Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Fabrice, Alfred Graf von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 476–478, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fabrice,_Alfred_Graf_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:28 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Fabri, Friedrich
Band 48 (1904), S. 476–478 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Alfred von Fabrice in der Wikipedia
Alfred von Fabrice in Wikidata
GND-Nummer 116361301
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|476|478|Fabrice, Alfred Graf von|Bernhard von Poten|ADB:Fabrice, Alfred Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116361301}}    

Fabrice: Alfred Graf von F., königlich sächsischer General der Cavallerie, Staats- und Kriegsminister, wurde am 23. Mai 1818 zu Quesnoy sur Deule im französischen Departement Nord, dem Standorte seines Vaters, des Majors im sächsischen Husarenregimente Prinz Johann, Friedrich v. F., geboren, welcher damals der nach dem zweiten Pariser Frieden in Frankreich verbliebenen Besatzungsarmee angehörte. Der Sohn kam in seinem zwölften Lebensjahre in das Dresdener Cadettenhaus und aus diesem am 1. Juli 1834 als Portepéejunker zum 2. Reiterregimente, wurde am 29. April 1835 Officier, am 23. Januar 1840 Oberlieutenant und zu den Gardereitern nach Dresden versetzt, am 14. Februar 1842 Regimentsadjutant, am 14. December 1848 Rittmeister, nahm im J. 1849, ohne zu nennenswerther kriegerischer Thätigkeit zu kommen, am Feldzuge gegen Dänemark auf der cimbrischen Halbinsel theil und wurde am 1. Februar 1850 zum Generalstabe [477] commandirt, in welchem er, am 30. December 1853 zum Major und Souschef, am 23. September 1861 zum Oberstlieutenant, am 4. September 1863 zum Oberst befördert, verblieben ist, bis er im J. 1866 Kriegsminister wurde. Zwei Mal war er während dieser Zeit zu einer Thätigkeit außerhalb des eigenen Landes berufen. Zum ersten Male als er im J. 1863/64 dem mit dem Oberbefehle der nach Holstein entsandten sächsisch-hannoverschen Bundesexecutionstruppen betrauten sächsischen Generallieutenant v. Hake als Generalstabschef beigegeben war. In dieser schwierigen Stellung hatte er vielfach Gelegenheit seinen weiten Blick und die ihm angeborene Gabe des Verkehrs mit Menschen zu bekunden. Das zweite Mal geschah es als er, am 17. September 1865 zum Chef des Generalstabes, am 27. October des nämlichen Jahres zum Generalmajor aufgerückt, im J. 1866 in jener Eigenschaft nach Böhmen zu Felde zog. An der hohen Anerkennung, die dem Verhalten und den Leistungen der sächsischen Truppen und ihrer Führung auf dem dortigen Kriegsschauplatze von Freund und Feind gezollt wird, kommt dem General v. F. der volle seiner Stellung gebührende Antheil zu; persönlich ist er besonders hervorgetreten als er am Frühmorgen des Schlachttages von Königgrätz durch eine Erkundung des Geländes feststellte, daß es zweckmäßiger sein werde, statt des der sächsischen Armee zugewiesenen Abschnittes von Popowitz den von Prim–Problus zu besetzen; der Oberfeldherr Benedek genehmigte diese vom Kronprinzen Albert von Sachsen vorgeschlagene Aenderung seines eigenen Planes und ermöglichte den Sachsen dadurch, den Anmarsch und das Eingreifen der preußischen Elbarmee länger aufzuhalten als ihr sonst möglich gewesen wäre.

Nachdem Oesterreich am 23. August mit Preußen den Prager Frieden geschlossen hatte, durch welchen die Erhaltung Sachsens als selbständiger Staat gewährleistet war, hing das Zustandekommen einer solchen Abmachung mit dem Berliner Cabinette vom vorgängigen Abschluß einer Militärconvention zwischen beiden Ländern ab, welche als integrirender Theil in den betreffenden Vertrag aufgenommen werden sollte. Zu ihrem Abschlusse ward F. am 8. September nach Berlin gesandt. Die Verhandlungen dauerten lange. Erst Mitte October kamen sie zu Ende. Daß es in einer beide Parteien befriedigenden und in der Folgezeit als sachgemäß und zweckdienlich erwiesenen Art geschah, war wesentlich der Gewandtheit des Generals v. F. und dem Vertrauen auf sein Wort zu danken, dem man auf preußischer Seite Glauben schenkte. Am 17. October reiste er mit dem Entwurfe der Convention zu König Johann nach Karlsbad und vier Tage später, am 21., wurde der Friedensvertrag zu Berlin vollzogen. Am nämlichen Tage erfolgte Fabrice’s Ernennung zum Kriegsminister als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Generals v. Rabenhorst.

