ADB:Franz I. (Herzog von Pommern)

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Artikel „Franz I., Herzog von Pommern-Stettin“ von Hermann Müller (Bibliothekar) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 292–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Franz_I._(Herzog_von_Pommern)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 09:18 Uhr UTC)
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Franz I.: Herzog von Pommern-Stettin, Sohn Boguslaw’s XIII. aus dessen Ehe mit Clara von Braunschweig-Lüneburg, ward am 24. März 1577 geboren, erhielt durch seinen Vater zwar eine äußerst sorgfältige Erziehung, zeigte aber schon früh mehr Neigung zu ritterlichen Uebungen als zu wissenschaftlichen Studien und hätte aus diesem Grunde sich gern an den durch Prunk und Ritterspiele ausgezeichneten kursächsischen Hof begeben, wurde aber durch Herzog Johann Friedrich, welcher ihn zu sich nahm, davon abgehalten. 1592 zum Coadjutor des Bisthums Cammin postulirt, wohnte er 1593 der Nationalsynode bei, unternahm 1594 eine Reise nach Wien und Ungarn, wo er an der Belagerung der Festung Gran unter Erzherzog Matthias von Oesterreich Theil nahm, ging darauf nach Italien und kehrte nach zwei Jahren in seine Heimat zurück. Nach der Resignation seines Oheims Casimir auf das Bisthum Cammin wurde F., auf voraufgegangene Postulation und Election, am 15. September 1602 in der Domkirche von Cammin mit allen Förmlichkeiten als Bischof eingesetzt. Seine Residenz nahm er in Cöslin und schmückte sein Schloß daselbst auf’s Beste aus. Er war ein Bischof nach dem Zuschnitt Christians von Halberstadt, steht aber in Bezug auf Moralität weit über diesem. 1604 bot ihm der König von Schweden das Obercommando über 3000 Mann Fußvolks und 1000 Reiter an, um mit diesen Truppen im Polenkriege zu operiren. So sehr dies nach Franz’s Neigung war, mußte er doch, gedrängt von seinen Verwandten, welche aus der Parteinahme gegen Polen für das Vaterland Gefahr fürchteten, ablehnen. Dem inneren Drange, in der Ferne sein Glück zu versuchen, konnte er nur durch große Reisen genügen. Eine solche trat er 1607 nach Prag an, setzte sie von da fort durch die Schweiz, nach Frankreich bis an die Grenze von Spanien und ging dann noch nach England, Schottland und den Niederlanden. 1610 vermählte er sich mit der Prinzessin Sophia von Sachsen, 1614 warb er ein kleines Heer Soldaten an, um die Grenzen seines Bisthums zu sichern. Seinem Bruder Philipp II., dessen Ehe mit Sophie von Schleswig-Holstein kinderlos war, succedirte er im Mai 1618 in der Regierung, verzichtete bei deren Uebernahme zu Gunsten seines Bruders Ulrich, dem er auch das Amt Neuen-Stettin abtrat, auf das Bisthum und überließ seinem Bruder Boguslaw das Amt Rügenwalde. Nach dem Tode seines Bruders Georg, welcher 1617 im blühendsten Mannesalter starb, erhielt er noch die Stadt und das Amt und verschrieb dies seiner Frau zum Leibgedinge. Besondere Aufmerksamkeit wendete F. ebenso wie sein Vetter Philipp Julius der bürgerlichen und kirchlichen Bewegung Deutschlands zu. Beim Ausbruch des böhmisch-österreichischen Krieges wurde er vom Kaiser und den böhmischen Ständen um Beistand angegangen, aber der Neutralität und Parteilosigkeit geneigt, ging er die Verpflichtung ein, in dieser Angelegenheit ohne vorherige Einwilligung der Stände keinerlei Maßregeln zu ergreifen. Die Stände lehnten auch die Forderung des Herzogs, das Stettiner Zeughaus mit Ausrüstungsstücken und Vertheidigungsmitteln zu versehen, hartnäckig ab, verweigerten ebenso die auf den 15.–25. November 1619 bei dem Dorfe Pützerlin ausgeschriebene Musterung und führten dagegen laute Klage über erhöhte Kriegsauflagen; das Land aber blieb ungerüstet. Auf dem obersächsischen Kreistage zu Leipzig, [293] 30. Januar 1620, hatten die pommerschen Herzöge, vertreten durch Paul von Damitz, sich gegen die Aufstellung eines Heeres zum Schutze des Kreises in Sachsen selbst ausgesprochen und verstanden sich erst zu einer halben Steuer, nachdem sie von Kurfürst Johann Georg auf das Nachdrücklichste an ihre Pflicht, der Kreisverfassung sich nicht zu entziehen, erinnert worden waren. Unter seine Regierung fällt eine höchst barbarische, nichts destoweniger anziehende rechtliche Procedur, welche wegen des Ranges der unglücklichen Angeklagten und ihrer Abstammung aus der reichsten ältesten Familie des Landes, sowie der eigenthümlich romantischen Umstände, zu dauernder Berühmtheit gelangt ist. Es ist der Hexenproceß gegen das achtzigjährige Klosterfräulein in Marienfließ, Sidonia von Borcke, welche des Verbrechens bezüchtigt wurde, durch nachtheilige Gebete und Zauberei den Tod der in der Blüthe ihrer Manneskraft verstorbenen Herzöge Philipp II. und Georg, sowie die kinderlosen Ehen der übrigen Söhne Boguslaw’s XIII. verschuldet zu haben; er endete mit der Verurtheilung der Angeklagten, welche man allgemein als die teuflische Fürstenmörderin bezeichnete, zu schimpflichem Tode, den sie am 19. August 1620 erlitt. Aber die Hinrichtung der einem finsteren Wahne Geopferten konnte dem Aussterben des fürstlichen Geschlechts keinen Einhalt thun. Drei Monate darauf, 24. November, erkrankte der Herzog, welcher am Morgen noch frisch und gesund gewesen war, nach dem Mittagsmahl plötzlich und verschied am 27. November 1620 im 44. Lebensjahre. Herzog F. gehörte zu den mittelmäßigen Regenten, liebte eitlen Prunk, Ostentation mit Waffen, Pferden und militärischen Uebungen, aber es gebrach ihm an der durchgreifenden Energie, das vormals so streitbare, jetzt aber erschlaffte Volk der Pommern gegen die herannahende Bedrängniß zu stählen und es mit dem in jener Zeit nothwendigen kriegerischen Muth wieder zu beleben. Für wissenschaftliche Cultur hatte er keinen Sinn, war kein Gönner der Gelehrten, ignorirte in soldatischer Geringschätzung die wissenschaftlichen Bestrebungen seines Vorgängers, hatte sogar die Absicht, das Stettiner Pädagogium zu einem Pferdestall einzurichten, wovon er nur durch eindringliche Vorstellungen seiner Räthe zurückgebracht wurde, entließ den gelehrten Kanzler D. Martin Chemnitz auf die bloße Verläumdung niedriger Neider hin, besonders Pauls von Damitz, der auch sein Nachfolger wurde und duldete ebenso die Verdrängung des Landessuperintendenten D. Cramer. In Angelegenheiten der Regierung und der Stadt Stettin sehr thätig, besonders vorsichtig mit der Unterschrift seines Namens, die er nur nach genauer Prüfung des Inhalts der ihm vorgelegten Schriftstücke gab, war er übrigens äußerst leutselig und herablassend gegen jeden seiner Unterthanen und hatte durch Milde und Güte die treue Anhänglichkeit und Liebe seines Volks sich erworben.