ADB:Eigenbrodt, Carl Christian

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Artikel „Eigenbrodt, Karl Christian“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 747–749, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eigenbrodt,_Carl_Christian&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 18:29 Uhr UTC)
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Eigenbrodt: Karl Christian E., Forst- und Staatsmann, als ältester Sohn eines Gutsbesitzers geb. 20. Novbr. 1769 auf Hof Lauterbach (Hessen-Darmstadt), † zu Darmstadt 10. Mai 1839. Er besuchte von 1782–84 das Gymnasium in dem benachbarten Korbach (Waldeck, studirte dann auf der damaligen hessen-cassel’schen Universität Rinteln Jurisprudenz und bestand daselbst 1788 rühmlichst das Examen, welches er 1791 in Gießen wiederholen mußte, [748] weil ihm für eine Anstellung im Inlande die in Rinteln absolvirte Prüfung nicht angerechnet wurde. E. arbeitete in der Zwischenzeit 1½ Jahre bei seinem Onkel, dem Amtsrath E. in Ulrichstein (Vogelsberg) und begleitete von 1792 ab einen Herrn v. Schenk zu Schweinsburg als Hofmeister auf die Universitäten Gießen und Marburg, woselbst er eifrig Cameralwissenschaften studirte. 1795 übernahm er die ziemlich verantwortliche und selbständige Stelle eines Administrators der im Osnabrück’schen gelegenen Besitzungen eines Mecklenburger Freiherrn v. Hammerstein, mit dem Titel Secretair und dem Wohnsitz in Gesmold unweit Osnabrück. In dieser Stellung verblieb er 8 Jahre. Im J. 1803 folgte er einem an ihn ergangenen Rufe nach Arnsberg, der Hauptstadt des damals darmstädtischen Herzogthums Westfalen, als Kammerrath und Mitglied der dortigen Hofkammer, in welcher Stellung ihm hauptsächlich das Referat im Steuerwesen und in landwirthschaftlichen Dingen zufiel. 1806 wurde er zum Regierungsrath und staatswirthschaftlichen Mitglied der dortigen Regierung ernannt. Während seines Arnsberger Aufenthaltes fungirte er zugleich als Secretair der Landesculturgesellschaft. 1809 wurde er als Oberforstrath in das Collegium nach Darmstadt berufen. Als solcher brachte er 1813 längere Zeit in Westfalen zu, um die neue Organisation des Forstwesens daselbst durchzuführen. 1816 wurde ihm der Auftrag als correferirendes Mitglied der Commission zum Entwurf eines neuen Civilgesetzbuches und einer Civilproceßordnung zu Theil. Zwei Jahre später wurde er zum Mitglied der Appellationscommission in Administrativ-Justizsachen aus der Provinz Rheinhessen ernannt und 1819 zum Director dieser Commission. Gleichzeitig wurde er Mitglied des geheimen Finanzcomité’s (zur Verbesserung des in Unordnung gerathenen Finanzwesens eingesetzt), in welcher Eigenschaft er u. a. auch die Steuer-Executionsordnung vom 2. März 1820 entwarf und die den Ständen vorgelegte Uebersicht der Staats-Einnahmen und -Ausgaben anfertigte. Am 18. Juni 1821 wurde er zum geheimen Staatsrath im Finanzministerium ernannt; im J. 1830 trat er zum Ministerium des Innern über, um mit Arbeiten im Fache der Gesetzgebung beschäftigt und zu Referaten im Staatsrath verwendet zu werden.

E. war eine großartig angelegte geniale Natur, voller Productivität, mit großem Scharfblick ausgestattet, ein organisatorisches Talent, seine Thätigkeit eine außerordentlich umfassende. Er war zunächst Schöpfer vieler ausgezeichneter Einrichtungen, welche das hessische Forstwesen so berühmt gemacht haben, so z. B. der organischen Forstordnung vom 16. Januar 1811, eines in seiner Art für die damalige Zeit einzigen Gesetzes, welches in seinen wesentlichen Bestimmungen noch heute fortbesteht und geradezu als ein Meisterstück staatsmännischen, national-ökonomischen und forsttechnischen Scharfblicks bezeichnet werden muß. Wie sehr dies der damalige Großherzog Ludwig I. zu würdigen wußte, geht aus dem nachstehenden, eigenhändigen Inscript auf dem Bericht hervor, welcher damals von dem Oberforstcollegium bei Vorlage des erwähnten Organisationsgesetzes an den Großherzog erstattet wurde: „Diese sehr zweckmäßige und gut ausgearbeitete Forstgesetzgebung hat meinen vollkommenen Beifall und Genehmigung; und meine besondere Zufriedenheit und Dank bezeige ich hiermit dem Verfasser“. Darmstadt, 16. Jan. 1811 (gez.) Ludwig.