Damit war ihm die Aufgabe zugefallen, die Abmachungen der Militärconvention zur That zu machen. Es war eine gewaltige Arbeit. Die Stärke des nunmehrigen XII. Armeecorps des Norddeutschen Bundes betrug um ein Drittel mehr als die der alten sächsischen Armee und alles mußte nach preußischem Muster umgemodelt werden. Die gesammte Ausbildung und die Dienstvorschriften, Waffen, Ausrüstung und Bekleidung mußten geändert, das Ersatzwesen auf ganz neue Grundlagen gestellt, die Landwehreinrichtungen und der Einjährig-Freiwilligen-Dienst eingeführt werden. In hohem Grade wurde das Werk durch das Handinhandgehen des Kriegsministers mit dem commandirenden General, dem Kronprinzen Albert, gefördert, welchem sein königlicher Vater dabei volle Freiheit ließ. In welchem Maaße es gelungen war, die Aufgabe zu erfüllen, hat nach kurzer Frist der Verlaufs des Krieges von [478] 1870/71 gegen Frankreich bewiesen, in welchem die Sachsen als vollständig ebenbürtige Waffenbrüder ihrer ehemaligen Gegner auftraten.

General v. F. blieb nach der Mobilmachung zunächst in der Stellung als Kriegsminister und als Militärgouverneur des Königreiches Sachsen in der Heimath zurück, wo es vollauf zu thun gab und namentlich die Unterbringung der französischen Kriegsgefangenen einen weiteren Zuwachs an Arbeit brachte. Ende December 1870 aber wurde er als Generalgouverneur des Departements Seine-et-Oise und der im Norden des Landes durch die deutschen Truppen in Besitz genommenen Gebietstheile nach Versailles berufen und bei Eintritt des Waffenstillstandes wurde ihm nach der Abreise des Reichskanzlers dessen Vertretung der französischen Regierung gegenüber anvertraut. Wie glücklich die Wahl war, beweist das Denkmal, welches Jules Favre seiner auch von den Deutschen als mustergültig anerkannten Thätigkeit in dem 1875 veröffentlichten Werke: Gouvernement de la défense nationale (III, 168 ff.) gesetzt hat. Auch jetzt wirkte er einmüthig mit dem Kronprinzen Albert zusammen, welcher in den F. unterstellten Landestheilen den militärischen Oberbefehl führte. Am 19. Juni 1871 übernahm er von neuem die Führung der Geschäfte seines heimathlichen Amtes. Am 17. December 1866 war er zum Generallieutenant ernannt, am 16. November 1872 wurde er zum General der Cavallerie befördert; am 1. Juli 1884, dem Tage, an welchem er sein 50jähriges Dienstjubiläum feierte, wurde ihm der Grafenstand verliehen; zu den Auszeichnungen, welche ihm außerdem in reichem Maaße verliehen worden waren, gehörte die Zuwendung einer Dotation aus der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung. Aber auch an Widersachern und Angreifern hat es ihm nicht gefehlt. So wurde er in Sachsen vielfach als „Preuße“ verschrieen, während in Preußen die sächsische Armee als ein Herd der welfischen Agitation bezeichnet ward. Seine Verantwortlichkeit und der Umfang seiner Geschäfte wuchsen, nachdem er im Herbst 1876 den Vorsitz im Staatsministerium übernommen hatte und am 4. Februar 1882 auch an die Spitze des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten getreten war, so daß außer seinen militärischen Obliegenheiten vielfache andere Verpflichtungen seine Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nahmen. Die erstgenannten traten besonders in der starken Truppenvermehrung, in dem Entstehen verschiedener Einrichtungen und Anstalten und in den großartigen, mustergültigen Bauten in Erscheinung, die im ganzen Lande, vornehmlich aber in der Hauptstadt Dresden, zur Ausführung gelangten. Am 25. März 1891 machte dort nach kurzer Krankheit der Tod dem Leben des bis dahin jugendlich frisch gewesenen stattlichen Mannes ein sanftes Ende.

Staatsminister General Graf Fabrice. Sein Leben und sein Streben dargestellt von Max Dittrich. Dresden-Blasewitz 1891.