schweden an die Grafschaft Hanau-Münzenberg gestellte Forderung von 32,042 Thalern und an Hanau-Lichtenberg von 21,360 Thalern als Entschädigung für Kriegskosten in nicht geringe Verlegenheit. Dieselbe wurde einigermaßen paralysirt durch die Bemühungen seines Legaten Dr. jur. Geißel auf dem genannten Congresse, wodurch die von Kurmainz weggenommene Stadt Babenhausen wieder an Hanau fiel, welche Friedrich Kasimir einer väterlichen Verordnung gemäß seinem Bruder Johann Philipp zuwies. Ebenso gelang es dem Dr. Geißel, das reiche reformirte Kloster Schlüchtern, welches in den Kriegswirren an Würzburg verloren gegangen, für Hanau-Münzenberg zurück zu erhalten, wogegen dieses dem Kurfürsten Johann Philipp von Mainz, dem damaligen Bischofe von Würzburg, die Salzbrunnen in Orb abtreten mußte. Einige weitere Vergleiche mit Grenznachbarn ging der Graf, da er sie als zum Besten seines Landes gereichend ansah, in den nächsten Jahren ein. An dem guten Willen, demselben zu helfen, fehlte es ihm nicht. Eine edel angelegte Persönlichkeit, mit reichen Geistesgaben ausgestattet, ein Gönner der Gelehrten und Beförderer aller wissenschaftlichen Bestrebungen, wurde M. als ein Mitglied in den Palmen-Orden unter dem Namen des Erhöhenden aufgenommen. Bei dem Kaiser Ferdinand III. stand er in hohem Ansehen und wurde von demselben zum Rathe ernannt. Bei allen diesen Vorzügen fehlte es aber dem Grafen an der nöthigen Gedankenconcentration, um seinen einem anderen Religionsbekenntniß angehörigen Unterthanen gerecht werden zu können, sowie an Charakterfestigkeit, um bei seinem Hange zum Abenteuerlichen in seiner Stellung vor extremen Ausschreitungen gesichert zu sein. Nur dadurch konnte er auf Abwege gerathen, welche ihn und sein Land einem völligen Ruin zugeführt hätten, wenn nicht noch bei Zeiten ihm in energischer Weise entgegengetreten worden wäre.

Einen großen Fehler beging nämlich M., daß er von Anfang seiner Regierung in Hanau an seine lutherischen Religionsgenossen überall den Reformirten bei Besetzung öffentlicher Aemter vorzog und alsbald an die Errichtung einer lutherischen Kirche in dieser Stadt die Hand legte. 1658 wurde die lutherische Johanneskirche daselbst erbaut, sodann ein lutherisches Gymnasium errichtet. Die Forderungen der Reformirten, ihre der Herrschaft aus ihren geistlichen Gefällen vorgeschossenen Summen zurückzuerstatten, ihre hohe Landesschule auszubauen u. a. wurde dagegen in die Länge geschoben. In Hanau selbst brach ein heftiger Streit zwischen dem Grafen und den beiden Fremden-Gemeinen aus, welchen er den Summepiscopat aufdrängen wollte, indem er ihnen die Autonomie zu nehmen und einen weltlichen Präsidenten ihren Consistorien vorzusetzen suchte. Beiderseits processirte man darüber bis zum Jahre 1670, in welchem der treffliche eine Pastor derselben, Pierre Philippe, starb. Leichteres Spiel hatte M. auf dem Lande, wo es nicht an gefügigen Beamten und servilen Bürgermeistern fehlte, welche seine kirchlichen Bestrebungen gern unterstützten. Er zog ausländische [40] Lutheraner ins Land und errichtete, wo nur einige derselben sich niederließen, eine lutherische Kirche oder ein Simultaneum mit den Reformirten. Auf diese Weise entstanden nacheinander außer Hanau an folgenden Orten kleine lutherische Gemeinden neben den reformirten: Bockenheim, Berkersheim, Seckbach, Bruchköbel, Bieber, Dorheim, Fechenheim, Hochstadt, Nauheim, Kesselstadt, Rüdigheim, Windecken, Altenhaßlau, Schwalheim und Steinau. Diesen Vorgängen sahen die Unterthanen mit Erbitterung zu, welche sich noch steigerte, als am 25. April 1666 der jüngste Bruder des Grafen, Johann Reinhard II., gestorben war, der einzige dieser Brüder, welcher Söhne: Philipp Reinhard, 2 Jahre, und Johann Reinhard III., 1 Jahr alt, hinterließ, über welche nun deren Mutter Anna Magdalena, eine geborene Pfalzgräfin, mit Hülfe ihres Bruders, des Pfalzgrafen Christian II. von Birkenfeld, die Vormundschaft führte. Weil aber diese der reformirten Kirche angehörten, so sprach M. das Recht der Vormundschaft an, damit seine Neffen in dem lutherischen Bekenntnisse erzogen und die Unterthanen darin nicht angefochten werden möchten. Jahre lang bildete diese Frage einen argen Zankapfel, zumal als 1669 des Grafen anderer Bruder Johann Philipp auch kinderlos gestorben war und seine eigene Ehe unfruchtbar war. Die Unterthanen der Münzenberger wie Lichtenberger Grafschaft kamen über diesen Streitigkeiten in die größte Aufregung.