Ein weiteres, für damals sowol in seinen Principien als in seiner Ausführung vorzügliches Gesetz, welches den Oberforstrath E. zum Verfasser hat, ist das Theilungs- resp. Ablösungsgesetz vom 7. September 1814. v. Wedekind nennt dasselbe in seinem Staatsrecht: „eine der schönsten Blüthen der hessischen Gesetzgebung“. Hohe Verdienste erwarb sich E. weiter durch die musterhafte Regelung des Forstwesens im vormals hessischen Bezirk Arnsberg (vergl. den Aufsatz v. Binzer’s: „Die Communalwaldwirthschaft im Regierungsbezirk Arnsberg“ [749] im Aprilheft 1875 der Grunert-Leo’schen Forstlichen Blätter; der diesfallsigen Verdienste der damaligen hessischen Regierung wird hier in höchst ehrenvoller Weise gedacht, der Träger aller jener Maßregeln aber – wol nur aus Unkenntniß – nicht genannt). E. war ferner Mitbegründer der hessischen Verfassungsurkunde. Im Mai 1820 berief ihn das ehrende Vertrauen seiner Mitbürger zum Mitglied der zweiten Kammer des ersten hessischen Landtags (eröffnet am 27. Juni 1820, geschlossen am 8. Juni 1821), auf welchem bekanntlich die Grundlage zu den neueren staatsrechtlichen Zuständen des Großherzogthums gelegt wurde. Der Großherzog ernannte ihn zum ersten Präsidenten. Der hervorragende Antheil Eigenbrodt’s an dem glücklichen Ausgang der Verhandlungen dieses ersten Landtags ergibt sich wol am schlagendsten aus der Widmung eines silbernen Ehrenpocals nebst Medaillon (unter der Devise: „Dem Verdienste seine Krone“), welche die Kammermitglieder nach Schluß der Session ihrem Präsidenten bei Gelegenheit eines ihm zu Ehren veranstalteten Bankettes zu Theil werden ließen. 1835 und 1838 fungirte E. wiederholt als Präsident der 2. Kammer.

Endlich ist Eigenbrodt’s Name auch im Gebiete der staatswissenschaftlichen Litteratur rühmend zu nennen. Seine Schriften sind: „Noch ein Grund gegen die Kopfsteuer etc.“, 1795; „Analytisch-staatswirthschaftlicher Versuch über die Steuercapitalien und die Fruchtbarkeit der Grundstücke“, 1795; „Ueber den reinen Ertrag der Aecker etc.“, 1807 (unter dem Namen: Eichenhorst publicirt); „Handbuch der hessischen Verordnungen von 1803 an“, 4 Bde., 1816–1818; „Ueber die Natur der Bede-Abgabe etc.“, 1826 ; „Verhältniß der Gerichte zur Verwaltung“, 1840 (von seinem Sohne herausgegeben). Außerdem lieferte er verschiedene Aufsätze in die Zeitschrift für die historischen Vereine. Dem Verfasser wurden Orden und Auszeichnungen der verschiedensten Art für seine vielseitigen Leistungen im Gebiete der Staa1Sverwaltung zu Theil. 1827 ernannte ihn die Juristenfacultät in Gießen zum Dr. juris honoris causa; 1828 sendete ihm die herzoglich sachsen-meiningen’sche Societät der Forst- und Jagdkunde zu Dreißigacker das Diplom als Ehrenmitglied. Endlich fungirte E. zeitweise als Präsident des landwirthschaftlichen, des historischen Vereins und sonstiger Gesellschaften.

H. E. Scriba, Lexikon der Schriftsteller des Großherzogthums Hessen. I. Abth. Darmstadt 1831. S. 87–90.