Inmitten dieser Wirren überließ sich M. höchst schlimmen Rathgebern, welche in schlauer Weise seinen Hang zum Phantastischen zu benutzen wußten. Ein berüchtigter Arzt Namens Friedrich Kretschmar verstand es, sich dem Grafen zu empfehlen, daß er ihn als Rath annahm und ihm sein volles Vertrauen schenkte. Derselbe suchte in jeder Weise die Neigung seines Herrn zur Verschwendung zu unterstützen. So wurde 1660 wegen der Zurückberufung des Königs Karl II. nach England in Hanau ein großes Freudenfest gefeiert, später fanden allerlei Lustbarkeiten statt, als einige vom Kaiser Leopold dem Grafen verehrte Kunstwerke ankamen u. a. Dabei suchte Kretschmar die Zwietracht unter den beiden evangelischen Bekenntnissen bei jeder Gelegenheit zu vergrößern, den Grafen aber, der sich bereits nicht mehr scheute, um nur seinen Leidenschaften fröhnen zu können, selbst Domanialgüter zu veräußern, in solchen Wegen zu bestärken. Später kam ein noch schlimmerer Mensch, der wegen seines Atheismus aus Schweden vertriebene Reichsrath Skytte als Rathgeber Münzenberg’s hinzu, dem sich dann außer anderen der Projectenmacher Johann Joachim Becher beigesellte. Letzterer, zum Geheimen Rath erhoben, veranlaßte den Grafen zu einem Vertrage mit der westindischen Compagnie in den Niederlanden, um ein deutsches Königreich in Südamerika an der Küste von Guiana zu errichten. Die Ausführung desselben, besonders die Reise Becher’s nach den Niederlanden, verursachten enorme Kosten. Mit großem Pompe wurde die Ratification dieses Kaufes zu Hanau gefeiert, gegen welchen die Agnaten protestirten und dessen Werthlosigkeit der Graf zu spät einsah. Um sich aus den dadurch entstandenen pecuniären Mißlichkeiten zu helfen, verpfändete er, allen Hausverträgen zuwider, an den in spanischen Diensten stehenden Landgrafen Georg Christian von Hessen-Homburg, welcher römisch-katholisch geworden war, den Flecken Rodheim. Auch das Amt Dorheim mit dem Salzwerke zu Nauheim suchte er zu veräußern und entließ seine Räthe, da sie ihn in einem ernsten Schreiben datirt Hanau den 14. Juli 1669 davon abzuhalten suchten. Schon hatte sich das Gerücht verbreitet, daß er auch seine Lichtenberger Grafschaft dem Herzoge von Lothringen verpfänden und auf die Vorspiegelungen des genannten Landgrafen, von dem er sich gänzlich leiten ließ, den evangelischen Glauben verlassen wolle, worüber allerlei Unruhe unter dem Volke entstand, da raffte sich seine Gemahlin sowie die Wittwe seines Bruders Johann Heinrich im Namen ihrer beiden minderjährigen Söhne während der Abwesenheit [41] des Landgrafen auf und bewirkten durch energische Vorstellungen eine gänzliche Sinnesänderung bei dem Grafen. Dieser bereute seine vielen Thorheiten, durch welche er das Land an den Rand des Verderbens und sich bei seinen Unterthanen in gänzliche Verachtung gebracht. Hülfreich bot der Kaiser ihm nun die Hand, indem er eine Commission ernannte, welche Ruhe und Ordnung wieder im Lande herstellen sollte. Hessen-Cassel schickte zu demselben Zwecke militärische Unterstützung. Seine bisherigen verderblichen Rathgeber entließ nun der Graf, wie er denn auch seinen Hofstaat einschränkte und mit der That bezeugte, daß es ihm ernst mit seiner Lebensänderung sei. Die unheilvollen kirchlichen Streitigkeiten beider Confessionen wurden beigelegt in dem Religionsreceß vom 16./26. August 1670, worin in 39 Artikeln mit Zugrundlegung des Erbvereins von 1610 genau bestimmt wurde, wie es in der Folge in beiden Grafschaften zu halten sei, sowie daß es auch bei der einmal eingesetzten Vormundschaft über die beiden minderjährigen Grafen bleiben solle. Die Kurfürsten von Mainz, Brandenburg, Pfalz, Sachsen, sowie die beiden hessischen Landgrafen und der Pfalzgraf von Birkenfeld übernahmen die Garantie dieses Recesses, welcher beiden evangelischen Confessionsverwandten vollkommen gleiche Berechtigung zusicherte. Seiner Schwägerin Anna Magdalena, welcher er 1671 das Amt Babenhausen, welches ehedem sein Bruder Johann Philipp besessen, überließ, sowie deren Bruder, dem Pfalzgrafen Christian II. von Birkenfeld, dem Vormünder der genannten jungen Grafen, räumte er die Mitregierung bei allen wichtigen Angelegenheiten ein. Auch gab er nun eine Menge von Verordnungen heraus, welche das Wohl des Volkes bezweckten und ihm allmählich die Achtung und Liebe desselben wiedergewannen. Seine letzten Lebensjahre, welche er in wieder völlig geordneten finanziellen Verhältnissen verlebte, wurden noch getrübt durch den Verlust der Lichtenberger Besitzungen, welche schon von 1672 bis 1679 die Franzosen unter Turenne auf das Entsetzlichste verheert hatten, an Ludwig XIV., welcher sich bekanntlich 1681 des ganzen Elsasses bemächtigte. Dagegen machte M. ein Jahr vor seinem Tode einen Tauschvergleich mit Mainz, welchem er die hanauische Hälfte des Amtes Partenstein, die Dörfer Ried und Grießheim bei Höchst am Main, sowie seinen Antheil an Münster und Oberrode gegen Bieber, Lohrhaupten und den mainzischen Antheil an Münzenberg, Heuchelheim und Dudenhofen zuerkannte. In Betreff seiner beiden Neffen hatte er die Bestimmung getroffen, daß dieselben ihn beerben und dem ältesten die Wahl unter den beiden Grafschaften freistehen sollte. Eine Gliederkrankheit machte seinem Leben ein Ende. Sein Leichnam wurde in der Johanniskirche beigesetzt. Bereits am 21. Februar 1686 folgte ihm seine 22 Jahre ältere Gemahlin im Tode nach.

Hanauisches Magazin v. J. 1781, 4. Bd. Carl Arnd, Gesch. der Provinz Hanau, Hanau 1858. Calaminus, Nachricht über die Gründung der evang. Marien- und Johanniskirche zu Hanau, Hanau 1858. Fr. W. Cuno, Gedächtnißbuch deutscher Fürsten und Fürstinnen reform. Bek., I, Barmen (1882), S. 101 f. Lehmann, Urkundl. Gesch. der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, II, S. 495 f. Leclerq, Une Eglise réformée au 17 siècle, Hanau 1868. Moser, Patriotisches Archiv für Deutschland, XII, S. 495 f., Mannh. und Leipz. 1790. Rommel, Gesch. von Hessen, IX, S. 261 f.